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Die Anzahl der Apotheken sinkt im Westen Deutschlands viel stärker als im Osten. Die ABDA konzentriert sich bei der Präsentation der Apothekenzahlen bislang aber auf die gesamtdeutsche Zählung. Das verbirgt allerdings einen Teil des Problems. Eine Analyse von DAZ-Autor Thomas Müller-Bohn.
Die ABDA berichtet seit Jahren über die sinkende Zahl der Apotheken in Deutschland. Doch das Problem ist noch größer, als der erste Blick auf diese Zahlen erkennen lässt. Denn meist steht die gesamte Apothekenzahl in Deutschland im Mittelpunkt der Betrachtung. Diese Zahl zeigt aber nicht, wie lange und wie stark die Zahl der Apotheken in einigen westlichen Bundesländern schon zurückgegangen ist. Der Vergleich mit früheren Apothekenzahlen bringt wenig, wenn dieser in die Zeit vor der Wiedervereinigung zurückreicht. Denn der Neugründungsboom im Osten nach der Wiedervereinigung überlagert den Rückgang im Westen. Einzelne Bundesländer oder die alten und neuen Länder getrennt zu betrachten, sagt daher mehr aus.
Apothekenzahl in ganz Deutschland
Zunächst noch einmal ein Blick auf die Gesamtzahl: Die Apothekenzahl stieg seit der Einführung der Niederlassungsfreiheit (im Westen) im Jahr 1958 deutlich und erreichte im Jahr 2000 ein zwischenzeitliches Hoch (21.592, Ende 2000). Nach einem kurzen Rückgang stieg die Zahl ab 2004 wieder wegen der Filialisierungsmöglichkeit und erreichte 2008 ihren höchsten Wert (21.602, Ende 2008). Seitdem geht die Apothekenzahl zurück. Ende Juni 2017 waren es noch 19.880 öffentliche Apotheken, was etwa dem Stand von 1988 entspricht (19.781, Ende 1988). Der Stand von Ende 2016 (20.023) wurde zuletzt im Jahr 1991 gemeldet (20.108, Ende 1991).
Apothekenanzahl im Westen
Auf Anfrage von DAZ.online stellte die ABDA getrennte Zahlen für die westlichen und die östlichen Bundesländer zur Verfügung. Demnach erreichte die Zahl in den westlichen Ländern schon 1999 ihren höchsten Wert (18.616, Ende 1999), wobei ab 1999 auch die östlichen Teile Berlins zum „Westen“ zählten. Die größte Apothekenanzahl wurde also im Westen nicht durch die Filialen erreicht, sondern schon Jahre vor der Einführung von Filialen. Ab 1999 ging die Zahl der Apotheken im Westen zurück, ab 2005 stieg sie kurzzeitig wegen der Filialisierung auf ein neues Zwischenhoch im Jahr 2007 (18.444, Ende 2007) und fällt seitdem weiter. Ende 2016 gab es im Westen noch 16.901 öffentliche Apotheken.
Deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern
Ein weiterer großer Unterschied zur gesamtdeutschen Betrachtung liegt im Vergleich mit den früheren Daten. Die Gesamtzahl von Ende 2016 gab es zuletzt im Jahr 1984 (16.966, Ende 1984). Doch auch dieser Vergleich wird durch die Umstellung der Statistik im Jahr 1999 verzerrt. Es müssten etwa 250 Apotheken im östlichen Teil von Berlin abgezogen werden, die 1999 aus der Summe „Ost“ in die Summe „West“ übertragen wurden. Der angemessene Vergleichswert für die Apothekenzahl im Westen von Ende 2016 liegt daher im Jahr 1983 (16.705, Ende 1983).
Unterschiede zwischen den westlichen Bundesländern
Hinter dieser Summe stehen erstaunlich unterschiedliche Entwicklungen in verschiedenen westlichen Bundesländern, wie einige Beispiele zeigen. So gab es am 30. Juni 2017 in Niedersachsen 1944 öffentliche Apotheken und damit etwas weniger als Ende 1988 (1951). In Schleswig-Holstein gibt es derzeit 666 öffentliche Apotheken (Stand 22. August 2017) und damit etwa so viele wie zuletzt Ende 1985 (668). In Rheinland-Pfalz gibt es derzeit 1011 Apotheken (Antwort der Apothekerkammer vom 28. August 2017), was etwa dem Stand von 1983 entspricht (1022). Im Kammerbezirk Nordrhein bestehen derzeit 2252 Apotheken (Antwort der Apothekerkammer vom 24. August 2017). Nach Angaben der Apothekerkammer entspricht dies der Größenordnung der Jahre 1977 und 1978. Demnach liegen Zeiten mit einer so geringen Apothekenzahl wie heute in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich lange zurück, teilweise liegt der Vergleichswert in den 1970er-Jahren. Die maximale Apothekenzahl wurde in Hessen bereits 1994 erreicht (1650 im Vergleich zu 1503, Ende 2016), in Schleswig-Holstein dagegen erst 2008 (739). Die deutlichen Unterschiede zwischen den Bundesländern dürften zumindest teilweise durch die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung zu erklären sein.
