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Zwei Kammerpräsidentinnen liegen sich in den Haaren. Wilde Honorarmodelle wabern durch die Landschaft. Immer mehr Apotheken sind Rezepturverweigerer – wissen die überhaupt, was sie da anrichten? Und im politischen Berlin hat einer seinen „German Mut“ verloren. Jetzt gehen die Farbenspiele drunter und drüber. Und die SPD zuckt wieder. Oder zickt?
20. November 2017
Mein liebes Tagebuch, weißt du wie es neuerdings heißt, wenn man sich von einer Party einfach so davon stehlen möchte? „Ich mach dann mal den Lindner.“ Ha ha, nein lustig ist das, was in Berlin passierte nicht. Schier unfassbar, mein liebes Tagebuch, ich dachte eher, die prinzipientreuen Grünen gehen von Bord, oder der Horst gibt auf, aber die FDP, der Lindner, der für German Mut stehen wollte, für Digitalisierung first und Bedenken second und was weiß ich noch alles. Und jetzt noch der Megaspruch: „Lieber nicht regieren als falsch“ – klingt so ähnlich wie „wer nichts macht, macht auch nichts falsch“. Oh doch, auch wenn man nichts macht, kann man genau deshalb viel falsch machen. Also, mein liebes Tagebuch, mit seinem Ausstieg aus Jamaika hat er sich selbst disqualifiziert. Und da wir Apothekers ein Elefantengedächtnis haben, merken wir uns das. Und noch eins, Christian L., merk Dir: Sind sie zu stark, bist Du zu schwach. Wir schauen mal, vielleicht ist ja auch noch eine Stelle als Model für Feinripp-Unterhemden frei.
Auch die TK meldet sich zu Wort und meint, sich mit guten Vorschlägen beteiligen zu müssen, wie man einen Zyto-Skandal, wie in Bottrop geschehen, in Zukunft verhindern könne, nämlich u. a. mit Ausschreibungen und Rabattverträgen. Nein, nein, mein liebes Tagebuch, die Kasse kann’s nicht lassen, das klingt doch fast schon zynisch. Da fällt ihr wirklich nichts Besseres ein, als Ausschreibungen und Rabattverträge. Da sind wir heilfroh, dass wir Ausschreibungen bei Zytos hinter uns haben, da holt diese Kasse das wieder vor. Außerdem: Könnte nicht auch der Druck von Ausschreibungen ein verstärkendes Moment für jemand sein, der nah an krimineller Energie ist?
Demnächst nicht nur Tulpen und Käse aus Amsterdam, sondern
auch Arzneimittelzulassungen: Die Europaminister haben entschieden, dass die
Europäische Arzneimittelagentur EMA wegen des Brexit ihren Sitz von London nach
Amsterdam verlegt. Bonn hatte sich übrigens auch beworben, war aber gegen
Amsterdam chancenlos. Tja, wäre nett gewesen und ein toller Auftrieb für Bonn,
hat aber nicht sollen sein. Alternativen in der Endausscheidung waren noch
Mailand oder Kopenhagen. Aber Amsterdam ist doch eine gute Wahl, mein liebes
Tagebuch.
21. November 2017
Was ganz früher das Thema Blutdruckmessen in Apotheken war, ist heute das Thema Impfen in Apotheken. Mein liebes Tagebuch, wie haben die Ärzte damals gekeift, als die ersten Apotheken anfingen, ihren Patienten den Blutdruck zu messen oder die Blutwerte zu bestimmen. Heute ist das eine selbstverständliche Dienstleistung oder fast schon wieder out, seit es spottbillige Blutdruckmessgeräte für Jedermann gibt, und alles digital über die App aufgezeichnet wird. Heute ist Impfen das Thema. In der Schweiz setzen unsere lieben Kolleginnen und Kollegen mittlerweile eifrig die Grippeschutzimpfung. Die Durchimpfungsraten steigen, die Patienten nehmen’s gerne mit, einfach so, zwischendurch, denn „die Grippe wartet auch nicht auf einen Termin“, so der Werbeslogan der Eidgenossen. Hierzulande gibt’s noch vornehme Zurückhaltung bei diesem Thema. Die würden sich das nicht zutrauen, die andern fürchten den Konflikt mit den Doctores (siehe Blutdruckmessen). Aber es gibt auch etliche, die sofort dabei wären. Zum einen sind sie – zurecht – überzeugt, etwas für die Volksgesundheit zu tun, zum andern könnten nur die Vor-Ort-Apos impfen, nicht die Versender. Wie lange wollen wir noch warten? Etwa bis die Grippespritze zur Selbstinjektion kommt? Und die kommt! Sicher.
