Prozess um mögliche BMG-„Spionage“

„Datendiebstahl ist ja keine Kleinigkeit“

Berlin - 16.03.2018, 18:20 Uhr

Der Prozess gegen Thomas Bellartz und Christoph H. vor dem Berliner Kriminalgericht könnte sich noch bis in den Sommer hinziehen. (Foto: P. Külker)

Der Prozess gegen Thomas Bellartz und Christoph H. vor dem Berliner Kriminalgericht könnte sich noch bis in den Sommer hinziehen. (Foto: P. Külker)


Im Prozess gegen den früheren ABDA-Pressesprecher Thomas Bellartz und den IT-Techniker Christoph H. sagten am heutigen Freitag die Phagro-Geschäftsführerin Bernadette Sickendiek sowie ein Referatsleiter des Bundesgesundheitsministeriums aus. Das Gericht diskutierte unter anderem über die Motivlage des Informanten, der das Ministerium über mögliche „Abflüsse“ aufmerksam gemacht hat. Der Prozess könnte sich noch bis in den Juli verzögern.

Am heutigen Freitag war erneut die Geschäftsführerin des Großhandel-Verbands Phagro, Bernadette Sickendiek, geladen, die – anders als bei einer ersten Vernehmung – mit einer Anwältin als Zeugenbeistand bei Gericht erschien. Nachdem Bellartz' Verteidiger ihre erste Aussage kritisiert hatte, klärte der Vorsitzende Richter Frau Sickendiek darüber auf, dass sie die Aussage verweigern könnte, um sich nicht selbst zu belasten – „für den Fall das es so ist“, dass sie zuvor vorsätzlich falsche Aussagen gemacht hat. Leicht klären ließ sich Verwirrung um einen Termin im August 2010 im Bundesgesundheitsministerium (BMG): Dieses war zunächst für den 3. August geplant, wurde später jedoch auf den Folgetag verschoben – was sich anhand einer Reisekostenabrechnung nun nachvollziehen ließ.

Bellartz-Prozess

„Datenklau“-Verfahren

Bellartz-Prozess

Bezüglich der in der vorherigen Vernehmung unerwartet angesprochenen Kartellrechtsverfahren erklärte die Phagro-Geschäftsführerin, dass sie nicht gedacht habe, dass sie über ihr bekannte Presseberichte aussagen müsste: Sie hatte nur ein Verfahren in den 1980er Jahren erwähnt, nicht aber weitere nach der Jahrtausendwende. Beruflich habe sie mit den Ermittlungen der Wettbewerbsbehörden nichts zu tun gehabt, erklärte sie heute.

Sickendiek: Keine offene Rechnung mit Bellartz

Sickendiek bestritt auch, eine offene Rechnung mit Herrn Bellartz zu haben. Ohnehin sei sie nicht nachtragend – und Bellartz „als Person nicht wichtig genug“. Die Phagro-Vertreterin stellte klar, dass sie neben einem Verfahren Ende der 1980er Jahre auch über Verfahren vor gut zwölf Jahren sowie über derzeit laufende Ermittlungen des Bundeskartellamts aus der Presse erfahren hat. „Aus eigener Wahrnehmung“ könne sie zu diesen Verfahren nichts sagen, erklärte Sickendiek. Der von der Verteidigung hergestellte Zusammenhang, sie habe sich wegen kritischer Berichterstattung auch des Apotheke-Adhoc-Chefredakteurs Alexander Müller rächen wollen, sei „abstrus“, erklärte die Phagro-Geschäftsführerin: Sie habe keinen Anlass, jemand anzuschwärzen. Das Gericht lud Müller für kommenden Freitag als Zeugen – und schloss ihn daher als Prozessbeobachter aus.

Polizei beschlagnahmt Ordner beim Phagro

Der Verteidiger von Bellartz befragte Sickendiek näher zu Telefonaten mit BMG-Mitarbeitern – und zu einem Ordner, den der Phagro kürzlich wiedergefunden hat. In diesem soll sich auch ein unautorisierter Entwurf der Apothekenbetriebsordnung befinden. Etwas Dramatik kam im Gerichtssaal auf, als das Gericht bekanntgab, einen Polizisten zum Phagro geschickt zu haben, um den Ordner in Gewahrsam zu nehmen. „Der Beamte ist schon unterwegs“, erklärte der Staatsanwalt, der eine gute Stunde später den Ordner entgegennahm.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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