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Streitgespräch Müller vs. Dettling
„Höchstpreise wären die Atombombe für die Versorgung“
Wie viele und welche Wege gibt es, auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rx-Preisbindung zu reagieren? Und welche sind zielführend? Darüber stritten DocMorris-Vorstand Max Müller und Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling am gestrigen Freitag auf der Interpharm. Eine gemeinsame Linie fanden sie nicht – doch das dürfte auch niemand erwartet haben.
Der ApothekenRechtTag auf der Interpharm setzte in diesem Jahr einen besonderen Schlusspunkt: einen Schlagabtausch zum Thema „Kommt das Rx-Versandverbot?“. Auf dem Podium: Dr. Heinz-Uwe Dettling, Rechtsanwalt aus Stuttgart und eiserner Verfechter eines (flexiblen) Versandverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel, Max Müller, ebenfalls studierter Jurist und Chief Strategy Officer der niederländischen Versandapotheke DocMorris sowie Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags, als Moderator mit klarer Meinung.
„Es kommt wie es kommt"
Rotta fragte Müller zunächst nach seiner Gefühlslage, nachdem der Koalitionsvertrag unterzeichnet und Jens Spahn zum Bundesgesundheitsminister ernannt ist. Müller gab sich entspannt: Diese habe sich seit dem 19. Oktober 2016 nicht geändert, erklärte Müller. Ob das Rx-Versandverbot wirklich komme, könnten weder er noch Herr Dettling beantworten. Die spannende Frage sei eher: „Würde das Verbot kommen – würde es dann auch bleiben?“ Dazu gebe es höchst unterschiedliche Ansichten. Müller sieht dies gelassen: „Es kommt wie es kommt. Wir haben in den letzten Jahren 18 Jahren mit jeder Situation zu leben und zu arbeiten gelernt“.
Was den neuen Gesundheitsminister betrifft, so räumte Müller ein, dass er Jens Spahn schon viele Jahre kenne – das sei kein Geheimnis. Aber: „Kluge Unternehmer und kluge Politiker können Politik, Geschäft und Privatleben exzellent trennen“.
In der Politik in Gottes Hand
Auch Dettling gab sich vorsichtig mit seiner Einschätzung, ob der Koalitionsvertrag mehr als eine Absichtserklärung zum Rx-Versandverbot ist. Er verwies auf den gern zitierten Spruch: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand. Doch auf hoher See, so Dettling, sei man mittlerweile sehr sicher – vor Gericht und in der Politik dagegen weniger. Dennoch bleibt Dettling dabei, dass ein flexibles Rx-Versandverbot mit wenigen, rechtlich erforderlichen Ausnahmen die richtige Antwort auf das EuGH-Urteil ist. Nicht nur im eigenen Gutachten hat er das bereits begründet.
Er verwies auch auf das Gutachten zur Arzneimittelpreisverordnung im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums: Dieses zeige ebenfalls, dass die Situation ernst und zahlreiche Apotheken gefährdet seien. Dettling sieht es so: „Jedes Mal, wenn eine Solitärapotheke schließt, entsteht ein Loch in der flächendeckenden Versorgung“. Da verletze der Staat seine Pflicht, für eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung zu sorgen. Noch sei die Flächendeckung weitgehend gegeben – bislang dank des einheitlichen Abgabepreises. Doch seit dieser vor 1,5 Jahren weggefallen sei, werde das „Durchlöchern“ dramatisch beschleunigt, sagte Dettling.
Strukturprobleme haben nichts mit dem Versand zu tun
Müller räumte ein, dass es Apotheken gebe, die wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Dies liege aber zum Teil an der ungleichen Verteilung. Selbst innerhalb Berlins sei diese zu finden: So gebe es etwa in Charlottenburg eine sehr viel höhere Apothekendichte als in Lichtenberg. Und auf dem Land sei das Problem in der Regel strukturell: Die Nachfolgersuche sei schwer, die Ärzte fielen weg, Kinderbetreuung sei ein Problem – aber all dies habe „null Komma null mit dem Versandhandel zu tun“, so Müller. Und es gebe einige Möglichkeiten der Kompensation: den Botendienst, Rezeptsammelstellen und den Versandhandel. Dettling entgegnete, dass eine gute Patientenversorgung durchaus die Apotheke vor Ort benötige: Versandhandel und Rezeptsammelstellen könnten das nicht leisten.