Ups, da hätte sie vielleicht doch lieber nochmal drüber schlafen sollen, die westfälisch-lippische Kammerpräsidentin Gabriele Overwiening. Mein liebes Tagebuch, wir schätzen sie ja sehr, wie du weißt, sie hat so oft mal erfrischend andere Gedanken. Aber was sie da auf der letzten Delegiertenversammlung zum Besten gab, war wohl noch arg in statu nascendi: 50 Cent von unserem Honorar abzweigen und in einen Honorartopf einzahlen, der dann nach einem Punktesystem umverteilt wird auf Apotheken mit pharmazeutischen Dienstleistungen, mit Rezepturen, Fortbildungszertifikaten, Inkontinenzversorgung, Medikationsplan und AMTS? Und sonst noch was? Nein, das geht gar nicht. Overwiening sitzt selbst in der AG Honorierung der ABDA, ja, so eine AG gibt es. Sie hat ja Recht, irgendwann muss mal endlich die Diskussion beginnen, wie wir uns eine neue Honorierung vorstellen – wenn schon die ABDA nicht damit überkommt. Aber gleich unterwürfig, wie wir Apothekers sind, unser Honorar freiwillig kürzen und dann für Mehrarbeit sich mühsam ein paar Euro zurückholen, das ist mir mit Verlaub doch ein bisschen arg unter Wert verkauft. Nein, wieso 50 Cent abzweigen? Wir fordern 50 Cent mehr als Add-on für Dienstleistungen wie Medikationsplan und AMTS. Die wandern dann in den Honorartopf und werden für Fleißpunkte, die eine Apotheke in Euro und Cent umgerechnet werden, anteilig ausgeschüttet. Leistung muss sich lohnen.New Link
22. November 2017
Das Thema wabert gerade durchs Land und kommt fast auf allen Kammerversammlungen zur Sprache: Rezepturverweigerung. Ja, mein liebes Tagebuch, da gibt es Apotheken, die ihre Patienten unter fadenscheinigen Gründen wegschicken, wenn sie ein Rezept mit einer Rezeptur vorlegen: Angeblich seien die Grundstoffe nicht vorrätig oder nicht zu haben oder die Anfertigung dauere ein paar Tage usw. Diese Apotheken wollen sich nicht mit Rezepturen herumplagen, es ist ihnen lästig und ein Zuschussgeschäft ist es allemal. Abgesehen davon, dass es unsere Pflicht ist, eine Rezeptur herzustellen, gehört es einfach auch zu unserer ethischen Verantwortung. Rezepturen abzulehnen, geht schon ein wenig in Richtung unterlassener Hilfeleistung, oder? Übrigens, auch die Politik sieht es als apothekerliche Aufgabe an, Rezepturen herzustellen und hat dies immerhin mit einer kleinen Honorarerhöhung gewürdigt. Mein liebes Tagebuch, nein, Rezepturen zu verweigern, das geht gar nicht, dafür kann man kein Verständnis haben. Die Bayerische Kammerversammlung hat beschlossen, sich geeignete Maßnahmen zu überlegen, wie man diese Missstände abstellt und Apotheken dazu anhalten kann, Rezepturen herzustellen.
Das Honorargutachten – ein Reizwort. Auch für Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz, die davon ausgeht, dass das Bundeswirtschaftsministerium den bisher vorgelegten Zahlen selbst nicht traut, denn es beauftragte das Statistische Bundesamt mit der Überprüfung. Gerüchten zufolge sollen die Apotheker nämlich laut Gutachten bisher zu viel Honorar erhalten haben. Was auch immer da auf uns zukommt, es wird Zeit, dass die ABDA mit eigenen Zahlen um die Ecke kommt, mit Honorarvorschlägen. Linz nahm da auch die ABDA in die Pflicht: Die ABDA müsse schnell mit Zahlen von einer anderen Basis antworten. Angeblich will die ABDA ihre Mitglieder im Dezember über eigene Honorarvorschläge informieren. Wir sind gespannt. Und was das Gutachten betrifft: Mein liebes Tagebuch, das Papier sollte der Weihnachtsamnestie (oder –amnesie?) zum Opfer fallen.
Zoff unter Kammerpräsidentinnen. Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke ist wütend auf die Kammerpräsidentin Gabriele Overwiening von der Kammer Westfalen-Lippe. Weil Overwiening als Mitglied der „ABDA-Arbeitsgruppe Honorar“ ohne Absprache mit einem Honorar-Vorschlag an die Öffentlichkeit gegangen ist. Overwiening hatte vorgeschlagen, einen Teil des packungsabhängigen Fixhonorars in einen Fonds einzuzahlen, aus dem bestimmte Service-Leistungen von Apotheken honoriert werden könnten. Für Funke ist es ein „absolutes No-Go“, dass ein Mitglied der Arbeitsgruppe vorprescht. Dabei ging es ihr nicht um den Inhalt des Vorschlags, sondern um die Art und Weise. Mein liebes Tagebuch, Geplänkel! Mögen die beiden sich rasch wieder vertragen. Denn letztlich geht es hier um Wichtigeres. Und die Geschichte mit der Fondslösung, bei der wir uns selbst kasteien sollen – da denken wir doch besser alle nochmal drüber nach. Aber ganz intensiv! Da gibt’s doch noch was Besseres!
