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Diskussion um Schwangerschaftsabbrüche
Pro Familia kritisiert Frauenärzte
Der Berufsverband der Frauenärzte sieht als Ursache für die gestiegene Zahl der Schwangerschaftsabbrüche unter anderem den OTC-Switch der „Pille danach“ und die mangelhafte Beratung in den Apotheken. Die ABDA hatte dieser These vehement widersprochen. Nun stellt sich auch der Arbeitskreis Pro Familia gegen die Aussagen der Frauenärzte. Die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch sei zu komplex für einfache Erklärungen.
Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ist im Jahr 2017 gestiegen – und zwar um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. So teilt es das Statistische Bundesamt mit. Das gilt allerdings nicht für das ganze Bundesgebiet. In Baden-Württemberg zum Beispiel sank die Zahl leicht im Vergleich zum Jahr 2016. Mit 9500 Schwangerschaftsabbrüchen nahm die Anzahl um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr ab.
Dass sich insgesamt mehr Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben, hat für den Berufsverband der Frauenärzte sind (BVF) vor allem zwei Gründe, wie der Verband in einer Pressemeldung mitteilte. Zum einen der OTC-Switch der „Pille danach“ und die Beratung in den Apotheken. Aus Sicht des Verbandes waren die Pharmazeuten nicht ausreichend auf diese Aufgabe vorbereitet gewesen.
Zum anderen verweisen die Frauenärzte auf die mediale Kritik an hormonellen Verhütungsmethoden. Diese sei mit dafür verantwortlich, dass die Verkaufszahlen der „Pille“ zurückgegangen sind. Der Verband befürchtet, dass Frauen stattdessen vermehrt auf natürliche Verhütungsmethoden wie Zyklus-Apps zurückgreifen. Diese erfordern aber ein hohes Maß an Wissen über den eigenen Körper und viel Sorgfalt und Disziplin. „Es steht zu befürchten, dass die meisten Verhütungs-Apps Frauen geradewegs in unerwünschte Schwangerschaften führen“, so der Verband.
„Apotheker pauschal zu diskreditieren ist unsachlich"
Nun äußert sich auch der Arbeitskreis Pro Familia zu den Aussagen des BVF. So sei die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch ein komplexer Prozess. Einfache Antworten zu den Ursachen gebe es nicht. „Sich stereotyper Frauenbilder und fragwürdiger Kategorisierungen zu bedienen ist unsachlich und wenig zielführend“, so der Arbeitskreis weiter
Schon die ABDA hatte die These, dass es einen Zusammenhang zwischen dem OTC-Switch der „Pille danach“ und der gestiegenen Zahl an Schwangerschaftsabbrüchen als „abenteuerlich“ bezeichnet. Ebenso gebe es keine Beweise, dass die Beratung in den Apotheken mangelhaft sei. Genauso scheint das Pro Familia zu sehen. „Diese [rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“] allerdings zum jetzigen Zeitpunkt in Kombination mit einem veränderten Verhütungsverhalten für einen Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche verantwortlich zu machen und dabei den ganzen Berufsstand der ApothekerInnen pauschal zu diskreditieren, um die Interessen des eigenen Verbandes zu verteidigen, ist unsachlich und letztlich nicht akzeptabel.“
Rezeptflicht führt nicht automatisch zu einer besseren Beratung
Pro Familia betont, dass die Quote an Schwangerschaftsabbrüchen mit 58 pro 10.000 Frauen im Jahr 2017 unter der von 2010 liegt. Damals unterlag die „Pille danach“ noch der Rezeptpflicht. Bei den Frauen im Alter von 15 bis 20 Jahren sei die Quote zudem kontinuierlich rückläufig, was der BVF unerwähnt ließ. Die Behauptung, dass die Rezeptpflicht bei der „Pille danach“ zu einer besseren Beratung führe, sei ebenso „verwegen“ wie die These, dass der „Switch“ zu einem riskanteren Sexualverhalten geführt habe.
Einig sind sich Pro Familia und BVF darin, dass fahrlässiges Verhütungsverhalten zu ungewollten Schwangerschaften führe, was der Arbeitskreis auch durch Befragungen in Schwangerschaftskonfliktberatungen feststellen konnte. Die Gründe für dieses Verhalten seien aber spekulativ, wie Pro Familia weiter mitteilt. Die „Pille danach“ wurde jedoch in den wenigsten Fällen aus dem Befragtenkollektiv genommen.
„Es ist anmaßend, Frauen generell die Kompetenz abzusprechen"
Die Aussage, dass Frauen, die sich gegen eine hormonelle Verhütung entscheiden, damit ungewollte Schwangerschaften in Kauf nehmen, sei eine Unterstellung, so Pro Familia weiter. Zwar hatte erst kürzlich der medizinische Arbeitskreis von Pro Familia NRW vor Verhütungs-Apps gewarnt und darauf hingewiesen, dass Aufklärung notwendig ist. Jedoch mache der Arbeitskreis die Erfahrung, dass junge Frauen, die nicht hormonell verhüten wollen, sich sehr differenziert mit ihrem Körper und seinen zyklischen Abläufen auseinandersetzen wollen. Frauen aufgrund der medialen Kritik um hormonelle Kontrazeptiva und des daraus entstehenden merklichen Wandels generell die Kompetenz abzusprechen, sei deshalb „unangebracht und anmaßend.“
Weiterhin bleiben weitere Einflussfaktoren vom BVF völlig unerwähnt. Dazu zählen laut Pro Familia neben demografischen Faktoren auch die Flüchtlingskrise mit der Zuwanderung einer nicht unerheblichen Zahl an Frauen im gebärfähigen Alter. Ebenso sollten auch der Einfluss des soziokulturellen Status auf das Verhütungsverhalten in Betracht gezogen werden. „Langfristige, sehr sichere Verhütungsmittel müssen auch für Frauen mit niedrigem Einkommen finanzierbar sein“, so der Arbeitskreis.
Zum Schluss betont Pro Familia, dass jede Frau eine selbstbestimmte, informierte Entscheidung treffen sollte, welche Verhütungsmethode für sie geeignet ist. Der Arbeitskreis setzt sich deshalb für eine sachliche und unabhängige Beratung ein. „Unsachliche Argumentationen und unausgereifte, eigennützige Interpretationen der Statistik sind dabei fehl am Platz“, findet Pro Familia.
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