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Handlungsempfehlungen
Risikomanagement der Apotheken im Pandemiefall
Vor 100 Jahren wütete die sogenannte Spanische Grippe und kostete Millionen Menschen weltweit das Leben. Die Folgen sind heutzutage kaum mehr vorstellbar – ausgeschlossen sind Pandemien aber nicht. Wie können sich Apotheken auf den Fall der Fälle vorbereiten? Welches Risikomanagement sollten sie betreiben?
Die Grippepandemie 1918/19 – die sogenannte Spanische Grippe – kostete Millionen Menschen das Leben. Die Mediziner taten alles, was in ihrer Macht stand und was dem damaligen Wissensstand entsprach. Vieles davon wird auch heute noch empfohlen: die Isolation Erkrankter, allgemeine Hygienemaßnahmen wie häufiges Händewaschen und das Vermeiden der Weiterverbreitung durch Schließen von Schulen, Theatern und anderen Orten mit hohem Publikumsverkehr. Doch es fehlten im Gegensatz zu heute wirksame medikamentöse Behandlungen und die Möglichkeit der Prophylaxe durch Impfungen. Im Unterschied zu früher wissen wir heutzutage nicht nur mehr – wir können uns vor allem besser vorbereiten.
Apotheken finden ausführliche Hinweise zum Risikomanagement im Falle einer Influenzapandemie in einer von der Bundesapothekerkammer und in Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) herausgegebenen Informationsbroschüre. DAZ online hat die wichtigsten Tipps und Informationen zur Pandemieplanung zusammengestellt.
Pandemieplanung – Vorbereitung ist alles
Im Falle des Falles ist vor allem schnelles und zielgerichtetes Handeln wichtig. Bei einer Influenzapandemie bedeutet das in erster Linie, bereits Erkrankte medizinisch und pharmazeutisch zu versorgen und möglichst eine weitere Ausbreitung des Infuenzavirus zu unterbinden. Jede Apotheke sollte sich – am besten mit Hilfe eines individuell angepassten Risikomanagements – auf eine solche Pandemiesituation vorbereiten. Rechtzeitige Vorbereitung ist das A und O, denn keiner kann eine Pandemie vorhersagen.
Pandemien werden normalerweise ausgelöst durch neuartige Viren beziehungsweise ausgeprägte Mutationen bekannter Viren. Immunitäten in der Bevölkerung liegen dementsprechend
noch nicht vor oder fallen zu gering aus. Das Virus kann sich schnell
ausbreiten. Passendere Impfstoffe müssen meist erst entwickelt werden. Auf diese Gemengelage sollten Apotheken vorbereitet
sein. In einem Notfallplan sollten die Apothekenleiter Verantwortlichkeiten und
Betriebsabläufe schon im Vorfeld festlegen – und diese regelmäßig
aktualisieren.
Vorbereitende Maßnahmen | Ziel im Pandemiefall |
---|---|
Identifizierung und Priorisierung der Aufgaben, einschließlich zusätzlich anfallender Aufgaben | Apothekenbetrieb aufrechterhalten / Versorgung der Bevölkerung sicherstellen |
Organigramm | Zuständigkeiten festlegen |
Kommunikationsplan | Informationen erhalten / Kommunikation nach außen aufrechterhalten |
Liste mit zusätzlich zu aktivierenden Mitarbeitern (Springern) | Personalplanung bei hohem Krankenstand |
Anfahrtsmöglichkeiten des Personals | Personalplanung bei Ausfall öffentlicher Verkehrswege |
Gefährdungsbeurteilung (§4 BioStoffV) | Schutz der Mitarbeiter vor einer Infektion |
Warenbestandsliste Pandemiefall | Warenbestand optimieren mit pandemierelevanten Arzneimitteln, Medizinprodukten und Desinfektionsmitteln |
Eigenbedarfsplanung der Apotheke | Arbeitsschutz durch z.B. Mund-Nasen-Schutz und Handschuhe für Personal / Desinfektionsmaßnahmen planen |
Herstellung Oseltamivir-Lösung | Herstellungsanleitung für alle verfügbar machen. Einweisung der zuständigen Mitarbeiter. |
Gefährdungsbeurteilung (§6 GefStoffV) | Schutz der Mitarbeiter im Falle der Herstellung einer Oseltamivir-Lösung |
Zubehörplanung für Herstellung Oseltamivir-Lösung | Ausreichende Bevorratung |
Quelle: eigene Darstellung nach Vorgaben „Influenzapandemie – Risikomanagement in Apotheken“ |
Influenzapandemie – Herausforderung für alle
Eine Pandemie ist eine Ausnahmesituation für alle – eine angstbesetzte zudem. Apothekenleiter müssen bedenken, dass ein Spagat zwischen Patientenversorgung, Information der Bevölkerung zum Infektionsschutz und über mögliche Krankheitsrisiken, Expositionsschutz der Mitarbeiter und Eindämmung einer weiteren Infektionsausbreitung zu bewerkstelligen ist. Sinnvoll ist deshalb unter anderem eine Ausweitung der Möglichkeiten zur Bestellung von Medikamenten per Telefon, Mail, Fax oder online. Eine möglicherweise verängstigte Bevölkerung wird zudem diese Bestellmöglichkeiten sehr gerne in Anspruch nehmen. Die Personalplanung sollte darauf ausgelegt sein und einen Anstieg an Bestellungen entgegennehmen und bearbeiten können. Auch Botendienste müssen ausreichend zur Verfügung stehen. Der Handverkauf wiederum sollte auf ein Mindestmaß beschränkt werden, um die Frequenz direkter Kundenkontakte aus Infektionsschutzgründen zu senken.
