- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
Und, mein liebes Tagebuch, wie war das Jahr 2017 für uns Apothekers? Sagen wir’s mal so: Ein wirklich gutes Jahr sieht anders aus. Ein Riesen-Imageschaden durch den Bottroper Zytoskandal, nervige Lieferengpässe, der quälende und erfolglose Kampf fürs Rx-Versandverbot, eine zahnlose und schwächelnde ABDA und dann noch ein unsägliches Honorar-Gutachten, das wir sorgenvoll ins neue Jahr mitnehmen – schlimmer geht nimmer. Oder doch? Aber, mein liebes Tagebuch, wir lassen den Kopf nicht hängen und das Pistill nicht stecken: Ohne Apotheke geht’s nicht! Auch nicht 2018!
1. Quartal
Januar 2017
Alles dreht sich, alles bewegt sich um ein Rx-Versandverbot. Es wird ein Ganzjahresthema, ein ewiges Pro und Contra, in der Politik, von Organisationen, die sich zu Wort melden, und von Medien. Da müsste doch was zu machen sein, meinen nicht nur wir. Da gibt es CDU-Politiker, die eine tolle Zuversicht verbreiten: Das Rx-Versandverbot kommt, sicher! Zum Beispiel die bayerische Gesundheitsministerin Huml oder der Gesundheitspolitiker Hennrich. Und dann gibt es diejenigen, die sich notorisch dagegenstellen: SPD-Politiker wie Karl Lauterbach, zum Beispiel. Oder der Vizechef des GKV-Spitzenverbands Magnus von Stackelberg. Auch Medien wie der „Spiegel“ schießen mit oberflächlichen Argumenten gegen die Apotheke und meinen, die Apotheken wollten den Versandhandel per se verhindern. Bundesgesundheitsminister Gröhe geht dagegen unbeirrt seinen Weg. Er poliert sogar seinen Gesetzentwurf für ein Rx-Versandverbot nach und stellt den Gesundheitsschutz der Bürger in den Mittelpunkt. Und während alle das Für und Wider diskutieren, bereitet die Oberversandapotheke DocMorris eine Werbeaktion nach der anderen vor und lockt Kunden mit satten Boni zum Rx-Versand. Mein liebes Tagebuch, wir müssen uns im Januar auf ein ganzjähriges Auf und Ab zu diesem Thema einstellen.
Der zweite Dauerbrenner: Lieferengpässe und Versorgungsengpässe Das Bundesgesundheitsministerium macht sogar den Weg frei für Not-Importe aus dem Ausland. Mein liebes Tagebuch, es wird immer deutlicher, wie wir von der Antibiotika-Produktion in China abhängig werden. Und wie GKV-Sparzwänge und Gewinnmaximierung die Märkte im Griff haben. Dann setzen Hersteller noch eins drauf und kontingentieren ihre Ware an den Großhandel und liefern bevorzugt direkt über die Plattform Pharma Mall. Wilde Spielchen laufen da ab.
Das Januar-DAZ-Interview mit dem ABDA-Präsidenten: erfrischend offen. Er habe viel gelernt in seiner bisherigen Amtszeit. Er freut sich über das Erreichte wie z. B. das Perspektivpapier, den Nacht- und Notdienstfonds und ARMIN. Was drückt und noch vor ihm liegt, sind natürlich die Anpassung des Apothekenhonorars und ein Rx-Versandverbot. Ach ja, dann wären da noch der verunglückte Medikationsplan und die ausstehende Reform des Pharmaziestudiums, die er 2017 angehen wolle. Was seinen Führungsstil betreffe, so habe er ein dickes Fell bekommen und ja, die Vorstellung vieler Mitglieder nach einem Idol an der Spitze – das könne er nicht erfüllen. Nein, mein liebes Tagebuch, muss er auch nicht, aber ein bisschen häufiger vielleicht mal ein klares Statement zu aktuellen Fragen wäre schon nicht schlecht.
Februar 2017
Überraschung Anfang Februar: Die vom Bundeswirtschaftsministerium mit dem Honorargutachten beauftragte Consulting-Agentur 2hm sucht Kontakt zu Apotheken und will intime Daten aus der Apothekenpraxis, seltsam gegliedert nach Warenwirtschaft, BtM-Abgabe und Zubereitung parenteraler Lösungen. Die ABDA war über den Fragenkatalog nicht informiert. Mein liebes Tagebuch, das kann ja heiter werden, so unsere Vorahnung, steht da ein Pharmageddon fürs Apothekenhonorar bevor?
Auch im Februar treibt uns das Thema Rx-Versand um. Die SPD schlägt Kapriolen:
Während die Landesebene geschlossen für ein Verbot ist, mauert die Bundesebene. Sie will nun Rx-Boni übers Sozialrecht für zwei Jahre verbieten und danach eine Umstellung des Apothekenhonorars prüfen. Und macht den Apotheken klar: Akzeptiert den Vorschlag oder es gibt gar nichts.
Auch die Grünen können sich nicht zu einem Verbot durchringen. Die Grüne Kordula Schulz-Asche sieht z. B. keine Gefahr für die flächendeckende Versorgung – notfalls könnten Apotheken doch kleine Zweig-Apos auf dem Land eröffnen.
Derweil steht Gröhe fest wie der Fels in der Brandung: Er schickt seinen Gesetzesvorschlag für ein Rx-Versandverbot zur Abstimmung ans Wirtschafts- und Justizministerium. Der „Spiegel“ wirft dem „Apothekerfreund Gröhe“ vor, er habe sich von der Apothekerlobby einflüstern lassen, den Versandhandel zu verbieten.
