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Technologische Forschung
„Nano-Mais“ als Arzneimittel-Transporter zum Inhalieren
Bei modernen Carriern für Arzneistoffe sind der „Phantasie“ offenbar keine Grenzen gesetzt. Pharmazeuten von der Universität des Saarlandes haben ein zylinderförmiges Vehikel entwickelt, das inhaliert werden kann. Er sieht aus wie ein Maiskolben, ist winzig wie ein Bakterium und liefert den Wirkstoff direkt in die Lungenzellen.
Idealerweise sollte ein Wirkstoff nur dort wirken, wo er gebraucht wird. Dazu muss er aber erst einmal an den Zielort kommen. Bei Medikamenten, die inhaliert werden sollen, muss der Wirkstoff in der Lunge zuerst die Hindernisse überwinden, die der Körper zu seinem Schutz gegen unerwünschte Eindringlinge von außen, wie Viren, Bakterien oder Ruß-Partikel vorhält. Dazu gehört der Schleim in den Atemwegen. Der Leiter des Instituts für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie Marc Schneider hat zusammen mit seinem Team ein Transportsystem entwickelt, das diese Barriere überwindet und einen Wirkstoff zuverlässig in die Lungenzellen schleust. Bei ihrem Projekt arbeiteten die Pharmazeuten außerdem mit der Medizinischen Fakultät der Saar-Uni und dem Leibniz-Institut für Neue Materialien und der Universität Marburg zusammen. Ihre Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Advanced Healthcare Materials veröffentlicht.
So groß wie ein Bakterium
Den Hintergrund für seine Entwicklung erklärt Marc Schneider so: „Stäbchenförmige Partikel sind lungengängig, werden also in die Lunge aufgenommen. Außerdem bieten sie ein großes Volumen für die Ladung, die transportiert werden soll. Daher wollten wir ein Transportsystem mit dieser Form entwickeln.“ Die aus dieser Idee entstandenen Zylinder besitzen eine maisartige Struktur und sind 10.000 x 3.000 Nanometer klein, etwa so groß wie ein Bakterium. Beim Inhalieren landen sie im tiefen Lungengewebe.
Für den Transport zum Zielort machen sich die Forscher das körpereigene Abwehrsystem zunutze. Über die Größe stellen sie sicher, dass nur die Immunzellen, vor allem die Makrophagen, das Vehikel aufnehmen. Die Fresszellen des Immunsystems verleiben sich den gesundheitlich unbedenklichen „Nano-Mais“ ein. Durch ihre Verdauungsprozesse setzen sie den in ihm transportierten Wirkstoff anschließend frei. Dieser besteht aus genetischem Material (Plasmid-DNA), das die Funktion der Makrophagen beeinflusst. Die in der Plasmid-DNA enthaltenen „Befehle“ programmieren die Immunzellen so um, dass sie einen erwünschten Therapieeffekt auslösen und zur Heilung beitragen können. Über den „Nano-Mais“ wird die Ladung zielgenau im richtigen Zelltyp abgeliefert.
Vehikel stabil herstellen und passgenau beladen
Wie die Forscher berichten, haben sie und ihre Partner mehrere Jahre daran gearbeitet, die kleinen Transporter im Mikrometer-Maßstab stabil herstellen und passgenau beladen zu können. Wie das praktisch geht, beschreiben sie so: Partikel werden in eine stäbchenförmige Nano-Schablone mit vielen kleinen Löchern gefüllt, etwa so, wie ein Teig in eine Kuchenform gegossen wird. Es entsteht ein Nano-Röhrchen mit vielen kleinen Kugeln. Damit das Röhrchen zusammenhält, werden die Moleküle Lage für Lage miteinander verklebt und verbacken, zusammen mit den pharmazeutisch aktiven Substanzen. Wenn die Membran-Schablone sich später auflöst, bleibt der fertig beladene maisförmige Transporter übrig.
Transport durch Biolumineszenz nachgewiesen
Die Pharmazeuten konnten auch schon nachweisen, dass die kleinen Trägersysteme ihre Ladung wirklich in die Lungenzellen liefern. Bei den hierfür notwendigen Experimenten arbeiteten sie mit Biopharmazeuten der Philipps-Universität Marburg um Udo Bakowsky und Zellbiologen der Saar-Universität aus dem Team von Thomas Tschernig zusammen. Der „Nano-Mais“ wurde mit genetischem Material beladen, das den Bauplan des Enzyms „Luciferase“ enthält. Dieses ruft eine Leuchtreaktion (Biolumineszenz) hervor. Nimmt die Zelle den „Nano-Mais“ mit der Ladung auf, so produziert sie das Enzym und leuchtet. In Versuchen mit Lungen-Makrophagen von Mäusen konnten die Wissenschaftler das Leuchten in den Zellen tatsächlich sehen.
Der Wirkstoff-Transporter sei zwar noch Gegenstand der Grundlagenforschung, teilen die Forscher mit, aber das Material werde derzeit bereits für den späteren Einsatz in der Therapie weiterentwickelt. Sie hoffen, dass er „in nicht ferner Zukunft“ etwa in der Therapie der Mukoviszidose eingesetzt werden könnte.
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