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„Datenklau“-Verfahren
Erinnerungslücken, Umschläge und Geldübergaben im Bellartz-Prozess
Im Prozess gegen Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und den IT-Administrator Christoph H. hat das Gericht am heutigen Freitag eine erste vorläufige Bewertung abgegeben: Die Angeklagten müssten damit rechnen, dass ein Ausspähen von Daten teilweise bejaht wird. Bellartz‘ Verteidiger verfolgt allerdings eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen. Außerdem ging es erneut um brisante Mails über Umschläge und Geldübergaben. In der kommenden Woche soll ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz aussagen.
Im Strafprozess gegen den früheren ABDA-Pressesprecher und heutigen Geschäftsführer von Apotheke Adhoc Thomas Bellartz und den IT-Administrator Christoph H. wegen mutmaßlichen „Datenklaus“ aus dem Bundegesundheitsministerium (BMG) gab der Vorsitzende Richter am heutigen Freitag eine erste vorläufige rechtliche Einschätzung der 1. Strafkammer ab. Dabei schickte er voraus, dass der Straftatbestand des Ausspähens von Daten (202a StGB) bei Gericht „nicht gang und gäbe“ sei und auch noch keine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu bestehe. Dennoch müssten die Angeklagten damit rechnen, dass die Kammer ihn hier bejahen wird. Allerdings nur soweit persönliche Postfächer betroffen sind. Konkret geht es um drei der insgesamt 40 angeklagten Fälle, bei denen die E-Mail-Postfächer von verschiedenen Ministerialbeamten und Staatssekretären ausgespäht worden sein sollen. Die anderen Fälle betreffen Referats-Postfächer. Bei diesen spreche viel dafür, dass der Tatbestand nicht erfüllt sei, so der Vorsitzende. Denn dafür müsste eine „Zugangssicherung“ überwunden worden sein, die es für die IT-Administratoren nicht gab. Auch der angeklagte Straftatbestand nach dem Bundesdatenschutzgesetz sei „möglicherweise erfüllt“.
„Datenklau“-Verfahren
Bellartz-Prozess
Der Vorsitzende Richter will sich offenbar auf die zwei oder drei Taten der Anklage konzentrieren, die diese persönlichen Postfächer betreffen. Hinsichtlich der übrigen 37 oder 38 Fälle stellte er in den Raum, dass eine Einstellung denkbar ist (§ 154 StPO). Man könnte diese anderen Taten dann allerdings noch pauschal berücksichtigen, wenn es am Ende um die Höhe der Strafe geht.
Bellartz‘ Anwalt Prof. Dr. Carsten Wegner hingegen regte eine Verständigung an. Er verwies auf die lange Verfahrensdauer. Auch deshalb könne er sich eine „Einstellung nach § 153a StPO vorstellen“ – also gegen Weisungen oder Auflagen, etwa eine Geldzahlung. Voraussetzung ist bei einer solchen Verfahrenseinstellung unter anderem, dass es sich um kein besonders schweres Delikt, sondern nur um ein Vergehen handelt und dass alle Prozessbeteiligten sich einig sind. Der Staatsanwalt erklärte, er werde diese Anregung weiterleiten und besprechen, stellte aber noch keine Zustimmung in Aussicht.
H.‘s Verteidiger Nikolai Venn betonte zwar, dass er die Rechtslage im Hinblick auf das Ausspähen von Daten anders sieht – nämlich, dass der Tatbestand auch bei den privaten Postfächern nicht erfüllt ist – zeigte sich aber auch offen für eine Einstellung gegen Auflagen. H ist überdies wegen Einbruchsdiebstahls und dem Besitz kinderpornografischer Schriften angeklagt. Doch das stehe einer Einstellung nicht entgegen, erklärte Venn – zumal der Einbruch nicht erwiesen sei.
Keine Erinnerungen an „Umschlag versus Geld“
Zudem kam es am heutigen Verhandlungstag zu weiteren Zeugenaussagen. Zwar sagte nicht der Chefredakteur von Apotheke Adhoc, Alexander Müller, aus. Dafür erschien Linda H., die seit Sommer 2011 für El Pato beschäftigt ist und zwischendurch auch für Bellartz‘ Kommunikationsagentur Neuspree Media tätig war. Seit Anfang dieses Jahres ist sie Leiterin für Personal und Finanzen bei El Pato, zuvor Office Managerin. „Ich arbeite gerne bei El Pato“, erklärte sie. Bellartz sei ein „toller Chef“.
