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Zyto-Verbandschef Klaus Peterseim
„Unangekündigte Apotheken-Kontrollen würden tadellos funktionieren“
Wie sollen Amtsapotheker sowie die Apothekerschaft auf den Bottroper Zyto-Skandal reagieren? Klaus Peterseim, Präsident des Verbands der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker, hält unangekündigte Begehungen auch im Zyto-Labor für gut machbar. Im Interview mit DAZ.online zerpflückt er darüber hinaus die Verteidigungsstrategie des Bottroper Kollegen.
Der Skandal um laut Anklage mehr als 60.000 Zytostatika, die unter illegalen hygienischen Bedingungen sowie mit Dokumentationsmängeln hergestellt und in vielen Fällen unterdosiert worden sein sollen, hat in der gesamten Bundesrepublik für Entsetzen gesorgt. „Ich hätte bis zu dem Moment, als der Bottroper Fall bekannt wurde, behauptet, dass ein Apotheker niemals wissentlich ein schadhaftes Arzneimittel abgeben würde oder ein handwerklich minderwertiges Arzneimittel herstellt“, hatte Klaus Peterseim, Präsident des Verbands der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) im Juni auf Nachfrage erklärt. DAZ.online hat nachgefragt, wie er die aktuelle Diskussion sowie die Verteidigungsstrategie des Zyto-Apothekers Peter S. sieht. Dieser hatte wenige Tage nach seiner Verhaftung im November 2016 seinen Austritt aus dem Verband bekanntgegeben – womöglich um einem Ausschluss zuvorzukommen.
DAZ.online: Wie stehen Sie zu den Forderungen, dass Zyto-Apotheken zukünftig unangekündigt kontrolliert werden sollten?
Klaus Peterseim: Unangemeldete Kontrollen hat es schon immer gegeben – im Zytostatika-Bereich wurden sie jedoch selten durchgeführt. Dies liegt daran, dass Kontrollen bei Zyto-Apotheken sehr aufwändig sind: Bei uns kommen zwei Amtsapothekerinnen einen ganzen Tag lang, wofür ich drei Mitarbeiter abstellen muss, die den Amtsapothekerinnen Rede und Antwort stehen. Sie überprüfen beispielsweise Partikelmessungen und mikrobiologische Untersuchungen, sie lassen sich die technischen Kontrollen der Laborausrüstung zeigen und lassen sich Herstellungsprotokolle oder Einkaufsbelege vorlegen. Da die Begehung so umfangreich ist, sollte sie angekündigt werden – sonst können Sie nicht parallel den normalen Betrieb aufrechterhalten.
DAZ.online: Wären aber nicht zumindest kürzere Kontrollen auch spontan möglich?
Peterseim: Es wäre durchaus möglich, dass der Amtsapotheker überraschend in die Apotheke kommt und sagt, dass er die Arbeitsweise der Zyto-Herstellung ansehen will. Dann würde der Amtsapotheker Sterilkleidung anziehen und sich die Herstellungsprozesse ansehen. Wenn die Arbeitsweise der Apothekenbetriebsordnung entspricht, könnte der Amtsapotheker dann nach einer Viertelstunde wieder gehen – das würde tadellos funktionieren.
„Absurde Argumentation“ der Verteidiger
DAZ.online: Sind Kontrollen von Rückläufern eine Möglichkeit, um Manipulationen aufzudecken?
Peterseim: Aus meiner Sicht müssten die Proben in der Arztpraxis oder im Auslieferungsfahrzeug der Apotheke genommen werden: Wenn man die Rückläufer erst abholt, wenn sie wieder in der Apotheke sind, könnte ein Betrüger sie fälschen oder unterschlagen.
DAZ.online: Die Verteidigung des Bottroper Apothekers argumentiert ja, dass die Analysenmethoden wissenschaftlich nicht valide seien.
