OLG erhöht Streitwert

Rx-Boni-Streit wird für Apotheken teuer

Berlin - 22.06.2017, 07:00 Uhr


Das Oberlandesgericht Düsseldorf sorgt im Rechtsstreit um DocMorris' Rx-Boni für einen weiteren Dämpfer: Nicht nur, dass es die EuGH-Entscheidung vom 16. Oktober 2016 überhaupt ermöglicht hat – es hat nun auch die Kosten für die Wettbewerbszentrale in die Höhe schnellen lassen. Und an diesen werden voraussichtlich auch die Apotheker zu knabbern haben.

Als bereits sämtliche höchsten deutschen Gerichte die Rx-Preisbindung für ausländische Versandapotheken für zulässig und europarechtskonform befunden hatten, fand DocMorris am Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf doch noch einen Senat, der daran zweifelte. Im Rechtsstreit der Wettbewerbszentale gegen die Deutsche Parkinson Vereinigung, in dem es um die Werbung für das DocMorris-Bonusmodell für verschreibungspflichtige Arzneimittel ging, rief dieser den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Die Folgen sind bekannt. Seit dem 16. Oktober 2016 können EU-Versandapotheken munter Rx-Boni anbieten – deutschen Apotheken bleiben sie dagegen verboten.

Das Verfahren in Düsseldorf wurde allerdings nicht fortgeführt, nachdem der EuGH die Vorlagefragen beantwortet hatte. Denn die Parkinsonvereinigung versicherte, sie werde nicht mehr für DocMorris-Boni werben. Beide Parteien erklärten daraufhin den Rechtsstreit für beendet. Ende April entschied das OLG dann nur noch über die Kosten. Die sollte die Wettbewerbszentrale tragen. Denn nach Überzeugung des 20. Zivilsenats hätte sie verloren, wäre das Verfahren weitergeführt worden. Hierüber lässt sich – wie bei jeder juristischen Frage – streiten. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom November 2016 schließt nicht aus, dass die Materie nochmals vor dem EuGH landen könnte.

15.000 Euro: „Erheblich zu niedriger Streitwert”

Allerdings: Vor dem 20. Zivilsenat des OLG wäre es vermutlich wirklich schlecht für die Wettbewerbszentrale ausgegangen. Das bekräftigt jetzt ein weiterer Beschluss. Mit diesem haben die Richter entschieden: Der zunächst vom Landgericht festgesetzte Streitwert von 15.000 Euro sei „erheblich zu niedrig“ gewesen – und hob ihn auf 250.000 Euro an. Bitter für die Wettbewerbszentrale – denn nach dem Streitwert berechnen sich Gerichts- und Anwaltskosten, die nun erheblich in die Höhe schnellen werden.

Grundsätzlich ist der Streitwert vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen. Und zwar „auf der Grundlage des objektiven Interesses des Klägers an der Erlangung des von ihm begehrten Rechtsschutzes, wobei das Interesse maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit, bestimmt wird“, wie das OLG in seinem Beschluss erklärt.

Die Wettbewerbszentrale hatte die 15.000 Euro selbst in ihrer Klageschrift benannt. Doch dieser Vorschlag sei nicht einfach zu übernehmen, so der 20. Zivilsenat. Er sei vielmehr „anhand der objektiven Gegebenheiten und unter Heranziehung der Erfahrung und üblicher Wertfestsetzungen in gleichartigen oder ähnlichen Fällen in vollem Umfang nachzuprüfen“. Und nach dieser Überprüfung meinen die Richter: Dieser Streitwert ist zu gering.

Wie viel ist die Nicht-Insolvenz einer Apotheke wert?

Dazu führen sie aus, dass es sich bei der klagenden Wettbewerbszentrale um einen „Verband zur Förderung gewerblicher Interessen“ (im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) handele. Das Interesse eines solchen sei im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines „gewichtigen Mitbewerbers“. Als einen solchen gewichtigen Wettbewerber sieht der Senat einen Apotheker mit der zulässigen Höchstzahl von vier Apotheken an. Dessen Existenz könne durch die Zulassung von Rabatten einer ausländischen Versandapotheke gefährdet sein, folgt man den Argumenten der klagenden Wettbewerbszentrale. Doch wie lässt sich sein Interesse, nicht Pleite zu gehen, beziffern? Der OLG-Senat meint jedenfalls: „Sein Interesse, nicht der Insolvenz anheim zu fallen, ist mit 250.000 Euro nicht zu hoch bemessen“. Dabei sei unerheblich, ob die Wettbewerbszentrale bei Klageerhebung gesehen hat, welche Interessen tatsächlich tangiert sind. „Der Streitwert bemisst sich an den objektiven Gegebenheiten, nicht an subjektivem Empfinden“, heißt es im Beschluss. Ohne Auswirkungen auf die Bestimmung des Interesses sei es schließlich auch, dass die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Wettbewerbszentrale: „unangemessen”

Auf die Wettbewerbszentrale kommen damit weit höhere Kosten zu als zunächst gedacht. Immerhin zog sich der Streit durch zwei deutsche Instanzen und den Europäischen Gerichtshof. Wie hoch die Kosten letztlich sein werden, kann Christiane Köber von der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale noch nicht sagen. Doch die nun erfolgte Festsetzung ist ihrer Meinung nach klar „unangemessen“. Köber zu DAZ.online: „Offenbar ist dem Gericht etwas aus dem Blick geraten, dass es der Wettbewerbszentrale im Jahr 2009 darum ging, ein Schreiben einer Patientenvereinigung zu untersagen“.

Es ist anzunehmen, dass auch die Apotheker einen Teil zu den Kosten beitragen. Doch zu einer etwaigen Vereinbarung zur Kostenübernahme haben sich bislang weder die Wettbewerbszentrale noch die ABDA geäußert.  

Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 30. Mai 2017, Az.: I-20 U 149/13



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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