Neue Regeln für Festbetragsgruppen

Hoffnung auf mehr kindgerechte Darreichungsformen

Süsel - 10.08.2017, 17:00 Uhr

Eine Möglichkeit kindgerechter Applikation: Arzneimittelgabe für Babies über Schnuller. (Foto: kritchanut / Fotolia)

Eine Möglichkeit kindgerechter Applikation: Arzneimittelgabe für Babies über Schnuller. (Foto: kritchanut / Fotolia)


Eine Gesetzesänderung verspricht neue Chancen auf kindgerechte Darreichungsformen. Der G-BA berät zwar über eine Anpassung seiner Verfahrensordnung, sieht die neue Formulierung im Gesetz allerdings nur als Klarstellung. 

Arzneimittel bei Kindern erfolgreich anzuwenden, erfordert manchmal viel Phantasie und geeignete Darreichungsformen. Doch leider scheitern einige galenische Innovationen an den finanziellen Beschränkungen des Sozialrechts. Denn die Festbetragsgruppen orientieren sich seit jeher fast nur an Wirkstoffen. Pharmazeutisch-technologische Unterschiede werden dort eher selten abgebildet. Auch sonst scheint das Sozialrecht pharmazeutisch-technologische Aspekte vielfach zu ignorieren. Hoffnung auf Besserung macht eine Neuregelung im AM-VSG, das im Mai in Kraft getreten ist. Denn in § 35 Absatz 1 SGB V wurde zur Festbetragsgruppenbildung der Halbsatz „insbesondere können altersgerechte Darreichungsformen für Kinder berücksichtigt werden“ eingefügt.

Vorgeschichte zum Gesetz

Schon lange klagen Arzneimittelhersteller über Schwierigkeiten, angemessene Preise für technologische Innovationen durchzusetzen. Im Rahmen der politischen Vorarbeit zum AM-VSG haben auch Vertreter pharmazeutischer und medizinischer Fachgesellschaften darauf hingewiesen. Dabei ging es auch um die grundsätzlichen Probleme bei topisch zu applizierenden Arzneimitteln, bei denen die Grundlage ähnlich wichtig wie der Wirkstoff ist. Außerdem wurden die Belange von Kindern betont, was offenbar zu der genannten Gesetzesänderung geführt hat. Als Paradebeispiel gelten Trinkhalme mit Antibiotikazubereitungen, deren Inhalt mit einer beliebigen Flüssigkeit eingenommen werden kann. Diese sind international verbreitet, aber in Deutschland nicht im Handel.

Reaktion des G-BA

Daher interessiert nun, wie der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der für die Festbetragsgruppenbildung zuständig ist, mit der Neuregelung umgehen wird. Auf eine Anfrage von DAZ.online antwortete die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des G-BA, bei der Festbetragsgruppenbildung werde künftig geprüft und dokumentiert, ob kindgerechte Darreichungsformen von einer Festbetragsgruppe auszunehmen sind oder getrennte Festbetragsgruppen gebildet werden können. Diese Prüfung werde jeweils gruppenbezogen vorgenommen. Eine Anpassung der Verfahrensordnung befinde sich derzeit in der Beratung.

Zur Frage, ob der G-BA nun auch die bestehenden Festbetragsgruppen nachträglich prüfen werde, heißt es in der Antwort, der G-BA prüfe die Gruppen anlassbezogen aufgrund von Hinweisen auf eine veränderte Sach- oder Rechtslage. Auch betroffene Firmen, Ärzte oder Krankenkassen könnten dazu Anfragen oder Vorschläge an den G-BA richten. Bei Neubildungen von Festbetragsgruppen werde der G-BA seine Prüfung künftig dokumentieren. Weiter heißt es in der Antwort: „Ungeachtet dessen diente die gesetzliche Änderung der Klarstellung, dass bezogen auf die Berücksichtigung der altersgerechten Darreichungsformen eine getrennte Gruppenbildung erfolgen kann. Von dieser Möglichkeit ging der G-BA auch in der Vergangenheit aus und hat einen entsprechenden Gruppenzuschnitt gewählt, sofern die Differenzierung nach altersgerechten Darreichungsformen notwendig war.“ Daher werde derzeit nicht davon ausgegangen, dass durch die Änderung eine umfassende Prüfung aller Festbetragsgruppen erforderlich werde.

Ausblick

Diese Antwort erscheint allerdings erstaunlich angesichts einiger Diskussionen vor der Gesetzesänderung. Die sozialrechtlichen Regelungen wurden bisher als Hindernis für die Berücksichtigung kindgerechter Darreichungsformen wahrgenommen. Demnach dürften viele Beteiligte die neue Formulierung nicht als Klarstellung, sondern als Änderung der Rechtslage interpretieren. Mit seiner zitierten Antwort hat der G-BA jedenfalls den künftigen Weg vorgezeichnet. Auch Arzneimittelhersteller sind demnach aufgefordert, sich mit Hinweisen auf relevante Produkte an den G-BA zu wenden.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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