Peterseim: Diese Argumentation fand ich interessant. Selbstverständlich gibt es verlässliche Analysenmethoden, sonst würde das Arzneimittel gar nicht zugelassen – die Analysenmethode gehört zu den Zulassungsunterlagen. Wenn keine wissenschaftlich fundierte und validierte Analysenmethode für Gehalt und Reinheit der Substanz vorgelegt werden kann, ist eine Zulassung eines Arzneimittels von vornherein nicht möglich. Ich fand es sehr abenteuerlich, dass die Verteidiger sich auf so eine absurde Argumentation eingelassen haben. Das ist Unsinn.
DAZ.online: Aber es dauert ja teilweise einige Tage, bis die gezogenen Proben analysiert werden. Sind die Untersuchungen dann noch zuverlässig?
Peterseim: Bei allen Arzneimitteln gibt es Zerfallsprozesse, diese laufen in ganz unterschiedlicher Geschwindigkeit ab. Die entscheidende Frage ist, ob man aufgrund des gefundenen Gehaltes des Wirkstoffes und seiner Abbauprodukte unter Berücksichtigung der verstrichenen Zeit auf den ursprünglichen Wirkstoffgehalt schließen kann. Das kann ich im Einzelnen nicht beantworten, aber es ist sicher in vielen Fällen möglich. Die Wirkstoffe lösen sich ja in den meisten Fällen nicht in Luft auf.
„Der Finanzbeamte hat wohl Abweichungen nach unten im Fokus“
DAZ.online: Die Verteidigung hat offenbar außerdem argumentiert, die Staatsanwaltschaft hätte den Anfangsbestand aus dem Jahr 2012 nicht erfasst. Könnte dies die Differenz zwischen eingekaufter und abgegebener Wirkstoffmenge erklären?
Peterseim: Eine wie in der Anklage beschriebene erhebliche Unterdosierung über Jahre bestimmt nicht. Als Bestand in einer Apotheke wird üblicherweise die Menge vorgehalten, die man in einem Monat benötigt. Wenn sie das nicht erfasst haben, dann fehlt die Menge für einen Monat. Wenn sie einen Zeitraum von drei Monaten betrachten, dann ist die Differenz ganz entscheidend. Wenn sie fünf Jahre betrachten, dann relativiert sich die Zahl entsprechend.
DAZ.online: Müsste der Anfangsbestand nicht ohnehin festgehalten sein?
Peterseim: Selbstverständlich – der Bestand muss einmal im Jahr körperlich gezählt und schriftlich dokumentiert werden, die Summe steht auch in der Bilanz. Dass der nicht erfasst wurde, kann ich nicht glauben. Ohne eine korrekte Aufnahme des Warenbestandes wird die Bilanz nicht testiert.
DAZ.online: Wie kann es sein, dass dem Finanzamt über Jahre nichts aufgefallen ist?
Peterseim: Die allerwichtigste Prüfroutine eines Finanzamtes bei jeder Betriebsprüfung, egal in welcher Branche, betrifft die Gewinnspanne. Da gibt es für normale Apotheken Messzahlen, mit denen der Finanzbeamte anrückt und mithilfe derer er prüft, ob der Rohgewinn branchenüblich ist. Der Finanzbeamte hat allerdings aufgrund seiner Aufgabenstellung Abweichungen nach unten im Fokus, weil er dann vermuten muss, dass Gestaltungen vorliegen um Steuern zu sparen. Meine Vermutung ist: Das Finanzamt hat festgestellt, dass der Rohgewinn viel höher ist als üblich – und war zufrieden mit der Erkenntnis, dass dafür Steuern gezahlt wurden. Wenn ein Unternehmen eine deutliche Abweichung nach unten zeigt, dann hakt das Finanzamt sofort nach und der Unternehmer gerät in Erklärungsnot. Was die Finanzämter tun, wenn Unternehmen eine Abweichung nach oben ausweisen, weiß ich nicht. Das hätte wohl auffallen können.
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