- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Gerichtsurteil bedroht ...
Von der Defektur zur Rezeptur
Die Argumentation mit den Herstellungsschritten hat eine lange Vorgeschichte. Schon 2002 hat das Hanseatische Oberlandesgericht entschieden, die in einer Apotheke hergestellten Ribavirin-Kapseln seien zulassungspflichtig, weil die wesentlichen Herstellungsschritte nicht in der Apotheke stattfänden. Dabei ging es noch „nur“ um die Defektur. Doch der Verfasser dieses Kommentars hat schon damals auf die drohenden Folgen hingewiesen. Es wäre schon damals dringend geboten gewesen, das zugrunde liegende Missverständnis auszuräumen. Doch stattdessen wurde die Argumentation vom Bundesgerichtshof und vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt und wird mit dem oben beschriebenen argumentativen Umweg inzwischen sogar auf die Rezeptur ausgedehnt. Wenn sogar eine Kapselherstellung und eine Zubereitung im Reinraum als unerheblich gelten, müsste dies auch für praktisch jede andere Rezeptur gelten. Das wäre nicht nur das Ende der Defektur, sondern der gesamten Rezeptur. In Verbindung mit der jüngsten Hamburger Argumentation, die die vorliegenden Verordnungen nicht als relevant betrachtet, wäre praktisch jede Rezeptur als zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel zu betrachten. Die Idee scheint sich zu verselbständigen. Darum sei hier daran erinnert, dass ein Fertigarzneimittel gemäß § 4 Absatz 1 AMG nur vorliegt, wenn es im Voraus hergestellt wird. Dies gilt es zu allererst zu prüfen. Bei einer Individualherstellung sollten sich die weiteren Fragen nicht stellen.
Problemlösung für Defekturarzneimittel
Doch auch bei der Bewertung von Defekturarzneimitteln mit dem Argument der Herstellungsstufen hat sich offenbar ein Missverständnis verfestigt. Denn die Gerichte ignorieren immer wieder den Unterschied zwischen Arzneistoffen und Arzneimitteln, der sich aus den §§ 2 und 3 AMG ergibt. Die Herstellung eines Arzneimittels setzt das Vorhandensein eines Arzneistoffes voraus. Die Schritte, die zur Gewinnung eines Arzneistoffes erforderlich sind, können daher bei der Frage nach den wesentlichen Schritten bei der Herstellung einer Zubereitung aus diesem Stoff nicht mitzählen. Die pharmazeutisch-chemische Synthese und die pharmazeutisch-technologische Arzneimittelherstellung sind zwei getrennte Sphären, die jede für sich zu beurteilen sind. § 21 Absatz 2 Ziffer 1 kann sich daher nur auf die Herstellungsschritte beziehen, denen der bereits vorhandene Arzneistoff unterzogen wird. Doch selbst wenn der Stoff überhaupt nicht verarbeitet würde, griffe § 21 Absatz 2 Ziffer 1b Buchstabe c. Demnach sind auch unverarbeitet abgegebene Stoffe nicht zulassungspflichtig, sofern eine individuelle Verschreibung vorliegt.
1 Kommentar
Einerseits "Einzelzulassung", andererseits Banalisierung der Rezepturtätigkeit: Selbst schuld!
von Wolfgang Müller am 26.09.2017 um 20:13 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.