Akutes Koronarsyndrom

Mehr Todesfälle unter Clopidogrel?

30.08.2017, 17:30 Uhr

Die geringste Mortalität zeigt Prasugrel bei akutem Koronarsyndrom. (Foto: Harris/SPL / Agentur Focus)

Die geringste Mortalität zeigt Prasugrel bei akutem Koronarsyndrom. (Foto: Harris/SPL / Agentur Focus)


Clopidogrel zeigt bei Patienten mit akutem Koronarsysndrom eine höhere Mortalität als Prasugrel und Ticagrelor. Die drei Plättchenhemmer schützen vor atherothrombotischen Ereignissen bei Patienten mit instabiler Angina pectoris, STEMI- und NSTEMI-Myokardinfarkten – doch offenbar nicht gleich gut.

Welchen Plättchenhemmer Patienten nach Erstdiagnose „akutes Koronarsyndrom“ einnehmen, entscheidet, wie gut diese Patienten die nächsten zwei Jahre überleben: Clopidogrel-Patienten sterben häufiger oder sie müssen wegen eines akuten Koronarsyndroms wieder ins Krankenhaus als Patienten, die Prasugrel oder Ticagrelor erhalten. Das zeigen Daten von 32.830 Patienten über einen Zeitraum von fünf Jahren. Sie starteten die antithrombotische Therapie mit einem der drei P2Y12-Antagonisten innerhalb von 30 Tagen nach Diagnosestellung „akutes Koronarsyndrom“. Die Studie ist auf dem Europäischen Kardiologenkongress ESC Ende August in Barcelona vorgestellt worden.

Prasugrel zeigt geringste Mortalität

  Behandelte Patienten KH-Aufenthalt / Tod
Clopidogrel 56,8 % 18,7 %
Prasugrel 20,4 % 8,7 %
Ticagrelor 22,9 % 12 %

Clopidogrel wird häufig bei Risikopatienten eingesetzt

Die mittlere Therapiedauer mit Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor bertug zwölf Monate. „Das Wiederauftreten von Herzereignissen scheint durch Prasugrel und Ticagrelor, die seit ihrer Markteinführung zunehmend eingesetzt werden, gegenüber Clopidogrel verringert. Clopidogrel wird bei Risikopatienten für Blutungskomplikationen oder Wechselwirkungen weiterhin häufig eingesetzt," sagt Dr. Safoura Sheikh Rezaei. Sie ist Erstautorin der Studie und Assistenzärztin für Innere Medizin an der MedUni Wien.

Die Patientendaten stammen aus Österreich, da jedoch die mittlere Behandlungsdauer von bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom in Österreich sich an den europäischen Leitlinien orientiert, sind diese wohl auch auf Deutschland übertragbar. 

Optimale Behandlungsdauer mit Clopidogrel, Prasugrel Ticagrelor unklar

Das akute Koronarsyndrom umfasst die klinischen Bilder instabile Angina pectoris und STEMI- und NSTEMI-Myokardinfarkt. Es kommt zu einem teilweisen oder vollständigen Verschluss der Herzkranzgefäße aufgrund von Thromben. Diese bilden sich bei koronarer Herzkrankheit durch Ruptur der atherosklerotischen Plaques.

Ziel der Sekundärprävention nach einem akuten Koronarsyndrom-Ereignis ist, atherothrombotische Verschlüsse zu verhindern. Prasugrel und Ticagrelor sind bei akutem Koronarsyndrom nur in Kombination mit ASS zugelassen. Die optimale Behandlungsdauer mit P2Y12-Antagonisten bietet immer wieder eine Plattform für Diskussionen. „Das Ziel unserer epidemiologischen Studie war es, die Behandlungsdauer und die Zahl von neuerlichen Herzereignissen bei Patienten nach akutem Koronarsyndrom in Österreich zu untersuchen," erklärte Dr. Safoura Sheikh Rezaei.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Regionale Regelungen ignorieren die bundesweit geltenden Beschlüsse des G-BA