Apothekendichte
Um Verzerrungen durch schwankende Bevölkerungszahlen zu vermeiden, kann die Apothekendichte betrachtet werden. Solche Angaben zur Zahl der Apotheken pro 100.000 Einwohner hat die ABDA in ihrem Wirtschaftsbericht vom April 2017 ausgewiesen. Demnach hat die Apothekendichte im Westen zwischen 1985 und 1990 praktisch stagniert und nimmt seitdem ab. Die Apothekendichte von 2016 (24,3 Apotheken pro 100.000 Einwohner) gab es zuletzt 1978. Da die Einwohnerzahl im Westen seit damals zugenommen hat, liegt dieser Vergleichswert noch weiter in der Vergangenheit als bei der Betrachtung der absoluten Apothekenzahlen. Die Apothekendichte im Westen entspricht also rechnerisch dem Zustand Ende der 1970er-Jahre. Dabei bleibt offen, ob die Verteilung ebenso gut wie damals ist. Dagegen ist ein nennenswerter Rückgang der Apothekendichte im Osten bisher nicht erkennbar. Im Jahr 2016 lag die Apothekendichte im Osten mit 24,8 Apotheken pro 100.000 Einwohner sogar über dem Wert im Westen.
Neue Bundesländer: Sehr viele Neugründungen nach der Wende
In den östlichen Ländern war die Entwicklung verständlicherweise ganz anders als im Westen. Die Apothekenzahl stieg nach der Wiedervereinigung von 1869 (Ende 1990) auf 3227 (Ende 1998, mit Berliner Anteil), also um 73 Prozent in acht Jahren. Der scheinbare Rückgang in der ABDA-Statistik im Jahr 1999 liegt an der veränderten Zählweise für die Apotheken im östlichen Teil Berlins. Tatsächlich stieg die Apothekenzahl im Osten bis zum Jahr 2000, ging dann geringfügig zurück (um 8 Apotheken zwischen 2000 und 2003) und stieg ab 2004 wieder wegen der Filialisierungsmöglichkeit.
Unter Berücksichtigung der veränderten Zählweise wurde das Maximum im Osten erst 2010 erreicht (3190, Ende 2010, ohne Berliner Anteil). Seitdem geht auch die Zahl der Apotheken in den östlichen Ländern zurück. Ende 2016 betrug sie 3122, was dem Stand von 2007 entspricht (3126; Ende 2007). Das ist ein Rückgang um 2,1 Prozent gegenüber dem Höchstwert. In der selben Zeit sank die Zahl der Apotheken im Westen dagegen um 7,4 Prozent. Gegenüber dem Höchstwert von 1999 gingen im Westen sogar 9,2 Prozent der Apotheken verloren.
Als Erklärung liegt nahe, dass die vielen Neugründungen im Osten in den 1990er Jahren sehr bewusst die Versorgungslücken aus der DDR-Zeit gefüllt haben und die Apotheken daher gleichmäßiger verteilt sein dürften. Außerdem hat sich für die meisten Gründer der 1990er Jahre bisher noch nicht die Frage nach einem Nachfolger gestellt.
Fazit
Diese großen Unterschiede führen dazu, dass die bisher moderate Entwicklung im Osten das Ausmaß der Probleme im Westen verdeckt. Die politische Arbeit sollte sich daher verstärkt auf Daten einzelner Bundesländer stützen. Für die östlichen Länder bedeuten diese Erkenntnisse hingegen keine Entwarnung. Wenn dort öfter die Nachfolgefrage gestellt wird, dürfte sich das Bild dem Westen angleichen. Dann ist zu befürchten, dass die Gesamtzahl der Apotheken in Deutschland noch mehr sinkt als bisher.
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