Während dessen macht die ABDA nette Filmchen über Patientenschicksale und entdeckt Emotionen. Da wird’s uns richtig warm ums Herz, mein liebes Tagebuch.
Dann noch eine Überraschung: Die Deutsche Parkinson Vereinigung, die von DocMorris satte Boni einstrich und uns praktisch das EuGH-Urteil einbrockte, kooperiert mit der ABDA: Sorry, liebe Apotheker, war alles nicht so gemeint, die Apotheker vor Ort sind doch besser. Mein liebes Tagebuch, na supi!
März 2017
Auch der März ist ein Monat des Ringens um das Rx-Versandverbot. Gegner bemühen das Schlagwort vom digitalen Wandel und das, was sie darunter verstehen, z. B. Internetklicks und Päckchen packen. Kassenbosse tanzen Hand in Hand mit ausländischen Versandapotheken um das Goldene Kalb Versandhandel. Dass sie dabei kleine Apotheken zertrampeln, merken sie nicht. Digitaltrunken meint der BKK-Chef, Arzneiversandhandel sei unverzichtbar.
Unsere ABDA lässt sich trotz Querelen ums Versandverbot nicht beirren und geht ihren Weg: Ein schniekes neues Apotheker-Häuschen wird in Berlin gebaut für schlappe 35 Mio. Euro. Mit Plenarsaal, Konferenzflächen und Dachterrasse, aber Hallo, vom Feinsten! Am 2. März war der Spatenstich an der Heidestraße in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs. Und in zwei Jahren sollen unsere ABDA-Oberen schon die Ledersessel ihrer neuen Büros besetzen.
Fast schon wie ein Aufatmen: Endlich, unser Präsident redet Klartext! Mit einer Pressemitteilung meldet sich die ABDA zur Blockadehaltung der SPD beim Rx-Versandverbot zu Wort: Auch inländischen Apotheken die Vergabe von Boni zu erlauben, wie es die SPD vorschlägt, sieht Schmidt mehr als kritisch und sagt: „Diese Idee ist ebenso untauglich wie gefährlich.“ Die Präsenzapotheken würden in die Rabattschlacht gezwungen. Aber das ist es, was wohl auch die Wirtschaftsweisen wollen: „Einen sanften Wettbewerb“, wie es ihr Vorsitzender Christoph Schmidt nennt. Sein grauenvoller Vorschlag: Die Kassen bezahlen den Apotheken nur noch den Großhandelseinkaufspreis und bekommen kein Honorar mehr. Die Apotheken dürfen sich dann über eine „Servicepauschale“ zwischen null und zehn Euro ihren Verdienst beim Kunden holen. Zum Glück finden solche Vorschläge keinen Niederschlag in der Politik. Aber der GKV-Spitzenverband singt dazu sein hohes Lied des Versandhandels. Wie schräg das klingt! Und der AOK-Bundesverband träumt von einem Höchstpreismodell für Arzneimittel und von Selektivverträgen – natürlich am liebsten mit ausländischen Versendern.
Die ABDA-Unterschriftenaktion „Gesundheitssystem in Gefahr“, mit der sich Apothekenkunden zur Vor-Ort-Apotheke bekennen können, geht zu Ende. Unspektakuläre 1,2 Millionen Unterschriften für die Vor-Ort-Apotheke haben Deutschlands Apotheken bei ihren Kunden eingesammelt – ob das die SPD beeindruckt? Wohl eher nicht! Die beiden SPD-Ministerien für Wirtschaft und für Justiz legen ihr Veto gegen den Gesetzentwurf von Gröhe ein, der unbeirrt weiter für ein Rx-Versandverbot kämpft.
Doch die SPD bleibt davon unbeeindruckt. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis versteckt sich sogar hinter dem Zeitgeist, als sie sagt, es sei „dem Zeitgeist geschuldet, dass wir den Rx-Versandhandel nicht einfach abschaffen können“. Selbst ein Gutachten eines Gesundheitsökonomen (Professor May), einer Politikwissenschaftlerin (Bauer) und eines Juristen (Dettling), das die Folgeszenarien nach dem EuGH-Urteil durchspielt und durchrechnet, wonach ein Preiswettbewerb für die Apotheken verheerende Auswirkungen auf die flächendeckende Versorgung bedeuten würde, scheint die SPD- und Grünen-Politiker kalt zu lassen. SPD-Wirtschaftsministerin Zypries tönt sogar: Der Rx-Versand bedroht die Apotheken nicht.
Es kommt zum Spitzentreffen von Union und SPD – mit enttäuschendem Ausgang: keine Einigung auf ein Rx-Versandverbot. ABDA-Präsident Schmidt wendet sich in einer Videobotschaft ans Apothekenvolk und spricht von einer „ganz schlechten Nachricht“ für Apotheker und Patienten.
8 Kommentare
Nadelkissen gesucht
von Bernd Jas am 01.01.2018 um 12:52 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Nadelkissen gesucht
von Peter Ditzel am 01.01.2018 um 17:27 Uhr
Hoffnung
von Reinhard Rodiger am 01.01.2018 um 12:06 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Neujahrswunsch
von Frank ebert am 31.12.2017 um 14:59 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Neujahrswunsch
von AlFreD am 02.01.2018 um 18:13 Uhr
Vom Komma zum Koma ...
von Christian Timme am 31.12.2017 um 11:58 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Alles Gute für 2018
von Thesing-Bleck am 31.12.2017 um 11:37 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das ist der Punkt:
von Karl Friedrich Müller am 31.12.2017 um 9:50 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.