DAZ-Interview mit Sabine Dittmar

„ABDA sollte keine Horrorszenarien verbreiten“

Stuttgart / Berlin - 17.08.2017, 07:00 Uhr

Sabine Dittmar ist Ärztin und seit einer Legislaturperiode Abgeordnete des Deutschen Bundestags. Sie wünscht sich unter anderem, dass Ärzte und Apotheker besser zusammenarbeiten. (Foto: P. Külker)

Sabine Dittmar ist Ärztin und seit einer Legislaturperiode Abgeordnete des Deutschen Bundestags. Sie wünscht sich unter anderem, dass Ärzte und Apotheker besser zusammenarbeiten. (Foto: P. Külker)


Sabine Dittmar, Berichterstatterin für Apothekenthemen in der SPD­-Bundestagsfraktion, wünscht sich mehr Kooperation zwischen Ärzten und Apothekern. Den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hält sie für unentbehrlich – die Apotheken vor Ort aber auch. Deshalb setzt Dittmar hier auf Koexistenz. Weitere Standpunkte zu gesundheitspolitischen Themen verrät die Politikerin diese Woche im DAZ-Interview.

In ihrem Wahlkreis Bad Kissingen sei die Versorgung mit Arzneimitteln noch sichergestellt, sagt Sabine Dittmar im DAZ-Interview. Aber man könne „in der Region auf keine einzige Apotheke mehr verzichten“. Die Medizinerin, die seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags ist, legt großen Wert auf die unabhängige Beratung der Patienten durch den Apotheker, die auch beim Patienten einen hohen Stellenwert habe. „Ich habe oft das Gefühl, dass Patienten in der Apotheke besser zuhören als in der Arztpraxis“, findet die SPD-Politikerin. Auch in ihrer Zeit als Hausärztin hat sie sehr gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Apothekern gemacht. „Ich war sehr dankbar, wenn der Apotheker mich kontaktiert und auf Wechselwirkungen hingewiesen hat.“

Gerade deshalb kann Dittmar die Vorbehalte von Ärzten gegen Projekte wie ARMIN nicht verstehen. Sie selbst wünscht sich mehr Zusammenarbeit beim Medikationsplan. Die Notwendigkeit dafür erläutert Dittmar anhand eigener Erfahrungen. Ein Patient, dem Dittmar Diclofenac verordnet hatte, ließ sich den gleichen Arzneistoff auch von einem Orthopäden wegen anhaltender Symptome verschreiben. Zudem nahm er Acetylsalicylsäure gegen Kopfschmerzen, was letztlich zu einer Krankenhauseinweisung aufgrund von Magenblutungen führte. Ein Fall, der durch bessere Kommunikation hätte verhindert werden können. „Es ist nicht vertretbar, dass die verschiedenen verordnenden Ärzte und die jeweilig abgebenden Apotheken nichts voneinander wissen“, so Dittmar.

Die Versorgung hat sich verändert

Neben den Apotheken vor Ort ist für Dittmar auch der Versandhandel für die Versorgung wichtig. Ein Rx-Versandverbot ist daher für sie keine Lösung für die nach dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 entstandene Situation. So könne beispielsweise ein Apotheker, der individuelle parenterale Antibiotikalösungen zur Therapie von Mukoviszidose mittels erweiterten Botendiensts ausliefert, dieses  Modell nur unter „erheblichem wirtschaftlichem Mehraufwand“ fortführen, wenn der Versand verboten wäre. Der Wegfall solcher Spezialversender könne nicht einfach von anderen Apotheken kompensiert werden. „Die ABDA hat doch in der Anhörung im Bundestag bestätigt, dass es Probleme geben könnte, wenn es solche erweiterten Botendienste nicht mehr geben würde und Apotheker zunächst in weitere Sterillabore investieren müssten.“ Vor diesem Hintergrund stellt Dittmar infrage, „ob es aus Qualitätsaspekten sinnvoll ist, wenn jede Apotheke alles macht.“ Dass deshalb Vorwürfe laut werden, sie würde den Versandhandel gezielt fördern, ist Dittmar egal. Wichtig sei, die Versorgung aufrecht zu erhalten. Und diese habe sich seit 2004 verändert: „Es hat eine Ambulantisierung stattgefunden." Das sollen auch Apotheker anerkennen. 