Alternativen zum Rx-Versandverbot
Dettling erklärte weiterhin, dass mit dem EuGH-Urteil die „Geschäftsgrundlage“ für den 2004 eingeführten Versandhandel weggefallen sei – nämlich, dass „gleich lange Spieße“ für Vor-Ort- und Versandapotheken gelten sollen. Dem wiederum widersprach Müller: Es habe nie einen Deal gegeben, für den sich Versandapotheken und ABDA mit Ulla Schmidt und Horst Seehofer 2003 an einen Tisch gesetzt haben, um eine „Geschäftsgrundlage“ für den Versand zu schaffen.
Höchstpreise als Lösung?
Der DocMorris-Vorstand las vielmehr einen Auszug aus einem Kabinettsbeschluss aus dem Jahr 2006 für das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vor: Damals sollten Höchstpreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel eingeführt werden. Die Einsparungen sollten Kostenträgern und Patienten zugutekommen. Zudem sollte die Umstellung für eine „Harmonisierung“ zwischen Versand- und Vor-Ort-Apotheken sorgen. Für Müller zeigt dies: Es ist falsch, zu sagen, es gebe keinen anderen Weg als das Rx-Versandverbot. Man müsse den Weg nicht gut finden – aber es gebe ihn.
Dettling betonte, dass diese Idee seinerzeit glücklicherweise verworfen wurde. Denn aus seiner Sicht wären Höchstpreise die „Atombombe für die flächendeckende Versorgung“. Denn wovon sollte die Apotheke vor Ort und auf dem Land wirtschaftlich existenzfähig sein, wenn wir Höchstpreise haben und Versandapotheken sich rauspicken könnten, welche Rx-Arzneien sie versenden und welche nicht? Der Anwalt räumte ein, dass auch er noch einen weiteren Weg als Alternative zum Rx-Versandverbot sehe: Das Modell, wie es vor dem EuGH-Urteil bestand – Versandhandel mit Festpreisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Bleibe es dabei, brauche man auch kein flexibles Versandverbot.
Müller ließ es sich nicht nehmen, noch darauf hinzuweisen, dass die Höchstpreise, mit denen Apotheken 500 Millionen einsparen sollten, damals zugunsten eines erhöhten Kassenabschlags fallen gelassen wurden – das sei der „Deal“ zwischen der ABDA und der Politik gewesen.
Die Diskussion zeigte letztlich: Man spricht miteinander,
doch die Meinungen und Rechtsauffassungen bleiben meilenweit auseinander. Doch
Müller gab sich auch in seinem Schlusswort zuversichtlich: „Ich habe die
Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir wirklich eine Diskussion um die Zukunft von
Apotheken führen können – dazu gehören auch das Honorar, Wettbewerb und gleich
lange Spieße“. Er glaube, man könne die Apotheken im ländlichen Raum dauerhaft auch
ohne „Gießkanne“ stärken – und das im Einklang mit dem Solidarprinzip der GKV.
10 Kommentare
Conny und Pharmi
von Ulrich Ströh am 18.03.2018 um 10:00 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Conny und Pharmi
von Christian Rotta am 19.03.2018 um 12:57 Uhr
AW: Conny und Pharm
von Jens Spahn am 19.03.2018 um 18:06 Uhr
AW: Conny und Pharmi
von Ulrich Ströh am 19.03.2018 um 18:47 Uhr
Max Müller
von Martina Gailick am 18.03.2018 um 9:45 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Max Müller
von DAZ.online-Redaktion am 19.03.2018 um 13:19 Uhr
Ex Versand
von Conny am 17.03.2018 um 21:00 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
"Strukturprobleme haben nichts mit dem Versand zu tun"?
von Pharmi am 17.03.2018 um 17:28 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Warum immer DocMo
von Pharmi am 17.03.2018 um 17:18 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Faktencheck
von Dr Schweikert-Wehner am 17.03.2018 um 14:07 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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