Meldepflicht

BfArM-Chef will Lieferengpass-Sünder an den Pranger stellen

Stuttgart - 13.06.2017, 12:45 Uhr

Der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Karl Broich, will beim Thema Lieferengpässe strenger gegen schwarze Schafe in der Pharmaindustrie vorgehen. (Foto: BfArM)

Der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Karl Broich, will beim Thema Lieferengpässe strenger gegen schwarze Schafe in der Pharmaindustrie vorgehen. (Foto: BfArM)


Lieferengpässe können für Patienten lebensbedrohlich sein, betont der Chef des Bundesinstituts für Arzneimittel (BfArM), Karl Broich, gegenüber der „Wirtschaftswoche“. Er fordert, dass Verstöße gegen die bislang freiwillige Meldepflicht transparent gemacht werden. Auch kritisiert Broich, dass die bisherige Bevorratung von Arzneimitteln nicht immer ausreichend ist.

Lieferengpässe sind ein ständiges Thema für Apotheker – das für Patienten sehr gefährlich werden kann, wie der Chef des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Interview mit der „Wirtschaftswoche“ erklärt. So zum Beispiel beim Wirkstoff Melphalan, der zur Vorbereitung von Knochenmarkstransplantationen eingesetzt wird – und regelmäßig nicht lieferbar ist. Aktuell ermittelt die EU-Kommission gegen den Hersteller Aspen, da dieser die Preise sehr stark erhöht und mit Marktrücknahme gedroht haben soll.

Vor einem Jahr zeigte sich Broich in dieser Sache gegenüber DAZ.online noch optimistisch. „Hier haben wir im engen Austausch mit dem Hersteller und der italienischen Behörde eine möglichst schnelle Lösung des Problems erzielt“, erklärte er – doch die Schwierigkeiten halten an. „Wenn ein Patient eine Transplantation benötigt und das Medikament nicht zu bekommen ist, dann kann sich das Krankenbild des Patienten rapide verschlechtern“, sagte der BfArM-Chef nun gegenüber dem Magazin. „Das kann auch lebensbedrohlich sein“, betonte er – aber bislang gebe es keinen Hinweis darauf, dass ein deutscher Patient wirklich gravierend geschädigt wurde.

In der Branche tummelten sich „einige schwarze Schafe“, sagte Broich. „Einige nutzen ihre Monopolstellung aus, andere verzögern einfach die notwendigen Investitionen“, indem ein Hersteller beispielsweise „sehr alte, marode Anlagen“ nutze. Für die Behörde ergeben sich dann schwierige Entscheidungen: „Sollen wir die ganze Charge vom Markt ziehen, wenn ein Qualitätsstandard zwar formal verletzt ist, das Medikament dadurch dem Patienten aber nicht schadet“, erklärte Broich – „oder machen wir das Problem dann größer, weil wir durch unser Eingreifen einen Engpass schaffen?“ Das BfArM versuche, im Sinne der Patienten abzuwägen.

Rabattverträge sind laut Broich nicht die eigentliche Ursache

Für Melphalan hätten sich inzwischen weitere Hersteller um eine Lizenz beworben, doch bei anderen patentfreien Arzneimitteln wie auch Antibiotika lohne sich die Produktion aufgrund geringer Margen für die Hersteller wohl nicht. Rabattverträge sieht Broich als „eher indirekte Ursache“, die die Pharmafirmen jedoch als Argument aufgreifen würden. „Die sagen natürlich, wenn wir hier so unter Preisdruck stehen, müssen wir mit unserer Produktion in die günstigeren Standorte wie China oder Indien gehen“, erklärt der BfArM-Chef. „Aber wir erleben es genauso in den USA und in Europa, dass Engpässe entstehen.“

Broich bringt gegenüber der „Wirtschaftswoche“ längere Bevorratungszeiträume für die Hersteller ins Spiel. „In der Schweiz gibt es sowas teilweise schon, zum Beispiel in Form staatlicher Impfstofflager“, betont er. Abzuwarten sei, wem die Politik die hierfür nötigen Kosten aufbrummen will. „Die Pharmakonzerne haben heute schon die Selbstverpflichtung, Medikamentenvorräte für zwei Wochen sicher zu stellen“, erklärt Broich – was jedoch „häufig“ nicht ausreiche. „Einige nutzen den Graubereich aus und spekulieren mit diesen Vorräten.“

Der BfArM-Chef würde gerne die Öffentlichkeit darüber informieren, welche Hersteller den bisher freiwilligen Meldungen von Defekten nicht ausreichend nachkommen. „Wenn uns ein Hersteller Lieferengpässe nicht meldet, würden wir uns wünschen, dass wir das auch transparent machen können“, betont er. „Wenn es häufiger passiert, dass Versorgungsengpässe nicht gemeldet werden, brauchen wir nach meiner Überzeugung auch in Deutschland eine Meldepflicht.“ Strafrechtliche Möglichkeiten gebe es nicht, auch könne das BfArM keine Bußgelder verhängen. „Dafür wäre letztlich eine europäische Lösung nötig“, betonte Broich gegenüber dem Magazin. „Sonst verschieben wir das Problem nur zwischen den Ländern.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

0:27 oder so...

von Horst Wycisk am 13.06.2017 um 18:50 Uhr

steht es im Spiel, in dem unsere Standesvertretung mitspielt.
Das Thema "Lieferengpässe" ist eines der ureigensten bei dem wir thematisch uns an die Spitze der Bewegung hätten setzen können/müssen. Wir haben den Überblick wer wo was wann nicht liefern kann . Wir müssten dem Bürger die Sorgen über solche blamablen Zustände im Gesundheitswesen erläutern und auf den Agenden sämtlicher medialer Kanäle laufen lassen.
Man hätte sich des Applauses der großen Massen sicher sein können. Nun stürmt nun ein Vertreter eines AMTES nach vorne und schießt das Tor.
Wie hoch kann man im Sport eigentlich verlieren bis der Trainer entlassen werden MUSS?

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