„Recht und Ordnung“-Debatte

Gabriel: Fehlende Apotheken werden als Staatsversagen interpretiert

Berlin - 10.04.2018, 11:30 Uhr

Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel erklärt in einem Gastkommentar beim Tagesspiegel, dass sich das Staatsversagen nicht immer nur auf Bereiche der inneren Sicherheit bezieht, sondern auch auf die Daseinsvorsorge, unter anderem in der Arzneimittelversorgung. (Foto: Imago)

Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel erklärt in einem Gastkommentar beim Tagesspiegel, dass sich das Staatsversagen nicht immer nur auf Bereiche der inneren Sicherheit bezieht, sondern auch auf die Daseinsvorsorge, unter anderem in der Arzneimittelversorgung. (Foto: Imago)


Der ehemalige Vizekanzler Sigmar Gabriel hat sich um die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) losgetretene „Recht und Ordnung“-Debatte eingemischt. In einem Gastkommentar im Berliner „Tagesspiegel“  schreibt der Ex-Minister über den Kontrollverlust des Staates. Dass Bürger den Eindruck eines „Staatsversagens“ erhalten, liegt laut Gabriel auch an der rückgängigen Apothekenzahl.

Das Interview von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Schweizer „Neue Zürcher Zeitung“ beschäftigt weiter die Bundespolitik. Auf die Frage, wie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat verloren ging, erklärte der Minister: „Tja, das ist eine komplexe Frage. Vertrauen ging massiv mit der Flüchtlingsfrage verloren, aber nicht nur. Die Aufgabe des Staates ist es, für Recht und Ordnung zu sorgen. Diese Handlungsfähigkeit war in den letzten Jahren oft nicht mehr ausreichend gegeben.“ Als Beispiel nennt Spahn, dass die Verwaltung zwar in Steuerfragen sehr effizient funktioniere. Aber: „Bei Drogendealern, die von der Polizei zum zwanzigsten Mal erwischt werden, scheinen die Behörden aber oft ohnmächtig.“

Unmittelbar nach diesen Äußerungen wurde Spahn von vielen seiner Kollegen heftig kritisiert. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles forderte vom Minister, sich mehr seiner Aufgabe im Gesundheitsministerium zu widmen und auch Katrin Göring-Eckardt, die Grünen-Fraktionschefin, erklärte, dass Spahn sich um andere Dinge kümmern solle. Überraschenden Zuspruch in zumindest einigen Punkten erhält Spahn nun vom Ex-Minister Sigmar Gabriel. Der niedersächsische SPD-Politiker hatte im neuen Regierungskabinett keinen neuen Platz bekommen, verfügt aber noch über ein Bundestagsmandat.

In einem Gastkommentar im „Tagesspiegel“ mit dem Titel „Wo Jens Spahn recht hat – und wo nicht“, geht er auf die Äußerungen des Gesundheitsministers ein. Gabriels Kernthese: „Mit seinen Äußerungen zum Kontrollverlust des Staates hat Jens Spahn eine richtige Debatte entfacht. Doch er schweigt zu den Ursachen.“ In seinem Beitrag begrüßt es Gabriel zunächst, dass viele politische Diskurse immer weniger von „politischer Korrektheit“ und mehr von wirklichen Problemen beherrscht werden. Gabriel wörtlich: „In diesem Sinn erleben wir hoffentlich gerade das Ende der Zeit ‚politischer Korrektheit‘. Schlimm genug, dass uns die Rechtspopulisten zwingen, über Teile der Wirklichkeit zu reden, die wir bislang gern im liberalen Diskurs ausgeblendet haben oder von denen wir dachten, wir könnten sie im Stillen bewältigen. Wir sind diesen Teilen der deutschen (und europäischen) Wirklichkeit zu lange ausgewichen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eckt mit Aussagen zur inneren Sicherheit an

„Gebt ihm endlich eine Aufgabe“

Nahles und Göring-Eckardt

Spahn wird Eigenprofilierung vorgeworfen

Umstrittene Äußerungen zu Hartz IV

Linke und AfD giften gegen Jens Spahn

Videobotschaft von Gabriele Regina Overwiening an Jens Spahn

„Volle Rückendeckung“

3 Kommentare

Staatsversagen?

von Holger am 11.04.2018 um 8:28 Uhr

Ich habe nicht den Eindruck, dass dem Ex-Minister in dieser Aufzählung die besonderen Rahmenbedingungen der Apotheken präsent sind, wenn er sie mit Hausarzt und insbesondere "Laden" auf eine Stufe stellt. Schulen - das ist Staatangelegenheit. Alles andere ist doch entweder marktwirtschaftliche Angelegenheit (Laden, Apotheke), Frage der Selbstverwaltung (Hausarzt) oder meinetwegen im Rahmen des ÖPNV noch sowas wie "halbstaatlich".

Die Ursache der in der Fläche zurückgehenden Apothekenzahlen ist meines Erachtens NICHT der Rx-Versandhandel, sondern die Tatsache, dass sich in der Innenstadtlage mehr Geld verdienen lässt als auf dem Dorf.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Falsche Ecke - tun nur so ! war ja das Ziel und hat die Vernichtung ja ermöglicht !

von Ratatosk am 10.04.2018 um 18:33 Uhr

Man staunt, Gabriel hat natürlich im Hinblick auf die Bürger recht. Staatversagen ist aber zu hinterfragen, da es ja klarer Wille ist Apotheken zugunsten von großkapitalistischen Ketten zu vernichten, siehe Proffessore Lauterbach, Ulla und die Grünen, auch die FDP wenn sie was zu sagen hätten,, dieses Ziel ist eigentlich klar erreicht worden, der Bürger hat nur den Schaden !
Er selbst hätte ja mit klarer Ansage für flächendeckende Versorgung durchaus Schaden reparieren können, so sind es nur leere Worte.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Gabriel

von conny am 10.04.2018 um 14:54 Uhr

Welcher Partei gehört Gabriel an ? Richtig,der Saudischen Partei Deutschland, die gegen ein RX- Versandverbot vehement gekämpft hat. Von den Doc-Morris Spargelfahrten ganz zu schweigen. Gabriel ist ein Fähnchen im Wind.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.