Neue deutsche Asthma-Leitlinie

Cortison ist erste und letzte Wahl

Stuttgart - 03.04.2018, 15:00 Uhr

Keine Angst vor Cortison – das gilt zumindest solange der Wirkstoff inhaliert wird. (Foto: Orawan / stock.adobe.com)

Keine Angst vor Cortison – das gilt zumindest solange der Wirkstoff inhaliert wird. (Foto: Orawan / stock.adobe.com)


Bis Ende des Jahres 2016 sollte sie erscheinen, die neue S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Asthma. Ende des Jahres 2017 wurde sie nun publiziert. Sie ersetzt die alte Version aus dem Jahr 2006. Bereits 2016 berichtete die DAZ über die erwarteten Änderungen. Wurde alles umgesetzt? 

Im Wesentlichen gleicht die neue deutsche S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Asthma den aktuellen GINA-Reports (Global initiative for asthma). Noch vor dem endgültigen Erscheinen, wurde viel über die kommenden Änderungen gesprochen. Erwartet wurde vor allem, dass schon ab Stufe eins eine niedrig dosierte Dauertherapie mit einem inhalativen Glucocorticoid (ICS) begonnen werden kann. Aufgenommen wurde die niedrig dosierte ICS-Therapie in Stufe eins nun als „Option“, in Stufe zwei als "erste Wahl". Sie kann also schon ab Stufe eins erwogen werden. Bei Bedarf werden weiterhin sowohl in Stufe eins als auch in zwei kurz wirksame Beta-2-Agonisten (SABA) empfohlen. Die SABA-Therapie sollte durch die ICS-Therapie ergänzt werden, wenn die Beschwerden nicht nur gelegentlich auftreten oder nicht nur kurz andauern (seltener als zweimal pro Monat, wenige Stunden).

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Wird die Bedarfsmedikation aus Stufe eins häufiger als zweimal pro Woche über drei Monate benötigt, sollten die Empfehlungen nach Stufe zwei befolgt werden. Für Stufe zwei wurden keine Änderungen erwartet. Als Basistherapie sollte ein niedrig bis mittel-hoch dosiertes ICS als Monosubstanz zum Einsatz kommen. In der neu veröffentlichten Leitlinie werden ICS bis Stufe zwei in niedriger Dosis empfohlen. Ab Stufe zwei soll also stets eine regelmäßige Langzeittherapie mit ICS erfolgen, als zweimal tägliche oder auch als Einzeldosis.

Wenn eine ICS-Therapie nicht möglich ist, ist der Leukotrienrezeptor-Antagonist Montelukast eine Alternative, (bei den meisten Patienten jedoch weniger effektiv). Montelukast ist in dieser Indikation als Monotherapie in Deutschland nur für Kinder zugelassen. Für Erwachsene kann eine Kombination mit einem langwirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) schon in Stufe zwei erwogen werden, wenn sie bislang nicht mit einer regelmäßigen Erhaltungstherapie behandelt wurden. Dadurch wird zwar nicht das Exazerbationsrisiko reduziert, aber Symptomatik und Lungenfunktion werden verbessert.

Asthma-Stufentherapie für Erwachsene nach Leitlinie
1. Wahl Andere OptionenBei Bedarf
Stufe einsNiedrige ICS-Dosis erwägenSABA 
Stufe zweiniedrige Dosis ICSLTRA
Stufe dreiNiedrige Dosis ICS und LABAMittlere bis hohe ICS-Dosis, ICS plus LTRASABA oder niedrig dosiertes ICS plus Formoterol
Stufe vierMittlere bis hohe Dosis ICS und LABAplus Tiotropium, hohe ICS-Dosis plus LABA oder LTRA
Stufe fünfAdditiv zu Stufe vier: Tiotropium oder BiologikumNiedrigste effektive Dosis oraler Corticoide

Neu ab Stufe drei ist, wie erwartet, dass alternativ zum SABA eine Fixkombination aus einem (niedrig dosierten) inhalativem Glucocorticoid (Budesonid oder Beclomethason) und Formoterol auch als Bedarfstherapie eingesetzt werden kann ((S)MART: (Single inhaler) Maintenance And Reliever Therapy). Ansonsten soll in Stufe drei als Basis bevorzugt eine freie oder fixe Kombination aus einem niedrigdosierten ICS und einem inhalativen langwirkenden Beta-2-Agonisten(LABA; Formoterol, Salmeterol) eingesetzt werden – alternativ können (weniger häufig effektiv) auch ICS allein in mittlerer bis hoher Dosis verordnet werden. Bei Erwachsenen ist jedoch meistens die Kombination mit einem zweiten Wirkstoff der Erhöhung der ICS-Monotherapie vorzuziehen: Die antiasthmatische Wirkung steigt nicht zusätzlich mit den ICS-Dosen, wohl aber das Nebenwirkungsrisiko. Allerdings besteht laut Leitlinie eine klare Beziehung zwischen der Höhe der ICS-Dosis und der Prävention schwerer Exazerbationen. 

LABA sollen im Gegensatz zu ICS nicht allein verordnet werden, sondern nur in Kombination mit ICS. Als Alternative zu LABA ab Stufe drei sollten LTRA (Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten) eingesetzt werden. In begründeten Fällen, darf Theophyllin mit verzögerter Wirkstofffreisetzung bei Erwachsenen noch verordnet werden. Das langwirksame Anticholinergikum Tiotropium ist laut Leitlinie ebenfalls eine Alternative zum LABA, wenn dieser schwere Nebenwirkungen auslöst. In Deutschland ist Tiotropium in dieser Indikation nicht zugelassen, jedoch in anderen Ländern. 

