US-Studie

Das „Schneckenschleim-Prinzip“ für Wundkleber

Berlin - 31.07.2017, 07:00 Uhr

(Foto:dpa)

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Zur Versiegelung innerer Verletzungen setzen Ärzte oft auf Sekundenkleber. Doch der ist zellgiftig, starr und schwächelt auf feuchtem Untergrund. Nun stellen Forscher eine biokompatible, flexible und gut haftende Alternative vor. Orientiert haben sich die Wissenschaftler an den Eigenschaften des Schneckenschleims.

Ein neuer Wundkleber kann etwa bei Operationen und Verletzungen Organe versiegeln oder Gewebe miteinander verbinden. US-Forscher stellen im Magazin „Science“ einen Klebstoff vor, der auch auf feuchten Oberflächen gut haftet, sich extrem gut verformt und Gewebe nicht schädigt. Das Team um Dave Mooney von der Harvard University in Cambridge testete den Stoff sowohl im Labor als auch an verschiedenen Gewebetypen von Schweinen, Mäusen und Ratten.

„Das Haften auf feuchten und dynamischen Oberflächen wie biologischem Gewebe ist für viele Bereiche wichtig, hat sich aber als äußerst schwierig erwiesen“, schreibt das Team. „Die existierenden Klebstoffe sind zellgiftig, haften schwach an Gewebe und können in feuchter Umgebung nicht verwendet werden.“ Paradebeispiel ist der – auch in der Medizin gängige – Sekundenkleber Cyanoacrylat (CA). Der klebt zwar extrem gut, aber nur auf trockenen Oberflächen, zudem ist er unflexibel und schädigt angrenzendes Gewebe.

Eine Alternative haben die Forscher aus dem Haftsekret abgeschaut, den die auch in Europa heimische Hellbraune Wegschnecke (Arion subfuscus) zur Verteidigung nutzt – damit ist sie schwer vom Boden zu lösen. Das in „Science“ vorgestellte Gel besteht aus zwei Schichten: Die Klebefläche enthält ein positiv geladenes Polymer, das sowohl elektrostatisch als auch atomar und mechanisch an Oberflächen haftet. Dagegen sorgt die zweite Schicht aus Alginat-Polyacrylamid dafür, dass sich der Kleber an dynamische Oberflächen anpasst, etwa an einen pumpenden Herzmuskel.

Neues Gel als Wundkleber?

„Schlüsselmerkmal unseres Materials ist die Kombination von sehr starker Haftkraft und der Fähigkeit, Belastung zu verteilen“, erläutert Mooney in einer Mitteilung seiner Universität. Die Forscher prüften das Gel unter anderem an Gewebetypen von Schweinen und Ratten wie Haut, Knorpel, Herz, Leber und Blutgefäßen. So versiegelte es etwa eine mit Blut angefeuchtete Wunde an einem Schweineherz über die Dauer von Zehntausenden Pumpzyklen. Bei Mäusen stoppten die Forscher eine Leberblutung, ohne – wie mit anderen Klebstoffen – umliegendes Gewebe zu schädigen.

Das Gel lasse sich oberflächlich auf Wunden bringen, aber auch per Spritze in eine Zielregion im Körper injizieren, betont das Team. „Diese Familie von Haftstoffen hat weitreichende Anwendungen“, sagt Ko-Autor Adam Celiz. „Wir können die Klebstoffe aus biologisch abbaubaren Materialien herstellen, so dass sie sich auflösen, wenn ihre Aufgabe erfüllt ist.“

„Der Ansatz ist sehr gut“, sagt Janek von Byern vom Ludwig Boltzmann Institut für Experimentelle und Klinische Traumatologie in Wien, der an der Arbeit nicht beteiligt war. „Die Studie zeigt, dass das Gel funktioniert.“ Einsatzmöglichkeiten sieht der Biologe auch beim Verkleben verletzter Nervenbahnen etwa nach Rückenmarksverletzungen. Dazu gebe es derzeit keine kommerziellen Produkte, da Cyanoacrylat die Nervenenden abtöte und sich die feinen Strukturen auch nicht nähen oder tackern ließen.

In der medizinischen Praxis komme es auch darauf an, dass ein Material einfach zu handhaben sei. Das müsse sich noch zeigen. Und aufwendig sei – im Falle einer Zulassung – die Behauptung am Markt. Dafür müsse das Gel das vielgenutzte Cyanoacrylat verdrängen, das als industrielles Standardprodukt günstig produziert werde. Die Forscher selbst sehen offenbar Chancen, drei von ihnen haben auf das Gel ein Patent beantragt.



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