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Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen
Viele Kassen verweigern sich zunächst
Ein Anliegen des bisherigen Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, ist mehr Qualitätswettbewerb zwischen den Krankenkassen. Nun legte er eine Studie vor, die aufzeigt, wie stark Entscheidungen zur Leistungsbewilligung zwischen den Kassen variieren. Außerdem zeigt die Untersuchung, dass es kaum Informationen gibt, warum eine Leistung abgelehnt wurde – und Patienten offenbar sogar rechtswidrig unzureichend aufgeklärt werden.
Bevor er neuer Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen wurde, legte der bisherige Patientenbeauftragte und Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Karl-Josef Laumann (CDU) noch eine Untersuchung vor, die die Kostenerstattung der gesetzlichen Kassen unter die Lupe genommen hat. Die vom IGES-Institut durchgeführte Studie „Leistungsbewilligungen und -ablehnungen durch Krankenkassen“ zeige, dass es bei der Bewilligung und Ablehnung von Leistungsanträgen teils erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Leistungsbereichen und den unterschiedlichen gesetzlichen Krankenkassen gibt, heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung – die Unterschiede sind nach Ansicht von Laumann „nicht nachvollziehbar und gehören unverzüglich abgestellt“.
So lehnten die Kassen bei den Leistungen im Bereich der Vorsorge und Rehabilitation im Durchschnitt fast jeden fünften Antrag ab. Die Ablehnungsquote bei Hilfsmitteln für chronische Wunden betrug bei einer Kasse nur 3,8 Prozent, bei einer anderen jedoch 54,7 Prozent. Die Spannbreite der Ablehnungsquoten der einzelnen Krankenkassenarten liegt dabei zwischen 8,4 Prozent für die Landwirtschaftliche Krankenkasse und 19,4 Prozent für die Allgemeinen Ortskrankenkassen sowie Ersatzkassen. Auch bei Haushaltshilfen schwankten die Ablehnungsquoten zwischen 3,9 Prozent und 27,1 Prozent, im Bereich der Hilfsmittel zwischen 2,3 Prozent und 24,5 Prozent.
Die Studie hat auch untersucht, wie oft Widerspruch eingelegt wird und wie die Kassen hierauf reagieren. Im Bereich Vorsorge und Rehabilitation legten Versicherten bei 24,7 Prozent aller Ablehnungen Widerspruch ein, weit mehr als jeder zweite Widerspruch war erfolgreich oder zumindest teilweise erfolgreich. „Bei der medizinischen Vorsorge für Mütter und Väter trifft das sogar auf sage und schreibe fast drei von vier Widersprüchen zu“, heißt es in der Pressemitteilung zur Studie. „Die teilweise hohen Erfolgsquoten bei Widersprüchen deuten zudem auf Verbesserungspotenzial bei erstinstanzlichen Entscheidungen hin“, erklären die Gutachter.
Verhalten untergrabe massiv das Vertrauen in die Kassen
Daher erinnerte Laumann die Krankenkassen an ihre gesetzlichen Pflichten, denen sie bei allen Leistungsbereichen nachkommen müssten: „Wenn – wie bei den Leistungsanträgen zur Vorsorge und Rehabilitation – weit mehr als jeder zweite Widerspruch erfolgreich ist, kann bei der Bewilligungspraxis etwas nicht stimmen“, sagte er. Es sei beispielsweise auch „nicht zu erklären“, warum die Ablehnungsquoten bei Anträgen auf Hilfsmittel für chronische Wunden „regelrecht auseinanderklaffen“, betonte Laumann.
„Die Krankenkassen dürfen erst gar nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass sie bestimmte Leistungen zunächst einmal systematisch ablehnen, obwohl die Menschen einen klaren gesetzlichen Anspruch darauf haben“, sagte er. „Das untergräbt massiv das Vertrauen in die Krankenkassen.“
Laumann fordert daher auch mehr Transparenz. „Vor allem müssen die Krankenkassen in Zukunft verpflichtet werden, die Daten zu den Leistungsbewilligungen und -ablehnungen zu veröffentlichen.“ Denn bislang gibt es eklatante Mängel. So heißt es beispielsweise in der Studie: „Die Häufigkeit von Widersprüchen und Klagen in Bezug auf Leistungsablehnungen konnte aufgrund der lückenhaften Datenlage nicht umfassend ermittelt werden“, oder die Kassen hätten „mehrheitlich keine differenzierten Daten ausweisen“ können.
Bürger sollen die besten Kassen wählen können
Außerdem müssen die Kassen ihre Patienten besser über das Verfahren der Leistungsbeantragung und das Widerspruchsverfahren informieren sowie die Gründe für eine Ablehnung verständlicher als bisher darlegen, forderte Laumann – denn laut der Studie seien die Ablehnungsbescheide für die Versicherten in vielen Fällen nicht verständlich. Sogar ein Drittel habe nicht einmal gewusst, dass es die Möglichkeit gibt, gegen eine Ablehnung einen Widerspruch einzulegen. Durch verpflichtende Information der Versicherten „würde die Wahlfreiheit der Bürger gestärkt, sich ganz bewusst für oder gegen eine Krankenkasse zu entscheiden“, betonte Laumann.
Der Patientenbeauftragte hatte ähnliche Forderungen bereits im letzten Jahr erhoben. „Denn der Wettbewerb der Krankenkassen sollte nicht allein über die Höhe des Zusatzbetrags, sondern vor allem über die Qualität der Leistungen geführt werden“, wiederholte Laumann seine Forderungen nun. Außerdem sollten Versicherte nach Ablauf der Entscheidungsfrist nicht nur einen Kostenerstattungsanspruch, sondern einen Anspruch auf die Sache selbst haben – und die Krankenkassen diesen bezahlen müssen.
Die IGES-Studie führt sogar klare Gesetzesverstöße auf – so beim Krankengeldfallmanagement. Hier habe ungefähr ein Drittel der Versicherten angegeben, von der jeweiligen Kasse nicht um eine Einwilligung gebeten worden zu sein. „Von denen, die eine Einwilligung gegeben haben, geschah dies nur in etwa der Hälfte der Fälle – wie gesetzlich vorgeschrieben – in schriftlicher Form“, heißt es in der Untersuchung.
2 Kommentare
Transparenz
von Carola Schmidt am 06.07.2017 um 11:37 Uhr
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Rehabilitation
von Udo Hensch am 04.07.2017 um 8:05 Uhr
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