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Niederlage der Verteidigung
Gericht lehnt Neustart des Zyto-Prozesses ab
Die Verteidigung des Zyto-Apothekers Peter S. hatte diese Woche beantragt, das Verfahren aufgrund einer veröffentlichten Ermittlungsakte neu aufzurollen – doch die Richter schmetterten dies als unbegründet zurück. Ein früherer Mitarbeiter schilderte, schon vor Jahren habe es Auffälligkeiten gegeben. Außerdem bestreitet ein Hexal-Mitarbeiter, er habe dem Apotheker Zytostatika schwarz Arzneimittel verkauft – doch verweigerte er zu einer anderen heiklen Frage die Aussage.
Am vergangenen Montag gab es im Verfahren um mutmaßlich unterdosierte Krebsmittel eine Überraschung: Die Verteidigung des Angeklagten Peter S. wies darauf hin, dass eine geheime Ermittlungsakte offenbar seit Monaten im Internet frei einsehbar war. Die Staatsanwaltschaft leitete deswegen ein Ermittlungsverfahren gegen einen Journalisten des Recherchebüros Correctiv ein, die Verteidigung beantragte die Aussetzung und damit den Neustart des Verfahrens. „Die Intention der Verteidigung von Peter S. ist deutlich“, erklärte Correctiv daraufhin. „Sie möchte den Prozess zum Platzen bringen, mit allen Mitteln, auch oder gerade auf Kosten von ‚Correctiv‘.“ Die Redaktion sei bestrebt, die Vorwürfe „gründlich aufzuklären“.
Am gestrigen Donnerstag hatten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, zu einer möglichen Aussetzung des Prozesses Stellung zu nehmen. Der Staatsanwalt plädierte dagegen: Eine derart gravierende Änderung der Verfahrenslage, angesichts derer die Verteidigung Zeit für eine Vorbereitung benötige „liegt nicht vor“, erklärte er. Es gebe auch keinen Anhaltspunkt, dass Zeugenaussagen hierdurch beeinflusst wurde. Auch der „Beschleunigungsgrundsatz“ stehe einem Neustart des Prozesses entgegen, da Peter S. seit über einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt.
Staatsanwalt: Keine Allianz von Medien und Nebenklägern
Anders als von der Verteidigung behauptet, sei „eine Allianz aus Medien und Nebenklagevertretern“ nicht ersichtlich, erklärte der Staatsanwalt. Er kritisierte gleichzeitig die Veröffentlichung als gravierenden Vorgang: Wer meine, mit rechtswidrigen Mitteln die Aufklärung voranzutreiben, liege falsch, erklärte er – er nehme sie nicht als Unterstützer, sondern als „Störer“ wahr. Dies gelte umso mehr, wenn Prozessbeteiligten die Kritik an der Veröffentlichung als vermeintliches Verteidigungsmanöver „in die Schuhe“ geschoben werde.
Nebenklagevertreter sprachen sich gleichfalls gegen die Aussetzung des Prozesses aus. Wenn Zeugen vom Inhalt des in den Unterlagen enthaltenen Verteidigungsschriftsatzes Kenntnis gehabt hätten, wäre es für den Anklagten „nur förderlich“ gewesen. Der Vorsitzende Richter Johannes Hidding wies daraufhin den Antrag der Verteidigung als unbegründet ab. Obwohl eine PDF-Datei einige Zeit im „World Wide Web“ abrufbar gewesen sei, sei es unwahrscheinlich, dass Zeugen oder Sachverständige hiervon Kenntnis hatten – auch da sie nicht in Presseberichten verlinkt war. In so einem großen Prozess, in dem es aktuell knapp 50 Nebenkläger gibt, müssten alle Verfahrensbeteiligten ohnehin mit Veröffentlichungen von Unterlagen rechnen und sich bei Zeugenvernehmungen hierauf einstellen.
Ein Nebenklagevertreter nutzte die Gelegenheit, um erneut die Vernehmung von Patienten bei Gericht zu beantragen, die womöglich gepanschte Krebsmittel von S. erhalten haben – bislang haben die Richter dies nicht vorgesehen. Ihm sei kein Verfahren wegen Körperverletzung bekannt, bei dem die Betroffenen nicht gehört werden, erklärte er. Hier sei außerdem das Vertrauen in die öffentliche Gesundheitsversorgung nachhaltig zerstört worden. Auch die Vernehmung der Amtsapothekerin sei klar geworden, dass die Exekutive „vollständig versagt“ habe – auch die Stadtverwaltung, Staatsanwaltschaft und Polizei. Es sei „eine unheimlich schlechte Anklageschrift herausgekommen“, kritisierte der Anwalt. „Hören sie die Geschädigten bitte“, erklärte er gegenüber den Richtern.
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