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Digitalisierung
Gröhe will keine Zertifizierung für Gesundheits-Apps
Angesichts von mehr als 100.000 Gesundheits-Apps gibt auch ein Minister auf: Es sei nicht umsetzbar, diese zu prüfen und zu zertifizieren, erklärt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Zusammen mit Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) erarbeitete er ein Strategiepapier, wie es mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen weitergehen soll.
Wie soll die Politik auf den Wildwuchs im Bereich von Gesundheits-Apps reagieren? Der Deutsche Ärztetag hatte kürzlich den Gesetzgeber aufgefordert, ein Verfahren „zur Erstellung und kontinuierlichen Fortschreibung einer Positivliste für digitale Gesundheitsanwendungen zu initiieren“. Digitale Gesundheitsanwendungen sollen analysiert und im Hinblick auf Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und medizinische Qualität im Sinne von „Evidence based Medicine“ (EbM) auf wissenschaftlicher Grundlage bewertet werden, um auf diesem Weg eine transparente und unabhängige Auflistung über tatsächlich für Patienten und Ärzte sinnvolle digitale Anwendungen zu erstellen, betonte der Ärztetag.
Diesen Forderungen trat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nun entgegen – da sie nicht umsetzbar seien: Inzwischen seien mehr als 100.000 Gesundheits-Apps verfügbar. „Sie alle zu prüfen und behördlich zu genehmigen, wäre nicht machbar“, erklärte der Minister gegenüber der „Passauer Neuen Presse“. Einige Apps würden lediglich Schritte zählen oder Strecken und Zeiten speichern, betonte Gröhe – dafür gebe es bereits jetzt klare Vorschriften.
Der Minister verwies gegenüber der Zeitung darauf, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein „Innovationsbüro“ für Apps eingerichtet hat und die Hersteller berät. Für die steigende Zahl von Start-Ups im Gesundheitssektor sei dies hilfreich – und das Angebot werde gut nachgefragt, erklärte er Minister der „Passauer Neuen Presse“.
Gröhe will „lernendes, digital vernetztes Gesundheitssystem“
Anlässlich des Digitalisierungs-Gipfels der Bundesregierung, der am Montag und Dienstag stattfand, legte Gröhe zusammen mit der Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) ein kurzes Strategiepapier vor. „Mit Hilfe der Digitalisierung kann die personalisierte Medizin Realität werden“, verspricht Wanka in einer begleitenden Pressemitteilung. Dafür müssten nun die Weichen gestellt werden. „Digitale Produkte und Anwendungen in der Gesundheitsversorgung, aber auch die Gesundheitsforschung schaffen mit wachsender Geschwindigkeit immer mehr Daten“, erklärte sie. „Diese Datenmengen müssen zusammengebracht und ausgewertet werden – dann können sie uns helfen, Krankheiten besser zu verstehen und zu behandeln.“
Ziel der Bundesregierung sei ein „lernendes, digital vernetztes Gesundheitssystem“, in dem stets die richtige Person die richtige Information zur richtigen Zeit hat. Nach Ansicht von ihrem Kabinettskollegen Gröhe ist nach mehr als 10 Jahren ist mit dem E-Health-Gesetz „endlich Schwung in die Digitalisierung des Gesundheitswesens gekommen“. Die Videosprechstunde, die telemedizinische Befundbeurteilung bei Röntgenaufnahmen, der elektronische Arztbrief oder der Medikationsplan brächten greifbare Vorteile für die Patienten, betonte der Minister. „Dieser Weg muss konsequent fortgesetzt werden.“
Er rechne damit, dass es Video-Sprechstunden ab dem Sommer gebe – zum Beispiel für bestimmt Nachsorge-Termine, erklärte Gröhe im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung – wobei es bereits derartige Angebote gibt. „Wir sind jetzt dabei, Krankenhäuser, Arztpraxen und die 70 Millionen gesetzlich Versicherten über ein sicheres Netz miteinander zu verbinden“, betonte der Minister. Nach den jahrelangen Diskussionen über die Gesundheitskarte sei ein wichtiger Meilenstein erreicht. „Die letzten Sicherheitstests sind erfolgreich abgeschlossen“, erklärte Gröhe gegenüber der Zeitung. „Bis Ende kommenden Jahres werden wir diese neue IT-Infrastruktur flächendeckend in allen Kliniken und Praxen haben.“
Auf die Rolle von Apothekern ging der Minister dabei nicht ein. Auch eine Nachfrage, bis wann sein Haus mit der Einführung des elektronischen Rezeptes rechne, blieb zunächst unbeantwortet.
Wirtschaft fordert „digitales Regierungsprogramm“
Auf dem Digitalisierungsgipfel sprachen Anfang der Woche auch zahlreiche Wirtschaftsvertreter. Das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam (HPI) stellte einen „radikal patienten- oder bürgerorientierten Ansatz“ vor, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (DPA). „Dabei bieten wir den Patienten die Möglichkeit, ihre Daten in einer Gesundheitscloud abzulegen, die wir entwickeln“, erklärte HPI-Direktor Christoph Meinel. Die Patienten könnten dann bestimmen, inwiefern Ärzte, Krankenhäuser oder Unternehmen ihre Daten nutzen könnten.
Microsoft empfahl gleichfalls, dass Röntgenbilder, Laborberichte, Daten zu Untersuchungen, Impfungen oder Medikamenten nicht länger in Praxen, Kliniken oder Rehazentren vorgehalten werden, sondern zentral abgespeichert werden. Der Chef des Branchenverbands Bitkom, Thorsten Dirks, stellte der Bundesregierung laut DPA ein positives Zeugnis aus: In den letzten fünf Jahren habe sie einiges für die digitale Agenda erreicht. Doch „für die kommende Legislaturperiode brauchen wir dringend ein neues digitales Regierungsprogramm mit noch ambitionierteren Zielen“, erklärte er laut der Nachrichtenagentur.
„Wenn wir von den Chancen reden, sollten wir die Risiken für die Patienten nicht vergessen“, erinnerte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Patientendaten seien hochsensibel und hochpersönlich, betonte Brysch gegenüber der DPA. Er erinnerte daran, dass nicht einmal das Netzwerk des Bundestags vor Hackerattacken gefeit war – daher müsse allen bewusst sein, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gebe.
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