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Interview LAV-Präsident Fritz Becker
„Die digitale Rezeptsammelstelle macht die Versorgung effizienter“
Der gesamte Apothekenmarkt schaut derzeit nach Baden-Württemberg: Dort hat DocMorris einen Arzneimittel-Automaten aufgebaut. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg will sich das Treiben nicht mehr länger anschauen und reagiert nun mit einer digitalen Rezeptsammelstelle. Im Interview mit DAZ.online erklärt LAV-Präsident Fritz Becker, warum eine e-Rezeptsammelstelle besser ist als der Video-Automat.
Vielleicht wird in dem baden-württembergischen Örtchen Hüffenhardt in den kommenden Monaten die Zukunft der Arzneimittel-Versorgung in Deutschland konstruiert. Das Regierungspräsidium als zuständige Aufsichtsbehörde hielt es jedenfalls nicht für notwendig, einen Arzneimittel-Abgabeautomaten von DocMorris komplett zu schließen. Zwar ließ die Behörde den Betrieb vorerst einstellen. Nachdem DocMorris wiedereröffnete und nunmehr nur noch OTC-Medikamente anbietet, unternahm die Behörde aber nichts weiter. Aus Sicht vieler Apotheker wackelt somit die Apothekenpflicht.
Nun steht ein Gerichtsverfahren an, in dem DocMorris auch darauf klagt, wieder Rx-Arzneimittel über den Automaten abgeben zu dürfen. Aber was unternehmen die Apotheker, um ihren Standpunkt klarzumachen? Die Landesapothekerkammer hat bereits eine Rezeptsammelstelle in Hüffenhardt zugelassen. Und nun reagiert auch der Verband mit einer neuen Idee: der digitalen Rezeptsammelstelle. Im Interview mit DAZ.online erklärt Verbandspräsident Fritz Becker, dass es nicht nur der DocMorris-Automat war, der ihn auf diese Idee brachte und berichtet, wann in seinem Bundesland die ersten Rezeptsammelstellen digital funktionieren werden.
DAZ.online: Lieber Herr Becker, DocMorris behauptet, ein Video-Abgabeautomat sei besser als eine Versorgungslücke und auch besser als eine Rezeptsammelstelle. Wie sehen Sie das?
Becker: Natürlich ist die Versorgung über die Apotheke vor Ort, zu der ja die Rezeptsammelstelle gehört, immer besser. Dafür gibt es mehrere Gründe: Erstens liegt dem beratenden und abgebenden Apotheker beim DocMorris-Automaten das Rezept nicht im Original vor. Dann werden bei uns die Arzneimittel durch den Botendienst persönlich überbracht. Außerdem erfolgt bei einem Erstkontakt die Übergabe der Arzneimittel immer über pharmazeutisches Fachpersonal, also Apotheker oder PTA, an der Haustür von Angesicht zu Angesicht. Das kann der Automat nicht.
DAZ.online: Wie kann die digitale Rezeptsammelstelle, die Sie und Ihr Verband derzeit planen, dieses Liefersystem verbessern?
Becker: Wir können den Prozess effizienter gestalten, indem wir den Mehraufwand der Apotheker erheblich verringern. Derzeit muss der Apotheker pro Rezeptsammelstelle zwei Touren fahren: Er muss sich das Rezept abholen, dann zurück zur Apotheke, das Arzneimittel heraussuchen oder bestellen und es abschließend ausliefern. Mit der digitalen Rezeptsammelstelle sparen wir uns eine Tour: Der Kunde lässt sein Rezept vor Ort einscannen. Das Rezept wird in digitalisierter Form an die Apotheke übermittelt, wo der Apotheker das Arzneimittel bestellen oder zur Auslieferung bereitlegen kann. Auf dem Weg zum Kunden holt er sich dann das Original-Rezept ab, kontrolliert alle Daten und liefert dann das Arzneimittel ab.
Prototyp soll im Herbst in Betrieb gehen
DAZ.online: Und was bringt das Ganze für den Patienten?
Becker: Einerseits kommt natürlich auch der Patient noch schneller an sein Arzneimittel. Andererseits erhöhen wir mit der Rezeptsammelstelle auch die Transparenz im Lieferprozess, denn der Kunde erhält nach dem Einlesen seines Rezeptes an der Rezeptsammelstelle eine Art Bon oder Abholschein, auf dem das gewünschte Arzneimittel, die Sendebestätigung und Angaben zur beliefernden Apotheke stehen.