von Stefanie Beck, WMP Healthcare am 21.09.2017 um 17:21 Uhr

Sehr geehrte Frau Müller,
in Ihrem Beitrag erläutern Sie eine aktuelle Studie zur Versorgung des akuten Koronarsyndroms. Danach sterben Patienten deutlich häufiger, die mit dem alten Therapiestandard Clopidogrel behandelt werden. Andere müssen häufiger erneut wegen eines akuten Koronarsyndroms wieder ins Krankenhaus eingeliefert werden. Patienten, die die neueren Mittel Prasugrel oder Ticagrelor erhalten, haben dagegen bessere Überlebenschancen. Das fatale ist: diese Erkenntnis ist keineswegs neu!
Bekanntlich haben wir mit dem AMNOG seit 2011 eine „frühe Nutzenbewertung“ für alle neuen Arzneimittel. Ticagrelor war der erste Wirkstoff, der das AMNOG Verfahren durchlaufen hat. Für das hier diskutierte Therapiegebiet „Akutes Koronarsyndrom“ beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bereits vor 6 Jahren einen beträchtlichen Zusatznutzen von Ticagrelor plus ASS gegenüber dem generischen Clopidogrel plus ASS. Die Anzahl der laut G-BA-Beschluss infrage kommenden Patienten, für die Ticagrelor plus ASS einen Zusatznutzen hätte, liegt bei ca. 105.000 Patienten. Die zu Ticagrelor eingereichten Studiendaten (vom G-BA mit der höchsten Evidenzstufe „Beleg für…“ bewertet) die sich auf diese Zulassungspopulation beziehen, belegen eine klinisch relevante Reduktion der Gesamtmortalität (20%), der kardiovaskulären Mortalität (29%) und der Mortalität durch koronare Herzerkrankungen (28%). Bezogen auf eine Zielpopulation von 100.000 Patienten rettet Ticagrelor plus ASS hochgerechnet 1.000 Leben in drei Jahren. Ein Erstattungsbetrag ist verhandelt.

Das eigentliche Problem, welches Sie in Ihrem Beitrag leider nicht ansprechen, ist, dass regionale (selektivvertragliche…) Regelungen die bundesweit geltenden Beschlüsse des G-BA unterlaufen bis ignorieren. Dadurch wird Patienten die bestmögliche Therapie verweigert. Beispielsweise gilt es nach der Arzneimittelvereinbarung in Brandenburg für das Jahr 2017 für Vertragsärzte, in verschiedenen Wirkstoffgruppen Mindestverordnungsziele bei Generika bzw. Leitsubstanzen zu erreichen. Die Beschlüsse des G-BA zum Zusatznutzen von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen als Teil der bundesweit geltenden Arzneimittelrichtlinie bleiben dabei unberücksichtigt. So gilt bei Trombozytenaggregationshemmern als brandenburgisches Verordnungsziel: 95,5% Generika. Demgegenüber hat der G-BA, wie oben bereits dargestellt, einen Zusatznutzen von Ticagrelor plus ASS gegenüber dem generischen Clopidogrel plus ASS für eine viel größere Patientengruppe festgestellt.

Regionale und selektivvertragliche Regelungen wie in Brandenburg zeigen immer mehr Widersprüche zu dem mit dem AMNOG Gewollten auf. Dessen Ziel war es, Arzneimittel mit einer frühen Nutzenbewertung auf einen zusätzlichen Patientennutzen gegenüber der zweckmäßigen (bisherigen) Vergleichstherapie zu prüfen. Gelingt der Nachweis für einen Zusatznutzen, wird ein Erstattungsbetrag vereinbart, der die Wirtschaftlichkeit sicherstellt. Dem Ziel des AMNOG, Patienten in Deutschland geprüfte Innovationen in der Arzneimitteltherapie auch weiterhin schnell zugänglich zu machen, entspräche es, wenn ein neues Arzneimittel mit festgestelltem Zusatznutzen auch in der Versorgungsrealität ankommt. Dieses Ziel wird leider durch die beispielhaft genannten regionalen Regelungen zunehmend in Frage gestellt.

Die Studie zu den Folgen der „regionalen“ Therapierealität beim „Akuten Koronarsyndrom“ ist ein Musterbeispiel dafür, welche dramatischen Folgen dieses bundesrechtswidrige Verhalten in den KV Regionen haben kann.

Mit freundlichen Grüßen
Stefanie Beck
WMP HealthCare GmbH

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Kombi mit ASS auch für Clopidogrel oder nicht?

von Hr.Bödewig am 31.08.2017 um 8:34 Uhr

Falls eine mehrheitlich Clopidogrel-(Mono)Therapie mit Prasugrel/ASS und Ticagrelor/ASS Kombitherapien verglichen wurde, wäre die erhöhte Hospitalisierung/Mortalität bei
Clopidogrel möglicherweise auch durch die partiell ? fehlende ASS-Gabe erklärbar? Was sagt die Studie?

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Clopidogrel

von Dr Schweikert-Wehner am 30.08.2017 um 19:20 Uhr

Ist denn in der Studie der genetische Wirkaspekt des Prodrugs Clopidogrel untersucht worden?

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