Das vollständige Interview mit Sabine Dittmar lesen Sie in der aktuellen DAZ Nr. 33, 2017 ab Seite 20

Weitere DAZ-Interviews zur Bundestagswahl 2017:



Dr. Mathias Schneider, Apotheker, Volontär DAZ
redaktion@daz.online


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Rezepturgebühren und Apothekenbesuch

6 Kommentare

erweiterte Botendienste

von Dr. Markus Junker am 17.08.2017 um 21:40 Uhr

Billigerweise kann niemand von den Apothekern verlangen, daß sie die Konkurrenz, die mit ungleichlangen Spießen daherkommenden Internetbasierten Versandhändler, widerspruchslos akzeptieren. Wo sind wir denn?
Wenn der Protest schon als "Horrorszenarien der ABDA" abgetan werden, wo ist dann die Redekultur hingekommen? Müssen wir uns demnächst "FAKENEWS" vorwerfen lassen? Auf diese Art und Weise kann man schön polarisieren. Ergebnisorientiert ist das mitnichten.
Und die von der ABDA ins Spiel gebrachten "erweiterten Botendienste " mancher Apotheken, die spezielle Rezepturen herstellen, sind unter keinen Umständen vergleichbar mit internetbasierten Versendern, die einfach nicht die Kostenstruktur abdecken müssen wie die Vor-Ort-Apotheken. Wenn diese Versender dann noch Kunden locken dürfen mit Rabatten, die im Inland schwer nachvollziehbar sind, fühlt man sich verhöhnt. Selbst wenn es der hohe EuGH ist. Auch der BGH findet, daß die Richter am EuGH die Parameter nicht richtig gewichtet haben. Denn die angeblichen Wettbewerbsvorteile der niedergelassenen Apotheken in Deutschland sind gerade diejenigen Dienstleistungen, die überproportional Kosten verursachen. Gibt's da etwa einen Kostenzuschuß für? Hab ich wohl verpaßt zu hören.
Man kann nicht alles gleichzeitig haben, auch wenn man das gern fordern kann.
Wenn man sich in seiner Existenz bedroht sieht, ist das eben so, da gibt's kein billiges Drumherumgerede. Apotheker sind Kaufleute genug um 1 und 1 zusammenzählen zu können. Für dumm verkaufen lasse ich mich nicht gern. Argumenten sollten besonders Politiker mit Gegenargumenten begegnen, und nicht mit Abqualifizieren. Das ist ein himmelweiter Unterschied.
Und wer etwas beginnt, sollte auch den Mut haben, es wieder zu beenden, wenn es schief läuft. Genau dies darf aber bezweifelt werden bei Politikern, die den Versandhandel so nötig und so toll finden. Und genau dies ist der Punkt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Horrorszenarien

von Holger am 18.08.2017 um 8:41 Uhr

Ach, dieses Gerede vom "Apothekensterben" bei einem Rückgang der Zahlen gerade mal um 1%, bei Statistiken mit abgeschnittener Ordinate - das würden wir als Naturwissenschaftler jedem Forscher in einer Klinischen Studie aber sowas von um die Ohren hauen - zur "plakativeren" Darstellung .... das hat für mich schon die Dimension medial aufgebauschter Horrorszenarien, die mit der Realität nicht wirklich viel zu tun haben.