DAZ.online: Wie konkret sind denn diese Planungen? Also wann und wo soll diese neuartige Rezeptsammelstelle denn in Betrieb gehen?
Becker: Gemeinsam mit einem Technologiepartner bauen wir derzeit einen Prototypen. Die Hardware steht weitestgehend, an der Software wird noch gearbeitet. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir die erste digitale Rezeptsammelstelle im frühen Herbst in Betrieb nehmen können. Einen möglichen Ort haben wir uns aber schon ausgesucht.
DAZ.online: Wo denn?
Becker: Das möchte ich zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Klar ist aber: Es wird eine Ortschaft sein, in der es derzeit schon eine analoge Rezeptsammelstelle gibt. Dort könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass das Gerät entweder zentral im Ort oder in oder an einem Alters- oder Pflegeheim aufgestellt wird. Die Apotheker erhalten aus Pflegeheimen täglich zahlreiche Rezepte. Gerade die Heimversorgung könnte durch eine digitale Lösung deutlich effizienter gestaltet werden.
DAZ.online: Wie sieht es denn mit der Datensicherheit aus?
Becker: Datensicherheit und Datenschutz haben natürlich oberste Priorität. Natürlich können die Rezeptdaten nicht über eine herkömmliche WLAN-Verbindung übertragen werden. Wir haben dazu einen guten und sicheren Weg erarbeitet. Aber auch da müssen noch einige Details geklärt werden, die wir zu gegebener Zeit mitteilen.
Becker: Landversorgung wird unkomplizierter und besser organisiert
DAZ.online: Ein Sprecher Ihres Verbandes erklärte, dass die digitale Rezeptsammelstelle vielleicht auch bald eine Verbindung zwischen Apotheker und Patient herstellen können soll, damit beide miteinander kommunizieren…
Becker: Das ist alles Zukunftsmusik. Jetzt müssen wir erst einmal den Prototypen schnellstmöglich in Betrieb nehmen.
DAZ.online: Dass Sie diese Idee jetzt auch in der Öffentlichkeit voranbringen möchten, liegt sicherlich an den jüngsten Geschehnissen in Hüffenhardt. Ist die digitale Rezeptsammelstelle eigentlich nur eine politische Antwort auf DocMorris, als eine wirkliche Versorgungsverbesserung?
Becker: Nein, ich bin davon überzeugt, dass wir damit die Versorgung in abgelegenen Orten erheblich schneller und unkomplizierter organisieren können. Natürlich haben die Tätigkeiten von DocMorris in Hüffenhardt unsere Pläne nun gewissermaßen beschleunigt. Aber dieses Projekt ist mitnichten eine politische Antwort nur auf DocMorris.
Becker reagiert auch auf CDU-Politiker Strobl
DAZ.online: Auf wen oder was denn noch?
Becker: Wir reagieren damit auch auf die Äußerungen des baden-württembergischen Ministers für Inneres und Digitalisierung, der den DocMorris-Automaten ja unterstützt, weil er die Digitalisierung in der Landversorgung voranbringen will. Mit unserem Projekt wollen wir Herrn Strobl zeigen, dass wir Apotheker das können: rechtssicher und vorteilhaft für alle.
DAZ.online: Was muss denn alles noch passieren, damit es in Baden-Württemberg mehr als nur eine digitale Rezeptsammelstelle gibt?
Becker: Dazu müssen wir noch einige Fragen klären. Zunächst einmal wird es natürlich auch um die Finanzierung gehen. Der Prototyp wird ausschließlich von uns, also vom Verband getragen. Wenn eine einzelne Apotheke ein solches Gerät aufstellen möchte, können wir das natürlich nicht mehr finanzieren. Da müssen dann auch die Apotheker ran. Vorstellbar wäre ja auch, dass mehrere Apotheker eine digitale Rezeptsammelstelle gleichzeitig beliefern. Dann könnten die Kosten geteilt werden. Aber auch diese Fragen stehen erst an, wenn der Prototyp sich etabliert hat.
5 Kommentare
Überrundung
von Tobias Kast am 11.05.2017 um 18:22 Uhr
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von Ulrich Ströh am 10.05.2017 um 21:34 Uhr
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Der Digitalisierungs Becker.
von Heiko Barz am 10.05.2017 um 19:11 Uhr
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Angeschubst oder nur hingeschubst?
von Christian Timme am 10.05.2017 um 17:51 Uhr
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Hüffenhardt zum Dritten?
von Christian Giese am 10.05.2017 um 16:26 Uhr
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