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„Recht und Ordnung“-Debatte
Gabriel: Fehlende Apotheken werden als Staatsversagen interpretiert
Der ehemalige Vizekanzler Sigmar Gabriel hat sich um die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) losgetretene „Recht und Ordnung“-Debatte eingemischt. In einem Gastkommentar im Berliner „Tagesspiegel“ schreibt der Ex-Minister über den Kontrollverlust des Staates. Dass Bürger den Eindruck eines „Staatsversagens“ erhalten, liegt laut Gabriel auch an der rückgängigen Apothekenzahl.
Das Interview von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Schweizer „Neue Zürcher Zeitung“ beschäftigt weiter die Bundespolitik. Auf die Frage, wie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat verloren ging, erklärte der Minister: „Tja, das ist eine komplexe Frage. Vertrauen ging massiv mit der Flüchtlingsfrage verloren, aber nicht nur. Die Aufgabe des Staates ist es, für Recht und Ordnung zu sorgen. Diese Handlungsfähigkeit war in den letzten Jahren oft nicht mehr ausreichend gegeben.“ Als Beispiel nennt Spahn, dass die Verwaltung zwar in Steuerfragen sehr effizient funktioniere. Aber: „Bei Drogendealern, die von der Polizei zum zwanzigsten Mal erwischt werden, scheinen die Behörden aber oft ohnmächtig.“
Unmittelbar nach diesen Äußerungen wurde Spahn von vielen seiner Kollegen heftig kritisiert. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles forderte vom Minister, sich mehr seiner Aufgabe im Gesundheitsministerium zu widmen und auch Katrin Göring-Eckardt, die Grünen-Fraktionschefin, erklärte, dass Spahn sich um andere Dinge kümmern solle. Überraschenden Zuspruch in zumindest einigen Punkten erhält Spahn nun vom Ex-Minister Sigmar Gabriel. Der niedersächsische SPD-Politiker hatte im neuen Regierungskabinett keinen neuen Platz bekommen, verfügt aber noch über ein Bundestagsmandat.
In einem Gastkommentar im „Tagesspiegel“ mit dem Titel „Wo Jens Spahn recht hat – und wo nicht“, geht er auf die Äußerungen des Gesundheitsministers ein. Gabriels Kernthese: „Mit seinen Äußerungen zum Kontrollverlust des Staates hat Jens Spahn eine richtige Debatte entfacht. Doch er schweigt zu den Ursachen.“ In seinem Beitrag begrüßt es Gabriel zunächst, dass viele politische Diskurse immer weniger von „politischer Korrektheit“ und mehr von wirklichen Problemen beherrscht werden. Gabriel wörtlich: „In diesem Sinn erleben wir hoffentlich gerade das Ende der Zeit ‚politischer Korrektheit‘. Schlimm genug, dass uns die Rechtspopulisten zwingen, über Teile der Wirklichkeit zu reden, die wir bislang gern im liberalen Diskurs ausgeblendet haben oder von denen wir dachten, wir könnten sie im Stillen bewältigen. Wir sind diesen Teilen der deutschen (und europäischen) Wirklichkeit zu lange ausgewichen.“
„So viel Markt wie möglich, aber so viel Staat wie nötig"
Die von Spahn losgetretene Debatte um die innere Sicherheit und den Kontrollverlust der Politik bezeichnet der Ex-Vizekanzler daher als „richtig und notwendig“. Der SPD-Politiker beobachtet weiterhin zwei „unterschiedliche Realitäten“ in Deutschland: Gut geordnete Lebensbereiche einerseits und eine immer stärkere „Segregation“ andererseits, beispielsweise zwischen Stadt und Land, Ost- und Westdeutschland sowie auch schon zwischen einzelnen Stadtteilen. Um dem „neuen Konservatismus“ des Jens Spahn zu begegnen, ist es aus Gabriels Sicht falsch, diese unbequemen Realitäten schlichtweg auszublenden und einfach immer nur auf das Gute im Land zu schauen.
Aber nicht in allen Punkten stimmt Gabriel dem CDU-Politiker Spahn zu. Vielmehr beschwert er sich darüber, dass er die Debatte um den Kontrollverlust des Staates stets auf die innere Sicherheit bezieht. Denn neben diesen Punkten ist den Bürgerinnen und Bürgern auch in anderen Bereichen ein präsenter Staat wichtig, zu dessen Aufgaben gehöre nämlich auch die „angemessene Daseinsvorsorge“. Und als eines der Beispiele in diesem Bereich zählt Gabriel auf: „Wenn 20 Prozent der deutschen Gemeinden weder eine Schule, einen Hausarzt, eine Apotheke noch einen Laden oder auch nur eine Bushaltestelle haben, dann gehört das für die dort lebenden Menschen auch zum ‚Staatsversagen‘. Kein Wunder also, wenn ganze Landstriche die AfD zur stärksten politischen Kraft machen, weil nach Finanzamt, Amtsgericht, geburtshilflicher Abteilung nun auch das ganze Krankenhaus geschlossen werden soll.“
Der Ex-Minister kommt dann aber zu dem Schluss, dass es gerade Politiker mit einem „neoliberalen Zeitgeist“ wie Jens Spahn sind und waren, die sich stets über einen zu aufgeblähten Staat beschweren. Und deswegen erklärt Gabriel: „Wer aber Jahrzehnte am Staat spart, der darf sich nicht wundern, wenn es am Ende zu wenig Lehrer, Polizisten, Staatsanwälte und Richter gibt.“ Es reiche also nicht, die Rechtspopulisten schlichtweg zu „übertönen“, wie Gabriel schreibt. Vielmehr müsse man den Staat an den genannten Stellen wieder stärken. Gabriels Schlusswort: „So viel Markt wie möglich, aber so viel Staat wie nötig, um Daseinsvorsorge, Chancengleichheit, menschenwürdiges Altern ebenso sicherzustellen wie nachhaltige Integration, den Schutz der Grenzen und der inneren Sicherheit.“
3 Kommentare
Staatsversagen?
von Holger am 11.04.2018 um 8:28 Uhr
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Falsche Ecke - tun nur so ! war ja das Ziel und hat die Vernichtung ja ermöglicht !
von Ratatosk am 10.04.2018 um 18:33 Uhr
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Gabriel
von conny am 10.04.2018 um 14:54 Uhr
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