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Hüffenhardt
Apotheker mahnen DocMorris wegen Abgabe-Automaten ab
Drei Apotheker aus der Region wollen das „rücksichtslose Vorgehen“ von DocMorris in Bezug auf den Arzneimittel-Automaten in Hüffenhardt nicht akzeptieren. Mit Unterstützung der Noweda leiten sie nun rechtliche Schritte gegen die Versandapotheke ein, für die Hüffenhardt der „Wilde Westen“ zu sein scheint, wie die Apotheker sagen.
Nicht nur für Hüffenhardt bleibt es spannend: Seitdem DocMorris seinen „Abgabeautomaten mit Videoberatung“ in der im Neckar-Odenwald-Kreis gelegenen Gemeinde Hüffenhardt eröffnet hat, überschlugen sich die Ereignisse. Innerhalb von 48 Stunden ließ das Regierungspräsidium den Automaten schließen, unter anderem da eine Abgabe von Arzneimitteln außerhalb von Apotheken verboten sei. Doch direkt nach Zustellung des Behörden-Beschlusses legte DocMorris Klage und Eilantrag hiergegen ein – und darf nun bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens OTC-Präparate weiter abgeben. Gleichzeitig versucht die niederländische Versandapotheke, schnellstmöglich auch rezeptpflichtige Arzneimittel abgeben zu dürfen.
Doch drei Apotheker aus der Region wollen das Vorgehen von DocMorris nicht akzeptieren – und schickten am heutigen Dienstag nach Information von DAZ.online Abmahnungen an die Versandapotheke. Sie begründen die rechtlichen Schritte mit Verstößen gegen die Apothekenbetriebsordnung und das Arzneimittelgesetz und fordern DocMorris auf, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, wie eine Pressesprecherin der Apothekengenossenschaft Noweda auf Nachfrage sagte: Der Großhändler unterstützt die Apotheker bei ihrem Vorgehen. Wenn nötig wollen die Apotheker klagen, um ihre Forderungen durchzusetzen.
Apotheker Thomas Grzesiak von der Stadt-Apotheke in Neckarbischofsheim sowie seine Kolleginnen Beate Rock von der Rock-Apotheke zur Ludwigssaline in Bad Rappenau und Dagmar Schäfer von der Schildwach-Apotheke in Epfenbach kritisieren den niederländischen Versender scharf. Sie wolle es „nicht hinnehmen“, dass der Automat einfach so aufgestellt wird, erklärt Rock gegenüber DAZ.online. „Die niedergelassenen Apotheker haben Rechte und Pflichten, die sie nach dem Apothekengesetz haben – die ein Automat in dieser Form nicht hätte“, betont sie.
„DocMorris versucht hier bewusst, unter Verstoß gegen geltendes Recht Fakten zu schaffen und aus reinen Profitinteressen die Umsätze der umliegenden Apotheken auf sich zu ziehen“, zitiert die Noweda-Pressemitteilung Rock und ihre Kollegen. „Das wird auch funktionieren, denn ein Automat benötigt vor Ort kein ausgebildetes Personal und hat daher ganz andere Kostenstrukturen als eine richtige Apotheke, die der Bevölkerung einen umfassenden Gesundheitsservice bietet.“
Apotheker argumentieren mit Gemeinwohl und psychosozialen Komponenten
Gerade Land-Apotheken seien auf ausreichende Umsätze angewiesen, um die wichtigen, aber nicht gewinnbringenden Gemeinwohlpflichten zu ermöglichen, argumentieren sie – und verweisen auf die Nacht- und Notdienste, die Anfertigung individueller Arzneimittel beispielsweise für Säuglinge und Kleinkinder, sowie die Abgabe von Betäubungsmitteln. „Hinzu kommen aber auch die psychosoziale Komponente durch die persönliche Hinwendung zum Patienten sowie die direkte Kommunikation mit behandelnden Ärzten“, heißt es in der Pressemitteilung.
