Norddeutsches Apothekenrechenzentrum

Neue Hoffnungen für die Preisbindung

Stuttgart - 12.06.2017, 09:00 Uhr

Dr. Jörn Graue, Vorstandsvorsitzender des NARZ (Foto: tmb / DAZ)

Dr. Jörn Graue, Vorstandsvorsitzender des NARZ (Foto: tmb / DAZ)


Neue Hoffnungen, die Arzneimittelpreisbindung mit juristischen oder politischen Mitteln langfristig erhalten zu können, vermittelte Dr. Jörn Graue am vergangenen Samstag bei der Mitgliederversammlung des NARZ. Außerdem ging es um die Rolle der Apotheker bei der fortschreitenden Digitalisierung.

Am 10. Juni fand in Hamburg die Mitgliederversammlung des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) statt. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Jörn Graue verband seinen Bericht mit einer Betrachtung der Rahmenbedingungen. Im Zusammenhang mit dem EuGH-Urteil zur Arzneimittelpreisbindung zog er eine Parallele zum Andersen-Märchen „Des Kaisers neue Kleider“, in dem der Mächtige die Wirklichkeit verdreht. „Selbst Minister und ganze Parteitage sehen nicht, was eigentlich alle sehen könnten“, erklärte Graue und spielte damit auf die Argumente für ein Rx-Versandverbot an. Eine weitere Gefahr sieht er im laufenden Skonto-Prozess. Denn eine Bestätigung des OLG Bamberg käme de facto einem Skontoverbot gleich, so Graue. Das wäre für viele Apotheken eine „ganz empfindliche, teilweise existenzbedrohende Einbuße“, fürchtet Graue.

Länderliste als Ansatzpunkt

Dennoch sieht Graue keinen „Anlass für eine apothekerliche Weltuntergangsstimmung“. Er wünschte der Apothekerkammer Nordrhein „viel Fortune“ für eine zweite Chance vor dem EuGH nach der jüngsten Revisionsentscheidung des BGH. Außerdem deutete Graue an, es gebe Argumente, dass ausländische Versandapotheken die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen und daher von der Länderliste zu streichen seien. Er führte dies nicht weiter aus, zeichnete damit aber eine weitere Möglichkeit vor, den Arzneimittelversand aus dem Ausland zu untersagen. 

Signale aus Niedersachsen

Doch auch für das Rx-Versandverbot sieht Graue noch Möglichkeiten. Dazu verwies er auf ein Gespräch eines Journalisten mit der niedersächsischen Gesundheitsministerin Cornelia Rundt im Rahmen der Landespressekonferenz im Beisein des Ministerpräsidenten Stefan Weil. Demnach stehe die niedersächsische Landesregierung voll hinter der Forderung der Apotheker, den Rx-Versand zu verbieten, und vertrete dies auch im Bundesrat. Außerdem halte die SPD-geführte Landesregierung die gegenteilige Position der Bundes-SPD für verfehlt. Vielmehr sehe sie darin eine Gefahr für den Bestand der Apotheken, was im ländlichen Raum angesichts des Ärztemangels besonders relevant sei.

Erfolge des NARZ

Zur Arbeit des NARZ erklärte Graue, das Ergebnis sei exzellent. NARZ-Geschäftsführer Hanno Helmker verwies dazu auf die Eigenkapitalquote des NARZ von 95 Prozent. Insbesondere Rationalisierungseffekte durch optimierte Belegleser hätten zum Erfolg beigetragen.

Bei den turnusgemäßen NARZ-Vorstandswahlen wurden Dr. Peter Froese als stellvertretender Vorsitzender sowie die Beisitzer Berend Groeneveld und Christiane Lutter einstimmig wiedergewählt. Siegbert Lauk-Reinecke stellte sich altersbedingt nicht zur Wiederwahl. Als neue Beisitzerin wurde Dr. Margit Götzlaff, die auch dem Vorstand des Landesapothekerverbandes Niedersachsen angehört, einstimmig gewählt.

Zukunft der Digitalisierung

Strategische Überlegungen zur Digitalisierung berichtete der stellvertretende NARZ-Vorstandsvorsitzende Dr. Peter Froese aus der ABDA-Arbeitsgruppe IT-Strategie. Bei aller Euphorie für die Digitalisierung mahnte Froese, diese sei nur ein Werkzeug - auch nur eines von vielen - und kein Selbstzweck. Das Ziel sei, den Menschen und ihrer Gesundheit zu helfen. Es gehe nicht um Schnellschüsse oder „kommerzgesteuerte Marketing-Gags“.

Für digitale Angebote im Gesundheitswesen müssten daher vier Kernfragen beantwortet werden.

  1. Verbessern sie die Gesundheit des Patienten?
  2. Sind die Daten wirklich sicher?
  3. Sind sie angemessen, leistungsfähig und wirksam? Digitale Daten seien zwar eindeutig, aber es sei ein fataler Trugschluss, sie deswegen für richtig zu halten. Daher müssten digitale Identitäten verifiziert und validiert werden.
  4. Werden nur die jeweils notwendigen Daten erhoben und gespeichert? Datensparsamkeit müsse zu einem Prinzip werden.

Angesichts dieser Anforderungen seien kartengestützte Sicherheitsmaßnahmen nötig und die Apotheken und Rechenzentren müssten sich als „Datensafes“ der Patienten verstehen. Außerdem sei für die Apotheker ein Netz in eigener Verantwortung nötig, wie es derzeit aufgebaut werde. Letztlich müsse der Patient über die Nutzung von Angeboten entscheiden. Die digitalen Netzwerke müssten sich um den Patienten ranken. Erst die Infrastruktur zu schaffen und danach die Anwendungen sei „etwas dröge, aber ein produktiver Weg“, folgerte Froese.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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