Während einer Influenzapandemie müssen Apotheken nicht nur mit einem erhöhten Kundenaufkommen rechnen, sondern sich gleichzeitig auch auf einen höheren Krankenstand einstellen. Es ist somit ratsam, Listen mit Kontaktdaten von möglichen Springern anzulegen. Zudem müssen alle personellen Ressourcen eingeplant werden. Die Aufgaben zur Aufrechterhaltung des Betriebsablaufes müssen identifiziert und priorisiert werden und sich durch eine Pandemie zusätzlich ergebende Aufgaben mitbedacht werden.
Warenbestandsplanung für den Pandemiefall
Während einer Influenzapandemie wird sich auch der Warenfluss verändern. Es ist mit einem erhöhten Bedarf an antiviralen Arzneimitteln, Medikamenten zur symptomatischen Influenzatherapie, Antibiotika, Medizinprodukten wie Fieberthermometern, Atemschutzmasken und Einmalhandschuhen und darüber hinaus auch Desinfektionsmitteln zu rechnen. Der Warenbestand sollte entsprechend optimiert werden.
Doch nicht nur die Bevölkerung benötigt vermehrt Desinfektionsmittel und Medizinprodukte, auch die Eigenbedarfsplanung der Apotheke ist ein wichtiger Punkt. Die im direkten Kundenkontakt stehenden Mitarbeiter sollten sich nicht scheuen, zum Beispiel Atemschutzmasken oder Einmalhandschuhe als Infektionsschutz zu tragen. Verkaufsflächen und Fußböden müssen regelmäßig gesäubert und desinfiziert werden. Diese Abläufe sollten im Vorfeld bedacht und schriftlich festgehalten werden.
Antivirale Arzneimittel – medikamentöse Option zu Beginn der Pandemie
Eine Therapie der Influenza ist in begrenztem Maße durch antivirale Medikamente möglich. Zugelassene Wirkstoffe sind in Deutschland: Amantadin, Oseltamivir und Zanamivir. Mediziner müssen abwägen, ob und für wen der Einsatz dieser Medikamente in Frage kommt. Neben der Virulenz, Übertragbarkeit und Sensibilität der Erreger muss vor allem eine Nutzen-Risiko-Abwägung für jeden einzelnen Patienten getroffen werden. Wichtig: Eine rechtzeitige Einnahme muss spätestens 36 bis 48 Stunden nach Beginn der Symptome erfolgen. Genaue Angaben zu Wirksamkeit und Verträglichkeit können dem Kapitel 9 des Nationalen Pandemieplanes Teil II entnommen werden.
Bedingt durch schnelle Resistenzbildungen wird der prophylaktische Einsatz von Amantadin nicht mehr empfohlen. Ohnehin wirkt Amantadin nur gegen Influenza A. Bei einer Prophylaxe mit Neuraminidasehemmern ist hingegen mit einer Ansprechrate von 70-90 Prozent zu rechnen. Oseltamivir und Zanamivir werden auch im Nationalen Pandemieplan zur Prophylaxe empfohlen. Diese Empfehlung gilt allerdings nur solange es noch keine bevölkerungsweite Übertragung gibt. Wichtig ist auch hier der schnelle Einsatz – bis spätestens 48 Stunden nach Kontakt mit Erkrankten.
Im Pandemiefall kann es zudem erforderlich sein, dass Apotheken Oseltamivir-Lösungen herzustellen müssen. Dies ist jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt und hängt von den jeweiligen Pandemieplänen ab. Es ist deshalb ratsam, sich schon im Vorfeld bei der zuständigen Apothekerkammer über die genauen Voraussetzungen und Erfordernisse zu informieren.
Gefährdungsbeurteilung – unabdingbarer Mitarbeiterschutz
Da es sich bei Influenzaviren um Biostoffe handelt, stellen die Bestimmungen der Biostoffverordnung (BioStoffV) Grundlage des Arbeitsschutzes dar. Mitarbeiter müssen nach Möglichkeit vor einer Infektion geschützt werden. Der Apothekenleiter ist laut §4 Biostoffverordnung (BioStoffV) verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen – und im Anschluss geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Gerade im direkten Kundenkontakt besteht eine erhöhte Gefährdung. Auch das Botenpersonal ist gefährdet und ist in die entsprechenden Schutzvorkehrungen mit einzubeziehen.
Der Apothekenleiter muss nach vorgenommener Gefährdungsbeurteilung eine Betriebsanweisung erstellen, die sämtlichen Beschäftigen bekannt sein muss. Sie sollte zudem jederzeit einsehbar sein. In dieser Anweisung müssen die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren benannt und erforderliche Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln festgelegt werden. Auch an Unfälle und Betriebsstörungen sollte gedacht werden und Erste-Hilfe-Maßnahmen dargelegt werden. Zudem stellt eine sachgerechte Dekontamination von mit Influenzaviren in Berührung gekommenen Geständen eine wichtige Maßnahme zum Mitarbeiterschutz dar.
Weiterhin ist eine Gefährdungsbeurteilung nach §6 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) durchzuführen, falls in der Apotheke Oseltamivir-Lösungen hergestellt werden. Oseltamivir ist ein Gefahrstoff und ist als solcher zu behandeln. Der Apothekenleiter ist verpflichtet, alle notwendigen Informationen über den zu verarbeitenden Gefahrstoff einzuholen. Im Anschluss muss er auf dieser Grundlage eine Einschätzung der Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten vornehmen und eine entsprechende Betriebsanweisung erarbeiten. Sie muss in der Apotheke bekannt und zugänglich ausgelegt sein.
2 Kommentare
@Ch. Patzelt
von Gerhard Zück am 15.03.2018 um 23:43 Uhr
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Moment mal!!!
von Christiane Patzelt am 15.03.2018 um 12:24 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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