Den Apothekern ist auch wichtig zu betonen, dass die örtlichen Apotheken anders als ausländische Arzneimittelversender für regionale Wertschöpfung stehen. „Sie bieten familien- und frauenfreundliche Arbeitsplätze, zahlen Steuern in ihren Gemeinden, unterstützen Vereine und soziale Einrichtungen, arbeiten mit anderen Unternehmen vor Ort zusammen und tragen so dazu bei, attraktive Klein- und Mittelzentren zu erhalten“, argumentieren sie.
Dabei sehen sie durch das Vorgehen von DocMorris mittelfristig die Existenz ihrer Apotheken bedroht. In der Pressemitteilung kritisiert auch Noweda, dass die Schließung von Apotheken für DocMorris und ähnlich strukturierte finanzstarke Arzneimittelversender ein großer Vorteil ist. „Sind die heute gut funktionierenden Apothekenstrukturen erst einmal unwiederbringlich zerstört, könnte tatsächlich ein Bedarf nach Apotheken-Automaten entstehen, der heute nicht vorhanden ist“, erklärt Vorstandsvorsitzender Michael P. Kuck. „Im Hinblick auf eine qualitativ hochwertige, menschliche, sichere und schnelle Arzneimittelversorgung ist das ein klarer Rückschritt, der insbesondere ältere und schwerkranke Menschen sowie Familien betrifft; für den niederländischen Arzneimittelversender jedoch ein lukratives Geschäft mit Expansionspotenzial“, betont er.
„Rücksichtsloses Vorgehen“ wie im „Wilden Westen“
„Für DocMorris scheint das hier der Wilde Westen zu sein“, erklären die drei Apotheker in der Noweda-Pressemitteilung. Erschreckend sei „vor allem die rücksichtslose Vorgehensweise von DocMorris“. „Da werden wirtschaftliche Interessen einfach ohne Rücksicht auf geltendes Recht und bestehende, gut funktionierende Versorgungsstrukturen durchgesetzt“, betonen die Pharmazeuten. „Wir müssen jetzt für die Interessen unserer Patienten einstehen und handeln.“
DocMorris hatte schon vor einem Jahr angekündigt, eine pharmazeutische „Versorgungslücke“ in Hüffenhardt zu schließen – die der örtliche Bürgermeister jedoch selbst nicht sieht. Auch Noweda argumentiert, diese gebe es „faktisch“ nicht. Zwar werde in dem 2000-Seelen-Ort keine Apotheke mehr betrieben. Jedoch versorgen umliegende Apotheken die Bürger – „wie es das Gesetz für solche Fälle vorsieht und typisch für eine ländlich geprägte Region wie diese ist“ – mittels Rezeptsammelstelle, erklärt die Apothekengenossenschaft. Darüber hinaus seien alle umliegenden Apotheken selbstverständlich auch telefonisch erreichbar und bringen die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel oder Hilfsmittel auf Nachfrage ebenfalls per Botendienst nach Hause.
Gleichzeitig macht Noweda in seiner Pressemitteilung darauf aufmerksam, dass DocMorris zum Schweizer Versandhandelskonzern Zur Rose gehört, der das Unternehmen 2012 für 25 Millionen Euro erworben hat. „Hinter Zur Rose steht unter anderem die saudische Investorengruppe Al Faisaliah“, schreibt die Genossenschaft.
7 Kommentare
Hüffenhardt
von Wolfgang Steffan am 03.05.2017 um 8:38 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Hüffenhardt
von Christian Becker am 03.05.2017 um 12:52 Uhr
AW: Hüffenhardt und die Deutsche Gesetzgebung ein Nogo!
von Heiko Barz am 03.05.2017 um 12:54 Uhr
Noweda
von Christian Giese am 02.05.2017 um 16:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Unterlassungserklärung wegen OTC-Automat
von Leikert Jürgen am 02.05.2017 um 14:56 Uhr
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Werte KollegInnen,
von Christiane Patzelt am 02.05.2017 um 14:27 Uhr
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Automat
von Frank ebert am 02.05.2017 um 13:56 Uhr
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