Nun schwafelt auch Frau Dittmar

von Heiko Barz am 17.08.2017 um 11:45 Uhr

Die Argumente dieser SPD-Gesundheitsexpertin zum Erhalt des RXVersandhandels sind ausschließlich der Parteiparadigmen geschuldet.
Das Spezifikum der sterilen Krebsarzneimittel ist doch kein spezielles Basis-Apothekenproblem. Wenn ich mir allerdings vorstelle, diese besonderen Arzneimittelherstellungen würden von den holländischen Preisdumpern geliefert, bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Ein System, das ausschließlich der Gewinnmaximierung unterliegt, wird solche kostenintensiven und nicht kostendeckenden Arbeitsschritte ablehnen.
Eins jedoch sollte auch Frau Dittmar erkennen, der Vergleich der patientenorientierten 'heilberuflichen' Qualität zwischen der Vor- Ort Apotheken und dem Versandhandel hinkt dermaßen, dass er indiskutabel ist.
Unsere immer noch existierenden heilberuflichen Ideale sind im ausschließlich kapitalorientierten Versandhandel vergeblich zu suchen. Das aber interessiert Zypries und Co. nicht, warum auch?
Bei den immer wieder ins Spiel gebrachten 3 Affen sollte in Bezug auf die,in die Irre geleiteten Politprotagonisten, der Dritte, der sich den Mund zuhält, ausgetauscht werden. Ein brüllender Affe sollte diese Stelle einnehmen. Je lauter, desto wichtiger!

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AW: "ausschließlich Gewinnmaximierung"

von Holger am 18.08.2017 um 8:35 Uhr

Kleinen Moment bitte! Wir erleben da gerade in diversen Medien, wie ein Zytostatika-produzierender Kollege aus Bottrop - als selbständiger Apothekeninhaber und nicht als Geschäftsführer einer Kette oder so etwas - massivsten Fehlverhaltens zum Schaden von Patienten, zum Schaden der Allgemeinheit und ausschließlich zur eigenen Gewinnmaximierung beschuldigt wird. Okay, wir haben im deutschen Strafrecht die Unschuldsvermutung, also müssen wir seine mutmaßlichen Taten momentan unter Vorbehalt diskutieren, aber schlimmer als das was da wohl passiert ist, könnte es keine Kette, kein Versender und kein Sonstewer auf der Welt treiben. Kommen Sie mir also bitte nicht mit der Idee, nur irgendwelche kapitaleignergetriebenen "Systeme" könnten sich hier Fehlverhaltens schuldig machen. Das ist weniger eine Frage des Systems, sondern mehr eine Frage der Persönlichkeit. Ich persönlich behaupte sogar, dass eine "Kette" intern deutlich strengere Regeln ein- und durchsetzen würde, als in einer "Bude" in der der Chef sich nach Lust und Laune unter Umgehen sämtlicher Regeln auch mal selber an den LAF setzt. Denn ist der Inhaber einer Apotheke weniger "kapitalgetrieben" als ein Manager oder Miteigentümer einer AG, GmbH oder wasweisdennich?? Meine Meinung: nö.

RX-Versandverbot

von Dr. Radman am 17.08.2017 um 10:03 Uhr

Sehr geehrte Frau Ditmar;

Die Apotheke Vorort wird in Koexistenz mit der Versandapotheke auch nach dem EU-GH- Urteil weiterhin existieren. Die Apothekendichte wird aber extrem ausgehöhlt, so dass der Versandhandel die Lücken nicht mehr schließen kann. Der Persönliche Kontakt mit den Patienten wird extrem abnehmen und die, die persönliche und diskrete Beratung – in einem Beratungsraum- brauchen, werden den Zug zu nächsten Apotheke nehmen müssen. Für Sie ist das vielleicht kein Horrorszenario, aber für viele auf dem Land, insbesondere die älteren, ist dies der Fall.

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Die neue Biggi - Ulla

von Ratatosk am 17.08.2017 um 9:17 Uhr

Und wenn sie für Landwirtschaft zuständig wäre, würde sie auch gleichzeitig Regen und Sohnenschein herbeisehnen.
Leider aus der Praxis ( hat sie diese eigentlich ? ) nichts gelernt. Die neuen Versorgungsformen, der Zugang der Mafia zum Arzneihandel sind nicht vom Himmel gefallen, sondern von genau solchen Typen per Dekret herbeigeführt. Ebenso durch die Art der Rabatverträge die Versorgungszusammenbrüche und die immer mehr zunehmenden Qualitätsprobleme. Die Versorgung durch onkologische ausgerichtete Apotheken funktioniert auch, solange die GKV den Rest nicht killt. Das Pseudoargument von exotischen Spezialrezepturen ist eine schäbige Ausrede, solche Dinge sind immer problematisch, aber lösbar im lokalen Rahmen.

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