Nach Todesfällen

NRW: Heilpraktikeraufsicht muss in den Koalitionsvertrag

Düsseldorf - 30.10.2017, 07:00 Uhr

Muss die Praxis des Heilpraktikers geschlossen bleiben oder nicht? (Foto: dpa)

Muss die Praxis des Heilpraktikers geschlossen bleiben oder nicht? (Foto: dpa)


In mehreren Gerichtsverfahren kämpft ein Heilpraktiker um seine Berufserlaubnis, obwohl gegen ihn wegen mehrerer Todesfälle ermittelt wird. Das NRW-Gesundheitsministerium fordert als Konsequenz aus dem Fall auch eine schärfere Gesetzgebung in Deutschland. Doch der Bund will derzeit nur Leitlinien für Heilpraktikerprüfungen vereinheitlichen. Die Bundesärztekammer kritisiert dies als eine „in jeder Hinsicht unzureichende Maßnahme“.

Im Sommer 2016 verstarben mehrere Krebspatienten, nachdem ein Heilpraktiker sie im nordrhein-westfälischen Ort Brüggen-Bracht mit dem nicht-zugelassenen Präparat 3-Bromopyruvat behandelt hatte. Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Heilpraktiker. Umstritten ist, inwiefern er derweil weiter tätig sein darf. Da noch keine Anklage erhoben wurde, sieht der hierfür zuständige Kreis Krefeld keine Rechtsgrundlage, die Heilpraktikererlaubnis zu entziehen.

Nur wenige Tage nach den Todesfällen hat hingegen der Kreis Viersen, in dem das „alternative Krebszentrum“ des Heilpraktikers lag, diesem verboten, weiterhin im Kreisgebiet tätig zu sein. Der Heilpraktiker zog zum Verwaltungsgericht Düsseldorf – und erhielt dort kürzlich Recht (Az. 7 L 2292/17): Nach Ansicht der Richter ist der Kreis nicht befugt, ihm die Tätigkeit zu untersagen, während er gleichzeitig noch seine allgemeine Heilpraktikererlaubnis besitzt. Das Gesundheitsamt sei außerdem nur dann berechtigt und verpflichtet, selbst die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn eine Gefahr vorliegt, erklärte das Gericht. Derzeit kann aber nicht festgestellt werden, dass eine – auch in diesem Zusammenhang zu fordernde - konkrete Gefahr vorliegt.

Vom Kreis Viersen waren „erhebliche Zweifel an der beruflichen Zuverlässigkeit“ vorgebracht worden. So bestünde der dringende Verdacht, dass der Heilpraktiker mit Infusionen mindestens zwei Patienten gesundheitlich geschädigt habe, die später zu Tode kamen. Außerdem bestünden erhebliche Gesundheitsgefährdungen für die von ihm behandelten Patienten, auch da dem Heilpraktiker unterlassene Hilfeleistungen vorgeworfen wird. Darüber hinaus ist von unzureichender Kennzeichnung von Infusionsbeuteln, fehlenden Angaben zum Anbruchszeitpunkt von kurz haltbaren Arzneimitteln sowie Pfusch bei Behandlungsprotokolle die Rede. Doch solange noch keine definitiven Zusammenhänge nachgewiesen sind, liegt nach Einschätzung der Richter noch keine Gefahr, sondern nur ein „Besorgnispotential“ vor, welche lediglich „Gefahrerforschungseingriffe“ rechtfertigte – und noch keine endgültigen Abwehrmaßnahmen. 

Bei Apothekern könnte die Approbation ruhen gelassen werden

Bei anderen Heilberufen ist dies anders, wie die Richter betonen: Bei Ärzten und Apothekern können Behörden das Ruhen der Approbation anordnen, wenn wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Berufsausübung ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist.

Kreis und Ministerium sehen Gefahren  

Wie ein Sprecher des Kreises Viersen gegenüber DAZ.online bestätigt, hat der Kreis Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eingelegt. Derweil dürfe der Heilpraktiker weiter tätig sein, er müsse dies jedoch beim Kreis anzeigen – was bislang laut Sprecher nicht geschah. Der Nachbarkreis Wesel, wo der Heilpraktiker wohnt und seit 2011 eine „Hausbesuchspraxis“ angezeigt hat, hat ihm im August nach Anweisung der Bezirksregierung Düsseldorf gleichfalls die Tätigkeit untersagt. Auch hiergegen ist er nach Informationen von DAZ.online kürzlich vor das Verwaltungsgericht gezogen.

Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium ist mit der aktuellen Lage deutlich unzufrieden, wie sich auf Anfrage von DAZ.online ergibt. „Als Reaktion auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf hat die Bezirksregierung Düsseldorf die Stadt Krefeld erneut um Prüfung eines Widerrufs der Heilpraktikererlaubnis des Herrn R. gebeten“, erklärt ein Sprecher. Das Ministerium stehe „im engen Austausch“ mit der aufsichtführenden Bezirksregierung Düsseldorf, welche den Kreis anweisen könnte, die Berufserlaubnis des Heilpraktikers zu widerrufen.

Forderungen an die nächste Bundesregierung

Wie schon im August fordert das Ministerium weiterhin, dass „bundeseinheitliche Vorgaben für die Erlaubniserteilung, die Ausbildungsinhalte und die Aufsicht über die Heilpraktiker“ erstellt werden sollen. „Das muss auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verankert werden“, erklärt ein Sprecher gegenüber DAZ.online. „Sollte es wider Erwarten nicht zu neuen bundesgesetzlichen Vorgaben kommen, wird die Landesregierung eigene landesrechtliche Maßnahmen ergreifen.“

Unklar ist jedoch, ob der Bund tatsächlich aktiv werden wird: „Ich rate uns dazu, durchaus erst einmal das, was wir in erster Linie von Presseverlautbarungen der Staatsanwaltschaft kennen, genau auszuwerten“, hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe im September 2016 gesagt. Auf Nachfrage erklärte eine Ministeriumssprecherin, dass derzeit einheitliche Standards für Heilpraktikerprüfungen erstellt werden – weiteren Handlungsbedarf in Sachen Aufsicht sieht das Ministerium aktuell offenbar nicht.

Ärzte sehen Leitlinien als untauglich an

Von Seiten der Bundesärztekammer war der Leitlinienentwurf kürzlich stark kritisiert worden: Es sei „nicht nachvollziehbar, wie auf der Grundlage dieser Leitlinien eine Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern unter dem Aspekt einer funktionierenden Gefahrenabwehr erfolgen soll“, hieß es. Die Leitlinien stellten „eine in jeder Hinsicht unzureichende Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung oder gar einzelner Patienten vor möglichen Gesundheitsgefahren durch die Tätigkeit von Heilpraktikern dar.“ Der Ärztetag hatte im Mai weitreichende Einschränkungen der Befugnisse von Heilpraktikern gefordert. So sollen diese zukünftig beispielsweise keine Infusionen mehr legen dürfen. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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