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Prozess gegen Ex-ABDA-Sprecher
Erhielt die ABDA vertrauliche BMG-Entwürfe vorab?
Eine Referentin aus dem Apotheken-Referat des Bundesgesundheitsministeriums und der frühere Leiter des Rechenzentrums des Ministeriums waren am vierten Prozesstag gegen Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und den Systemadministrator Christoph H. als Zeugen geladen. Es zeigte sich: Schwer war es nicht, Informationen aus dem Ministerium abzuziehen. Und ob das wirklich strafbar ist, daran zweifeln zumindest die Verteidiger.
Am heutigen Freitag stand der vierte Verhandlungstermin in der Strafsache gegen Thomas Bellartz und Christoph H. an. Den beiden wird vorgeworfen, gemeinsam Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) ausgespäht zu haben. Bellartz soll den externen IT-Mitarbeiter des BMG beauftragt haben, für ihn Postfächer von leitenden Ministeriumsbeamten und Staatssekretären zu kopieren – dafür soll er Christoph H. Geld gezahlt haben.
Nachdem am Verhandlungstermin eine Woche zuvor der erste Zeuge aus dem BMG befragt wurde, startete der heutige Prozesstag mit einem Statement von H.`s Verteidigerin. Ihre Botschaft: Schon nach dieser ersten Vernehmung des BMG-Juristen zeichneten sich die Schwierigkeiten ab, die Strafnorm des § 202a StGB – Ausspähen von Daten – verwirklicht zu sehen. So habe es zahlreiche Speicherorte für relevante Dateien gegeben, die im Ermittlungsverfahren aber nicht in den Blick genommen worden seien.
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Auch die Aussage des Zeugen, es seien oft nur „wenige Stunden vergangen“, bis ein interner Vorgang in der Presse zu finden war, zeige, dass der Tathergang unmöglich so gewesen sein könne, wie in der Anklage geschildert. Zwar gäbe es sicher andere Möglichkeiten, wie die Interna nach außen gelangten – allerdings keine Beweise. Zudem habe es offenbar weitere Lecks gegeben. Denn einige der Informationen, die nach außen gelangt waren, seien nicht über E-Mail verbreitet worden. Nicht zuletzt, so die Anwältin, seien die Sicherheitsmaßnahmen im Ministerium selbst nach den Hinweisen des Zeugen auf mutmaßliche Lecks nicht erhöht worden.
Wo kamen die Dokumente her?
Sodann stieg das Gericht wieder in die Zeugenvernehmung ein. Bei der Befragung einer Referentin des Fachreferats Apothekenbetrieb ging es vornehmlich um eine Anhörung mit Apothekerorganisationen am 15. Juli 2010 im BMG, das bereits vorige Woche thematisiert wurde. Bei dieser Besprechung vor siebeneinhalb Jahren hatten neben der Zeugin und weiteren Kollegen des BMG-Referats auch Vertreter der Apothekerorganisationen ABDA und ADKA teilgenommen.
Die Zeugin hatte nach ihren Angaben während dieses Treffens
teilweise die Unterlagen auf den Tischen der Verbandsmitglieder sehen
können. Sie konnte sich daran erinnern, auf den Papieren eine bestimmte Tabelle,
die aus der Referats-Synopse stammen könnte, erkannt zu haben. „Sie
sah aus wie unsere, nach meinem Empfinden“, erklärte die Zeugin vor Gericht.
Sie
gab an, dass sich die Tabelle auf den Tischen der ADKA-Vertreter in Farbgebung
und Format von dem Referats-Entwurf unterschied. Dagegen war nach ihrer
Erinnerung die Gestaltung der Tabelle auf den Unterlagen der ABDA-Vertreter,
der des Referats-Entwurfs recht ähnlich.*
Sie habe im Rahmen des Meetings ADKA-Vertreter auf die Herkunft der Tabelle
angesprochen. Nach Angabe der Zeugin hätten die ADKA-Vertreter erklärt, die
Tabelle auf Basis ihrer eigenen Überlegungen erstellt zu haben. Die Zeugin habe
jedoch keine Gelegenheit gehabt, auch mit den ABDA-Vertretern über die Synopse
zu sprechen.
„Undichte Stelle war nicht bei uns“
Im weiteren Fortgang drehte sich die Befragung der Zeugin um die Dokumentation der Vertragsentwürfe innerhalb ihres Referats. Nach Angabe der Zeugin haben die Mitglieder des Referats die verschiedenen Versionen vorwiegend auf Papier abgelegt. Mitglieder der Leitungsebene hatten üblicherweise erst nach vorheriger telefonischer Anforderung Informationen über den Gesetzesentwurf von der Abteilungsleiterin des Referats per Mail erhalten. Die Dokumente hätten alle den ganz normalen Dienstweg genommen.
Allerdings: „Wenn ein Dokument unser Referat verlässt, kann ich nicht mehr nachvollziehen, wo es sich befindet“, erläuterte die Referatsmitarbeiterin. Der Zeugin waren sodann Medienberichte aufgefallen, die ihr offenbarten, dass Teile der Arbeit nach draußen gelangten. Hauptsächlich auf Apotheke Adhoc, wie sie sagte, aber auch in der Deutschen Apotheker Zeitung. „Für mich war klar, dass diese Information nicht aus unserem Referat stammen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass von uns etwas nach außen ging“, bekräftigte die Zeugin.
