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Auch wenn sich die SPD mit netten Vorschlägen und sogar mit Sankt Martin an die Apotheker ranpirscht – wer pro Rx-Versand ist, kassiert ein Nein von den Apothekers. Die übrigens aktiv sind wie selten zuvor! Kein Wunder, jetzt werden Weichen gestellt. Auch der Apothekertag bietet Chancen für ein Umdenken, wie einige Anträge zeigen. Und der niedersächsische Gesetzentwurf für mehr Stationsapotheker an Kliniken ist die Chance auf mehr Arzneimittelsicherheit für Krankenhauspatienten – in allen deutschen Krankenhäusern!
14. August 2017
Noch gut einen Monat bis zur Bundestagswahl. Und Apotheker sind aktiv wie selten zuvor. Mein liebes Tagebuch, es gibt da keine offizielle Statistik dazu, aber im Vorfeld dieser Wahl laden erstaunlich viele Apothekerinnen und Apotheker die in ihrem Wahlkreis zuständigen Landtags- und Bundestagsabgeordneten in die Apotheken ein, um ihnen Arbeit und Aufgaben der Apotheke vor Ort zu zeigen und mit ihnen zu diskutieren. Gefühlt dürfte das noch vor keiner Wahl so intensiv, so engagiert gewesen sein. Apothekerin Ann-Katrin Kossendey und Apotheker Jan Reuter haben im Netz die Kampagne „Daumen hoch für meine Apotheke vor Ort“ gestartet, bei der sich mittlerweile auch bekannte Gesichter aus der Apotheken- und Pharmaszene für die Apotheke vor Ort einsetzen, beispielsweise Professor Dingermann, Professor Kaapke, Dr. Kuck von der Noweda und einige engagierte Apothekerinnen und Apotheker. Die freie Apothekerschaft hat für Ende August eine Flyeraktion angekündigt, mit der unverblümt vor SPD, Grünen und FDP gewarnt wird: Diese Parteien wollten die deutschen Apotheken ausländischen Investoren opfern, heißt es dort. Der Landesapothekerverband Niedersachsen hat eine Plakataktion gestartet, mit der den Wählern klar gemacht werden soll, dass ihre Wahl auch Einfluss auf die Gesundheitsversorgung hat. Das Plakat zeigt eine durchgestrichene Apotheke in einer Häuserzeile und fragt, ob so die Zukunft aussieht. Und die ABDA beobachtet derzeit ihren Wahlradar, lässt die Direktkandidatinnen und -kandidaten befragen (Antworten der Politiker liegen derzeit noch nicht vor) und verschickt lustige Postkarten an die Abgeordneten. Mein liebes Tagebuch, so tut jeder, was er kann. Aber es geschieht was. Was zeigt uns das? Die Apothekenzukunft steht vor einer Richtungsentscheidung. Es gibt Chancen und Gefahren – abhängig davon, wie’s und mit wem es nach der Wahl weitergeht. Wir können mitgestalten.
15. August 2017
Also, auch 50-Cent-Bons bleiben verboten. Der Apotheker, der seinen Kunden diese Bons für das Einlösen von Rezepten gegeben hat, hatte mit seinen Argumenten vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg keinen Erfolg. Die einheitlichen Arzneimittelpreise seien mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit vereinbar. Und was die Inländerdiskriminierung angeht – seit dem EuGH-Urteil dürfen ausländische Versender Boni und Rabatte geben –, so gebe es dafür einen sachlichen Grund: Der nationale Gesetzgeber sei in seiner Gestaltungsfreiheit beim grenzüberschreitenden Verkauf von Arzneimitteln durch die EuGH-Rechtsprechung gebunden, nicht aber beim Verkauf innerhalb Deutschlands. Ach, mein liebes Tagebuch, wie schön, dass Juristen für alles eine griffige Formulierung haben. Und dann muss nämlich auch noch vorrangig der Preiskampf innerhalb Deutschlands bekämpft werden. Letztendlich verstößt das Bonussystem des Apothekers gegen die Arzneimittelpreisbindung und 50 Cent sind schon lange keine Bagatelle mehr. So ist es. Noch ist nicht das letzte Wort gesprochen, gut möglich, dass weiter prozessiert wird. Einigkeit gibt’s da nicht bei Apothekers.
