Neuroleptikum

Xeplion-Fälschung bei zwei Chargen und mehreren Reimporteuren

Stuttgart - 25.07.2017, 13:29 Uhr

Zwei Chargen des atypischen Neuroleptikums Xeplion®, hier allerdings in einer anderen Stärke abgebildet, sind auf dem deutschen Markt von Fälschungen betroffen – jedoch haben die Packungen bulgarische oder rumänische Aufmachungen. (Foto: Hersteller)

Zwei Chargen des atypischen Neuroleptikums Xeplion®, hier allerdings in einer anderen Stärke abgebildet, sind auf dem deutschen Markt von Fälschungen betroffen – jedoch haben die Packungen bulgarische oder rumänische Aufmachungen. (Foto: Hersteller)


Bei sieben deutschen Reimporteuren sind zwei Chargen gefälschter Xeplion-Packungen aufgetaucht, teils wurden sie an Apotheken ausgeliefert. Die Fälschungen haben rumänische und bulgarische Aufmachungen – sie betreffen nach bisherigen Erkenntnissen jedoch nur die Verpackung und Etikettierung. Der Inhalt der Fertigspritzen entspricht offenbar den Spezifikationen.

Auf dem deutschen Markt sind zwei Chargen Xeplion® (Paliperidon) 150 mg Depot-Injektionssuspension (PZN 10339774) von Fälschungen betroffen, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte am Dienstagnachmittag bekanntgab. Die Fertigspritzen haben bulgarische und rumänische Aufmachungen und sind bei mindestens sieben Parallelvertreibern aufgetaucht. Die Chargenbezeichnungen lauten GFB4D00_BG-RO (Verfallsdatum 05/2018) und GEB3Z00 (Verfallsdatum 04/2018) .

Die Fälschungen an der Charge GFB4D00_BG-RO sind offenbar schwer zu erkennen: Laut BfArM unterscheidet sich das Blau der Packung vom Original. „Es sind zwei unterschiedliche Blistertypen und eine gering unterschiedliche Färbung der Verpackung bei einer Charge aufgetreten, was durch technische Fehler nicht zu erklären ist“, erklärt die Behörde. „Die bislang untersuchten Fertigspritzen scheinen nicht manipuliert worden zu sein, allerdings wurde eine Umetikettierung mit gefälschten Etiketten vorgenommen.“ Nach Informationen der Reimporteure sollen teils Chargennummern der Kanülen oder die Copyright-Designnummern der Faltschachteln gefälscht sein. An der Charge GEB3Z00 seien Fälschungsmerkmale identifiziert worden, die das BfArM zunächst nicht näher beschrieb.

„Erste Untersuchungsergebnisse deuten nicht auf ein unmittelbar von der gefälschten Ware ausgehendes Gesundheitsrisiko hin“, erklärt eine Sprecherin des Herstellers Janssen gegenüber DAZ.online. Zwar könne dies bislang noch nicht abschließend beurteilt werden, doch entspräche der Inhalt der bis Dienstagmittag analysierten Fertigspritzen „in Gehalt und Identität den EU-Vorgaben“. Janssen unterstütze die vorsorgliche Risikobewertung und Empfehlung der Behörden, möglicherweise betroffene Chargen prüfen zu lassen, betont sie.

Reimporteure rufen auf Patientenebene zurück

„Das BfArM weist Großhändler, Apotheker und Ärzte darauf hin, die Packung, die Chargenbezeichnung und den Vertreiber vor Anwendung zu prüfen und Verdachtsfälle dem BfArM zu melden“, erklärt die Behörde. Die Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen, die Lieferkette der Fälschung werde weiter untersucht. „Sicher ist, dass die Fälschungen über Parallelvertreiber auf den deutschen Markt gelangt sind“, heißt es in der Meldung. 

Die Reimporteure Orifarm, FD Pharma, Abacus Medicine A/S und Haemato Pharm haben bereits Rückrufe für beide Chargen veranlasst, ADL Pharma und Axicorp haben nur die Charge GFB4D00_BG-RO zurückgerufen, CC Pharma nur die Charge GEB3Z00. Die Rückrufe gehen bis auf Patientenebene, belieferte Einrichtungen sollen informiert und gegebenenfalls eine Rückholung veranlasst werden. Apotheker werden außerdem aufgefordert, ihren Warenbestand zu prüfen. Nach Auskunft von Orifarm sei die betroffene Ware am 11. Januar 2017 erstmalig ausgeliefert worden, bei den anderen Reimporteuren war dies zu späteren Zeitpunkten der Fall.

Untersucht wird derzeit auch die These, ob es sich bei dem Arzneimittel um Originalware handelt, das von Fälschern neu verpackt wurde. Laut Janssen sind durch die Rückrufe keine Lieferengpässe in Deutschland zu erwarten, da das Arzneimittel im Original ausreichend verfügbar sei.

Bereits im März hatte der Reimporteur Docpharm einen Rückruf einer Charge Xeplion® 100 mg Depot-Injektionssuspension mit einer Fertigspritze veranlasst – versehentlich habe das Arzneimittel das Etikett von Xeplion® 100 mg Depot-Injektionssuspension erhalten. Laut Hersteller Janssen gibt es keinen Zusammenhang mit dem aktuellen Fälschungsfall. 

Update: Aufgrund der BfArM-Meldung vom Dienstagnachmittag wurde der Artikel entsprechend aktualisiert.

Paliperidon

Paliperidon ist ein Antipsychotikum, das in der Erhaltungstherapie Erwachsener mit Schizophrenie indiziert ist. Nach den Startdosen im Abstand von einer Woche erhalten Patienten das Depotpräparat einmal pro Monat intramuskulär verabreicht.

Paliperidon ist ein starker Antagonist an D2-Rezeptoren und bessert auf diese Art die Plus-Symptomatik der Schizophrenie. Im Vergleich zu klassischen Neuroleptika verursacht Paliperidon weniger extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen beim Patienten. Der antipsychotische Wirkstoff blockiert nicht selektiv D2-Rezeptoren, sondern inhibiert auch serotonerge 5HT2-Rezeptoren, histaminerge H1-Rezeptoren und antagonisiert zusätzlich adrenerge alpha-1- und alpha-2-Rezeptoren.

Insbesondere der Antagonismus am Serotoninsystem wird für die geringe Rate von extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen verantwortlich gemacht.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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