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*Anmerkung
der Redaktion: In dem Absatz wurde die differenzierende Zeugen-
Beschreibung der Tabellen ergänzt, um die Unterschiede klarer
darzustellen.
Bellartz-Anwalt stellt Strafanzeige
Nach der ersten Zeugenbefragung sorgte Bellartz‘ Anwalt Carsten Wegner erneut für Wirbel. Er erklärte, er habe nun Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Das hatte er bereits am zweiten Prozesstag angekündigt. Der Grund: Seines Erachtens wurden seitens der Justizbehörden Informationen an Journalisten zum Strafverfahren gegen Bellartz durchgestochen.
Zudem stellte er den Antrag, einen E-Mail-Verkehr zwischen dem NDR und einem Anwalt zu verlesen, in dem es um eine beanstandete Urheberrechtsverletzung durch eine unbefugte Bildnutzung des Senders ging: Der NDR hatte sich gegenüber Bellartz‘ Unternehmen El Pato verpflichtet, die Abbildung einer Fotografie zu unterlassen, die im Tagesthemen-Beitrag des Journalisten Markus Grill am Vorabend des ersten Prozesstags zu sehen war.
Wegner stellte den „Bilddatenklau“ des NDR auf eine Stufe mit dem mutmaßlichen „Datenklau“ aus dem Ministerium. Nun wolle er sehen, ob die Staatsanwaltschaft hier ebenso hart zugreife wie seinerzeit bei Apotheke Adhoc, wo man „ganze Server gespiegelt“ habe – oder ob es doch eine „Zwei-Klassen-Presse“ gebe. Nicht zuletzt monierte der Anwalt, dass nach wie vor nicht erkennbar sei, was Bellartz überhaupt vorgeworfen werde. Schließlich habe man weder bei ihm noch bei Apotheke Adhoc ein Dokument aus dem BMG gefunden.
Wie gelang der vermeintliche Zugriff auf die BMG-Mails?
Als zweiter Zeuge des Tages war ein Verwaltungsbeamter geladen, der ab 2006 im Referat für Informationstechnik im BMG gearbeitet und von 2010 bis 2016 das Rechenzentrum des Ministeriums geleitet hatte. Er gab einen Einblick in die IT-Struktur des BMG, die insbesondere durch zwei externe Firmen betrieben wurde. So war die Firma, bei der der Angeklagte H. beschäftigt war, für die Computersysteme an sich zuständig. Brauchte ein Mitarbeiter des Ministeriums technischen Support, so wandte er sich an H. beziehungsweise seine Kollegen. Der Zeuge schilderte sodann, wie die Administratoren Zugriff zu den privaten und öffentlichen E-Mail-Konten der BMG-Mitarbeiter finden konnten. Insgesamt zwölf Personen war dies möglich: Jeweils drei aus dem Ministerium und den beiden externen Firmen sowie drei projektbezogene Externen. Für sie hatte der Zeuge eine „Gebrauchsanweisung“ geschrieben, wie sie sich in die Postfächer der BMG-Mitarbeiter schalten konnten – natürlich für den Fall, dass sie dazu aufgefordert wurden. Aber dies sei auch möglich gewesen, wenn der eigentliche Nutzer gar nicht anwesend war, viele hätten die Spezialisten lieber alleine an ihren Computern arbeiten lassen. Grundsätzlich sei es für die Administratoren möglich gewesen, Dateien und Mails zu kopieren und in einen neuen Ordner zu verschieben, ohne dass es jemand mitbekam. Es wurde zwar protokolliert, wer der letzte Nutzer war – aber nur bis sich der nächste anmeldete.
Bei der IT-Sicherheit lag „einiges im Argen”
Während zunächst alle Administratoren auf alle E-Mail-Fächer zugreifen konnten, gab es im Juli 2009 eine Beschränkung. Das machte es den Administratoren aber nicht unmöglich, sich in die persönlichen und abteilungsinternen Laufwerke und Postfächer einzuschalten. Es war nur ein anderer Weg. Der Zeuge selbst war von den Sicherheitsmaßnahmen im BMG offenkundig nicht überzeugt. Er habe „schnell festgestellt, dass einiges im Argen liegt“. Er legte selbst ein Papier mit Vorschlägen für eine Modernisierung vor. Aber es war die Zeit, als die FDP ins Ministerium einzog, große Änderungen waren da nicht erwünscht, sondern nur solche, die „schnell und geräuschlos“ ablaufen konnten.
Sodann befragte das Gericht den Zeugen noch zu einem ganz konkreten USB-Stick, den man bei einer Durchsuchung im BMG sichergestellt hatte und den man dem Angeklagten H. zuordnete. Darauf befanden sich zwei Dateiordner: Einer mit persönlichen E-Mails und ein öffentlicher Ordner des Leitungsstabs. Für den Zeugen sah der Inhalt aus wie eine „Bestellung“. Die Inhalte seien aus einem „sehr zugeschnitten Referatskreis“ gekommen. Hätte man ein Organigramm des BMG danebengelegt, wäre das offenbar gewesen. Es ging ausschließlich um Apotheken.
Kommende Woche Freitag wird der Prozess fortgesetzt.
3 Kommentare
Abkürzungen
von Holger am 29.01.2018 um 11:39 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Abkürzungen
von Bettina Jung am 29.01.2018 um 12:01 Uhr
Freispruch!
von Andreas P. Schenkel am 26.01.2018 um 21:55 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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