Biologika ab Asthma-Therapie-Stufe fünf

In Stufe vier des Therapie-Schemas erhalten Patienten eine freie oder fixe Kombination aus mittel- bis hochdosiertem ICS plus LABA als erste Wahl (und SABA bei Bedarf). Gleichwertig ist die fixe Kombination eines niedrig dosierten ICS mit Formoterol zur Langzeit- und Bedarfstherapie (SMART). Die Zweifachkombination kann gegebenenfalls mit Tiotropium ergänzt werden, wenn die Asthma-Kontrolle trotz ICS/LABA-Behandlung (ab 800µg Budesonid pro Tag) ungenügend ist, und im letzten Jahr eine Exazerbation aufgetreten ist.

Eine weitere Option ist die Kombination aus hoher ICS-Dosis mit LABA oder LTRA. Nur in begründeten Fällen darf Theophyllin mit verzögerter Freisetzung alternativ oder additiv gegeben werden. Eine hochdosierte ICS/LABA-Kombination kann für drei bis sechs Monate versucht werden, wenn mit einer mittleren ICS/LABA-Dosis und einem dritten Langzeittherapeutikum (Tiotropium, Montelukast oder einem Theophyllin-Präparat mit verzögerter Wirkstoff-Freisetzung) keine ausreichende Asthma-Kontrolle erzielt werden kann. 

Wie erwartet, kommen ab Stufe fünf Biologika zum Einsatz. Additiv zu den Medikamenten der Stufe vier sollen Tiotropium und/oder Biologika (Anti-IgE oder Anti-IL5) bei partiell kontrolliertem oder unkontrolliertem Asthma eingesetzt werden (sofern die Indikation für diese Präparate erfüllt wird). Das bedeutet eine Abkehr von oralen Glucocorticoiden in Stufe fünf, wie erwartet

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Nur, wenn Biologika nicht indiziert sind, nicht ausreichend wirken oder alle anderen Therapieoptionen in Stufe vier und fünf ausgeschöpft sind, sollen noch systemische Glucocorticoide empfohlen werden. Begründet wird das mit der Gefahr schwerer Nebenwirkungen. Lässt sich der Einsatz nicht vermeiden, soll dauerhaft oder intermittierend die niedrigste noch effektive Dosis der systemischen Glucocorticoide verordnet werden.

Omalizumab (gegen Immunglobulin E gerichteter Antikörper) wird bei schwergradigem allergischem Asthma empfohlen, das durch eine Stufe 4-Therapie nicht adäquat zu kontrollieren ist. Jedoch sprechen nicht alle Patienten mit schwerem allergischem Asthma darauf an. Gleichzeitig kann es auch bei Patienten ohne Allergienachweis wirksam sein, zugelassen ist Omalizumab dafür aber nicht. 

Mepolizumab und Reslizumab richten sich gegen Interleukin-5. Sie werden ab 18 Jahren bei schwergradigem eosinophilen Asthma empfohlen, das durch eine Stufe 4-Therapie nicht kontrolliert wird. Auch hier sprechen nicht alle Patienten auf die Therapie an.

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Asthma-Kontrolle und Schweregrade

Ziel der Therapie ist die Erhaltung der Asthma-Kontrolle, mit so wenig und niedrig dosierten Wirkstoffen wie möglich. Sie soll also regelmäßig überprüft werden. Die Einschätzung der Asthmakontrolle stützt sich auf die Beschwerden des Patienten:

Grad der Asthma-Kontrolle nach LeitlinieKontrolliertes Asthma bei Erwachsenen Teilweise kontrolliertes Asthma bei ErwachsenenUnkontrolliertes Asthma bei Erwachsenen
 ein bis zwei Kriterien erfülltMindestens drei Kriterien erfüllt
Symptome tagsübermaximal zweimal pro Wocheüber zweimal pro Woche
Symptome nachts keinejedes Symptom
Bedarfsmedikationmaximal zweimal pro Wocheüber zweimal pro Woche
Aktivitätseinschränkungkeinejede Einschränkung
FEV1normalvermindert
Exazerbationkeinemindestens einmal pro Jahrin der aktuellen Woche

Weil der Schweregrad der Erkrankung sich nach dem Therapie-Ansprechen richtet, kann er nicht bei Erstdiagnose bestimmt werden. Der Schweregrad ist somit eine variable Größe. Bei einem Patienten mit schwerem Asthma und guter Asthma-Kontrolle unter intensiver Therapie kann zum Beispiel scheinbar ein niedriger Asthma-Schweregrad vorliegen.

Asthma-SchweregradCharakteristika nach Leitlinie
LeichtGute Asthmakontrolle unter Medikation der Stufen eins oder zwei erreichbar
MittelgradigGute Asthmakontrolle unter Medikation der Stufen drei oder vier erreichbar
SchwerNicht gut kontrolliertes Asthma unter hoch-dosierter ICS-LABA-Therapie, oder Verlust der Asthma-Konrolle bei Reduktionsversuch; Therapie-Stufe fünf ist notwendig

Die Therapie soll immer wieder neu evaluiert werden. Wird initial keine ausreichende Krankheitskontrolle erreicht (zum Beispiel innerhalb eines Monats), sollten sowohl die Behandlung als auch die Therapieadhärenz überprüft und auch die Diagnose überdacht werden.

Auch die Nationale Versorgungsleitlinie Asthma mit dem Stand vom 01.07.2011 wird derzeit überarbeitet, sie war bis zum 31.12.2014 gültig.

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Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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