23. November 2017
Amazon und „seine“ Apotheken – da gab’s Verwirrungen. Von einen Tag auf den anderen hatte der Versandkonzern alle rund 40 deutschen Versandapotheken, die mit ihm kooperieren, rausgeworfen, die Apotheken waren als Anbieter von OTC-Arzneimitteln nicht mehr vorhanden. Und rund zwei Stunden später waren dann doch wieder einige wenige dabei. Mittlerweile sind wieder mehr deutsche Versandapotheken dabei. Was war da los? Mein liebes Tagebuch, alles verwirrend. Eine offizielle Stellungnahme von Amazon gibt’s da wohl nicht. Von einem technischen Fehler war die Rede und davon, dass man versuche, „Händler ohne Zertifizierung“ auszusortieren. Was auch immer hinter dem kurzzeitigen Ausschluss steckte – es gab auch Gerüchte, dass das juristische Vorgehen eines Münchner Apothekers gegen die Versandapotheken, die mit Amazon zusammenarbeiten, damit zu tun hatte –, mittlerweile war vom Versandkonzern zu erfahren, dass er weiterhin mit allen Versandapos zusammenarbeite, die den rechtlichen Bestimmungen und Amazon-Qualitätsstandards entsprächen. Mein liebes Tagebuch, na klar, Amazon lässt sich doch das Geschäft mit den Apotheken nicht entgehen.
24. November 2017
Nach Jamaika nun Kenia? Statt Schwarz-Gelb-Grün nun Schwarz-Rot-Grün? Oder vielleicht doch eine Minderheitsregierung mit Schwarz-Grün unter Duldung der SPD? Sieht alles nicht danach aus. Dann doch wieder eine GroKo, die eigentlich keiner so recht will, aber mangels Alternativen der letzte Ausweg ist? Die Beteiligten zieren sich noch, die SPD eiert gewaltig rum, Schulz will erstmal die SPD-Mitglieder abstimmen lassen, ob man in GroKo-Gespräche geht. Mein liebes Tagebuch, was wird da auf uns zukommen? Wir sollten jetzt unbedingt diese Zeit des Leerlaufs nutzen, um uns intern über unsere Vorstellungen, wie es mit unserem Honorar weitergehen soll, auszutauschen. Damit wir vorbereitet sind, wenn uns die neue Regierung ans Leder will.
24 Kommentare
Also
von Peter Lahr am 27.11.2017 um 14:33 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Lieber Herr Lahr,
von Christian Giese am 27.11.2017 um 15:46 Uhr
AW: Also @C. Giese
von Peter Lahr am 27.11.2017 um 16:53 Uhr
UND !
von Christian Giese am 27.11.2017 um 14:14 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Hier kein UND, sorry
von Wolfgang Müller am 27.11.2017 um 17:42 Uhr
DocMorris lacht sich ins Fäustchen
von G. Wagner am 27.11.2017 um 10:58 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: DocMorris lacht sich ins Fäustchen, Ja: Aber über Sie!
von Wolfgang Müller am 27.11.2017 um 11:27 Uhr
AW: 15.000 Schleifen
von Bernd Jas am 28.11.2017 um 14:20 Uhr
Gnadenlose Realsatire
von Wolfgang Müller am 26.11.2017 um 17:39 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Gnadenlose Realsatire
von Wolfgang Müller am 26.11.2017 um 17:49 Uhr
AW: Gnadenlose Realsatire
von Marcus Schneider am 26.11.2017 um 18:25 Uhr
Zyto-Ausschreibung, Eigentor der TK
von Dr. Gregor Huesmann am 26.11.2017 um 17:29 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Hauptsache ... in die Fresse ... egal ob Feind oder Freund ...
von Christian Timme am 26.11.2017 um 10:49 Uhr
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Kammerspiele und überflüssige Verbände
von Ulrich Ströh am 26.11.2017 um 8:49 Uhr
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Rezeptur
von Marcus Schneider am 26.11.2017 um 8:39 Uhr
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AW: Ein Slogan, an die Doofen gerichtet
von Wolfgang Müller am 26.11.2017 um 10:20 Uhr
AW: Rezeptortur
von Bernd Jas am 26.11.2017 um 10:33 Uhr
AW: Eigentor aus vollem Anlauf
von Bernd Jas am 26.11.2017 um 11:19 Uhr
AW: Differenzierung
von Marcus Schneider am 26.11.2017 um 12:52 Uhr
AW: Was kümmert´s Sei? Ehrlich?
von Wolfgang Müller am 26.11.2017 um 15:55 Uhr
AW: Ironie
von Marcus Schneider am 26.11.2017 um 17:14 Uhr
AW: Rezeptur
von Peter Lahr am 27.11.2017 um 10:23 Uhr
Ethische Verantwortung
von Frank ebert am 26.11.2017 um 8:18 Uhr
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AW: "Aberwitzige Rezepturen" und Ethische Verantwortung
von Wolfgang Müller am 26.11.2017 um 11:06 Uhr
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