ASS, Paracetamol und Naproxen, Ibu und Diclo, Phenazon und Propyphenazon gibt’s rezeptfrei in der Apotheke. Die Stoffe werden gerne als „kleine“ Analgetika bezeichnet – eine verniedlichende Bezeichnung, die auch so manchen Heilberufler zu einem etwas sorgloseren Umgang mit diesen Wirkstoffen verleitet. Das kann gefährlich werden, denn es sind potente Wirkstoffe, die ihre Nebenwirkungen haben, vor allem bei längerfristigem Gebrauch. Das Bundesgesundheitsministerium möchte mit einer Analgetika-Warnhinweisverordnung für einen respektvolleren Umgang mit diesen Stoffen sorgen. Der erste Entwurf einer Warnhinweisverordnung hatte es allerdings übertrieben: Es sollten Warnhinweise auf der äußeren Umhüllung stehen, je nach Indikation mit dem Hinweis auf eine Anwendungszeit von drei oder vier Tagen. Jetzt liegt ein überarbeiteter Entwurf vor, der stärker auf den Apotheker abhebt. Auf der Vorderseite der Umhüllung oder dem Behältnis soll stehen: „Bei Schmerzen oder Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als vom Apotheker oder von der Apothekerin empfohlen!“ Mein liebes Tagebuch, mit dieser Verordnung lässt es sich leben. Sie stärkt den Apotheker als Fachmann und Heilberuf. Aber das sollten wir auch wahrnehmen. Also, eine wortlose Abgabe von „kleinen“ Analgetika darf es nicht (mehr) geben. Ein kleiner Hinweis auf die Anwendungsdauer ist ein Muss! Und Sonderangebote für diese Arzneimittel – das geht gar nicht!
16. August 2017
Die Anträge zum Deutschen Apothekertag liegen vor. 43 sind es. Sie zeigen in etwa, was Kammern und Verbände auf dem Apothekertag diskutiert haben wollen, wozu es eine Richtungsentscheidung geben soll. Keine Frage, das Rx-Versandverbot ist dabei, ohne Wenn und Aber. Eine Alternative ist da nicht vorgesehen. Was passieren soll, wenn das Rx-Versandverbot nach der Wahl nicht kommt? Tja, darüber will keiner so recht diskutieren, wäre aber sinnvoll. Kopf in den Sand hilft nicht. Lobenswert: Ein Antrag der Kammer Rheinland-Pfalz, der dazu auffordert, zukunftsweisende Konzepte für das System der wohnortnahen Präsenzapotheken zu entwickeln und umzusetzen. Es wird dabei um die Elemente Rezeptsammelstellen, Botendienst, Zweig- und Notapotheken gehen. Mein liebes Tagebuch, das wird höchste Zeit, da müssen neue, fortschrittliche Ideen her! Weitere Themen, die sich natürlich auch bei den Anträgen finden, sind Lieferengpässe und die pharmazeutische Kompetenz beim Medikationsplan. Ein interessanter Antrag von den Pharmaziestudierenden: Sie möchten einen Erste-Hilfe-Kurs im Praktischen Jahr (das sollte es schon längst geben). Und die Kammer Baden-Württemberg möchte, dass die niedersächsische Gesetzesinitiative für Stationsapotheker in allen Krankenhäusern auf ganz Deutschland ausgeweitet werden soll. Richtig, mein liebes Tagebuch. Das kann sicher nicht von heute auf morgen geschehen, aber es sollte das Ziel sein. Es gibt viel zu wenige Apotheker in Krankenhäusern. Der LAV Baden-Württemberg setzt sich mit einem Antrag dafür ein, dass eine eindeutige Rechtsgrundlage für Verträge über „die Erbringung und Vergütung von pharmazeutischen Dienstleistungen“ zwischen Verbänden und Krankenkassen geschaffen wird. Ebenfalls längst überfällig, mein liebes Tagebuch. Und dann gibt es noch Anträge zum großen Thema Digitalisierung: die Arbeiten an der elektronischen Patientenakte sollen intensiviert werden. Und, klar, mehr Apps! Apps z. B. für eine verbesserte Kommunikation zwischen Apotheken und Patienten, aber auch zwischen Arzt und Apotheke, die ABDA-Datenbank als App und eine Plattform, die es dem Arzt oder Patienten ermöglicht, zu prüfen, ob im Notdienst verordnete Arzneimittel verfügbar sind. Mein liebes Tagebuch, bei all diesen Wünschen und Anträgen verspricht der Apotag in dieser Hinsicht nicht langweilig zu werden.