Auf Nachfrage des Vorsitzenden erklärte sie die Firmenstrukturen. Etwa dass 2011 Patrick Hollstein und Elke Hinkelbein, Bellartz‘ frühere Ehefrau, Geschäftsführer waren, Bellartz dagegen bei Neuspree Media. Sie schilderte, wie die Unternehmen, die zuvor gemeinsam in der Schumannstraße in Berlin ansässig waren, umziehen mussten, nachdem die Ermittlungen gegen Bellartz öffentlich wurden. In dieser Zeit seien auch viele Mitarbeiter entlassen worden. Von Transaktionen im Zusammenhang mit dem angeklagten Datendiebstahl will die Zeugin nichts gewusst haben. Sie habe insbesondere keine Umschläge als Botin übergeben. Gefragt, ob sie eine Frau S. kenne – eine ABDA-Mitarbeiterin, die bereits im Prozess als Zeugin ausgesagt hatte – konnte sich Linda H. zunächst nicht erinnern. Die Erinnerung kam auch nicht so recht wieder, als der Vorsitzende ihr aus ihrer eigenen polizeilichen Vernehmung von damals vorlas – dass sie die ABDA-Mitarbeiterin Frau S. nämlich zwei oder drei Mal in der Schumannstraße gesehen habe. Der Richter bemühte auch nochmals eine SMS, die Bellartz an besagte ABDA-Mitarbeiterin geschrieben hatte und die auch dieser schon vorgehalten wurde. Danach sollte „Linda“ besagter ABDA-Mitarbeiterin einen „US“ zukommen lassen – vermutlich einen „Umschlag“, wie die Polizei aus den vorherigen SMS schloss. Linda H. wusste auch damit nichts anzufangen.
Damit aber noch nicht genug: Der Vorsitzende Richter verlas dann eine sichergestellte E-Mail von Bellartz an seine El Pato-Kollegen Patrick Hollstein und Elke Hinkelbein aus dem Juli 2011. Darin hieß es, es sei wieder ein Paket „mit vertraulichen Infos“ angekommen. Hollstein und Hinkelbein sollten bitte 600 Euro abheben und den „Umschlag versus Geld“ tauschen. Diese Übergabe solle besser nicht durch Hollstein und Hinkelbein selbst erfolgen, sondern besser durch „Corina oder Linda“. Sie sollten anonym einen „Typen“ unter einer angegebenen Handynummer anrufen und eine Übergabe am Berliner Ensemble vereinbaren. Aber auch hier offenbarte die Zeugin Linda H. Erinnerungslücken: „Das sagt mir alles nichts“ erklärte sie. „Mit Übergaben habe ich nie etwas zu tun gehabt“.
Bellartz redet erstmalig im Prozess – über Geld
Als der Vorsitzende Richter die Zeugin zu Bellartz‘ Einkünften befragen wollte, intervenierte dessen Verteidiger: Das könne das Gericht doch seinen Mandanten selbst fragen. Tatsächlich hatte sich Bellartz bis dahin aber noch gar nicht eingelassen, auch nicht zu seinen persönlichen Verhältnissen. Informationen hierzu sind für das Gericht zum Beispiel wichtig, wenn es um die Bemessung einer Geldstrafe geht. Die Zeugin erklärte ebenfalls, sie fühle sich „unwohl“, wenn sie so vertrauliche Informationen preisgeben müsse. Dazu sagte der Vorsitzende Richter, dass hier ihre Zeugenpflichten solche Bedenklich eigentlich schlagen – beließ es aber dabei.
Tatsächlich äußerte sich Bellartz dann aber selbst – und ergriff damit zum ersten Mal seit Prozessbeginn das Wort. Auf die Fragen des Richters erklärte er, dass er derzeit ein monatliches Bruttogehalt von 12.500 Euro als Geschäftsführer bei El Pato beziehe, weitere 2500 Euro als Neuspree Media-Geschäftsführer. Netto seien das etwa 7000 bzw. 1200 oder 1300 Euro monatlich. Weitere Einkünfte habe er nicht. In seiner Zeit als ABDA-Angestellter hatte er ebenfalls „um die 12.000 Euro brutto“ im Monat. Zwischenzeitlich – nach der Berichterstattung über die Ermittlungen gegen ihn im Dezember 2012 – habe er allerdings auf alle Einkünfte verzichten müssen. Etwa ein halbes Jahr gänzlich, dann habe er weitere 1,5 bis 2 Jahre monatlich 3000 bis 3500 Euro zur Verfügung gehabt. Große Werbekunden seien damals weggefallen - und Werbung ist die wesentliche Einnahmequelle für Apotheke Adhoc. Auch die Aufträge der Neuspree Media – er hatte etwa den Paraolympioniken Henrich Popow sowie den Prothesenhersteller Otto Bock unter Vertrag – „lösten sich in Luft auf“. Nach drei Durstjahren sei es bei Apotheke Adhoc jedoch wieder bergauf gegangen.
Am 10. April wird weiter verhandelt. Als Zeuge geladen ist dann unter anderem ABDA-Geschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz.
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