17. August 2017
Nach den Pflegemorden in niedersächsischen Krankenhäusern fordert die dortige Landesregierung mehr Stationsapotheker für ihre Krankenhäuser im Land. Richtig. Aber, mein liebes Tagebuch, warum soll es das nur in Niedersachsen geben? Der Verband der Krankenhausapotheker ADKA sieht die Chance und fordert als „längst überfälligen Schritt“ mehr Stationsapotheker in allen Krankenhäusern. Mit Recht. Die Arzneimitteltherapie im Krankenhaus mit allem Drum und Dran ist ein „Hochrisikoprozess“, sie wird immer komplizierter – mit einem Apotheker auf Station wird dies wesentlich sicherer. Warum gibt es in Deutschland so wenige Apotheker in Krankenhäusern? In Großbritannien gibt es laut ADKA 4,4 Apotheker pro 100 Betten, in Deutschland weniger als 0,4 Apotheker! Unglaublich, oder? Es wird höchste Zeit, dass Krankenhäuser den Wert des Apothekers sehen. Nicht nur als Kellermaus und Logistiker, sondern als klinischer Pharmazeut, als Apotheker auf Station, der aktiv bei der Arzneitherapie mitredet. Also, die Gelegenheit, Verständnis für die Forderung nach mehr Apothekern in Krankenhäusern zu wecken und etwas in diese Richtung zu bewirken, war noch nie so gut. Das Argument einiger Kritiker aus den eigenen Reihen, man fände für diese neuen Stellen nicht ausreichend Apotheker, lässt sich leicht entkräften. Rund 1600 Pharmazeuten schließen jährlich ihr Studium ab. Viele von ihnen gehen in die Offizin, viele aber auch in die Industrie, nur wenige ins Krankenhaus – vermutlich, weil es hier bisher nur relativ wenige Stellen gab. Wenn nun aber mehr Krankenhäuser Apotheker einstellen, werden dies entsprechend mehr wahrnehmen. Also, mein liebes Tagebuch, die Pharmazeuten, die sich klinische Pharmazie und Krankenhauspharmazie als Berufswunsch vornehmen, gibt es. Und für die ABDA wäre es jetzt die Gelegenheit, mehr Ausbildungsplätze für Pharmazeuten zu fordern. Die Arzneimittelsicherheit, vor allem die in Krankenhäusern, verlangt dies! Der Apotheker auf Station, pro 300 Betten mindestens 1 Apotheker – das ist das Mindeste!
18. August 2017
Die Sozen eiern gesundheitspolitisch mächtig herum. Einerseits kleben sie am Versandhandel wie die Fliegen an den Leimrollen, andererseits merken sie, dass die Apothekers wegen der Versandhandelsverehrung der SPD in Scharen davonlaufen. Und die SPDler wissen auch: Die Apotheken haben täglich 4 Mio. Kundenkontakte und werden von der Bevölkerung geschätzt. Damit haben die Apotheken ein riesiges Potenzial, Kunden im Gespräch auf die aus Apothekersicht negativen Folgen einer SPD-Gesundheitspolitik hinzuweisen: Die kleinen Apotheken werden schließen müssen, weil sie den Wettbewerb mit den Rx-Versendern nicht aushalten werden. Letztlich bedeutet das für die Patienten nur Nachteile, wenn der Weg zur nächsten Apotheke weiter wird. Sabine Dittmar, SPD-Gesundheitspolitikerin und Ärztin, scheint dieses Dilemma zu spüren. Im DAZ-Interview lässt sie einige gute Ansätze erkennen, was sie sich gesundheitspolitisch wünscht, z. B. mehr Kooperation zwischen Ärzten und Apothekern, vor allem beim Medikationsplan. Sie hat als Ärztin gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Apothekern und sie wünscht sich, dass bei zukünftigen Diskussionen zur Apotheker-Honorierung die Kompetenzen des Apothekers besser abgebildet werden sollen, z. B. auch Präventions- und Beratungsleistungen. Mein liebes Tagebuch, klingt doch erstmal gar nicht so schlecht. Aber dann kommt eben immer wieder der Hammer: Der Versandhandel sei für die Versorgung wichtig und ein Rx-Versandverbot keine Lösung, z. B. auch wegen des Versands von Spezialrezepturen. Frau Dittmar, die Apotheker haben tolle Vorschläge gemacht, wie sie trotz eines Rx-Versandverbots die Versorgung mit Spezialrezepturen bewerkstelligen. Und vielleicht sollten Sie sich mal das soeben als Buch erschienene Gutachten „Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ reinziehen. Denn wer nicht hören will, muss fühlen: Sorry, „SPD pro Rx-Versand“ bedeutet für Apotheker den Daumen nach unten. Da nützt auch das Werben des „heiligen“ Martin um die Freien Berufe wenig. Auch wenn er sich mit freundlichen Worten an die Freien Berufe heranpirscht und ihre Berufsregeln und Honorarordnungen begrüßt – das wird nicht reichen, solange auch er den Versandhandel hofiert. Mein liebes Tagebuch, du weißt ja, die Apotheken haben täglich 4 Mio. Kundenkontakte...
7 Kommentare
Krankenhaus
von Sven Larisch am 21.08.2017 um 16:49 Uhr
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Des "Heilands" Rosinenpickerei
von Heiko Barz am 20.08.2017 um 17:40 Uhr
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Gott weiß alles....
von Karl Friedrich Müller am 20.08.2017 um 14:20 Uhr
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RXVV
von Anita Peter am 20.08.2017 um 14:05 Uhr
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Krankenhausapotheker?
von Heiko Barz am 20.08.2017 um 13:27 Uhr
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AW: Krankenhausapotheker
von Ruth Konrads am 20.08.2017 um 18:34 Uhr
AW: Krankenhausapotheker
von Heiko Barz am 21.08.2017 um 18:33 Uhr
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