Wie ändert sich der Schluckvorgang im Alter?
- Muskelkraft und Muskelmasse nehmen ab,
- Sensorik und Koordination verschlechtern sich,
- reduzierte Elastizität des Bindegewebes.
Levodopa und Selegilin, Pramipexol, Biperiden: Mit Rezepten über diese Arzneimittel kommen Parkinson-Patienten in die Apotheke – oder ihre Angehörigen. Doch: Wie klappt überhaupt das Schlucken dieser Medikamente? Wie können Apotheker ihren Parkinson-Patienten mit Schluckstörungen und Dysphagie helfen?
Am heutigen Welt-Parkinson-Tag rückt die neurodegenerative Erkrankung Morbus Parkinson, die immerhin rund 220.000 Patienten in Deutschland trifft, in das Bewusstsein der Bürger. Vielleicht nicht von allen, aber zumindest von Patienten, deren Angehörigen, Ärzten, Apothekern und Interessierten.
Woran denken
Sie beim Parkinson-Syndrom zu allererst? Das Pharmakologiebuch lehrte uns im
Studium: Rigor, Tremor, Akinese, posturale Instabilität. Und als Ursache: Der Untergang
dopaminerger Neurone in der Substantia nigra.
Diese Kardinalsymptome dominieren
fraglos das äußere Bild eines Parkinson-Patienten – doch auch auf feineren,
nicht unmittelbar ins Auge fallenden Ebenen kämpfen Parkinson-Patienten mit den
Folgen der neurodegenerativen Erkrankung.
Die motorischen Störungen treffen mitnichten nur die Skelettmuskulatur. In der Regel fällt Parkinson-Patienten ab einem bestimmten Krankheitsstadium auch das Schlucken schwer – von Nahrung, aber auch von Arzneimitteln. Parkinson trifft allermeist ältere Patienten, und mit zunehmendem Lebensalter steigt auch die Prävalenz der neurodegenerativen Erkrankung. Bei betagteren Patienten erfährt der Schluckvorgang bereits rein physiologisch eine Degeneration – und Parkinson verschärft diese altersbedingte Dysphagie noch zusätzlich.
Die Folgen
von Dysphagien reichen von „einfachem“ Verschlucken bis zu Aspirationspneumonien
oder Malnutritionen – fällt das Essen schwer, nehmen Patienten automatisch
weniger Nahrung zu sich. Bei Parkinson-Patienten kann aufgrund der Erkrankung
das Schmecken und Riechen eingeschränkt sein – was den Appetit bremst und einer
geringen Nahrungsmittelzufuhr zusätzlich in die Karten spielt.
Bezogen auf eine Arzneimitteltherapie können Schluckbeschwerden die Wirksamkeit
der Medikamente beeinträchtigen, beispielsweise wenn die Tablette oder Kapsel
„hängenbleibt“. Das verändert nicht nur die Pharmakokinetik und –dynamik,
sondern reizt unter Umständen auch lokal die Schleimhäute.
Diese Schwierigkeiten betreffen natürlich nicht isoliert die Parkinsonmedikation – häufig sind die Patienten multimorbide, und sie erhalten zusätzlich Arzneimittel gegen Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen oder ein Antibiotikum als Akutmedikation.
Parkinson-Patienten mit dysphagealen Störungen empfehlen die Experten der Leitlinien „Idiopathisches Parkinson-Syndrom“ als nicht-medikamentöse Maßnahme eine logopädische Schlucktherapie. Liegt eine hypokinetische Dysphagie vor, versuchen Ärzte teilweise mit einer Optimierung der dopaminergen Medikation den Schluckvorgang zu verbessern.
Fällt das Schlucken fester oraler Arzneimittel schwer, gilt der erste Blick der Apotheke der Lauer-Taxe: Gibt es den verordneten Wirkstoff auch in flüssiger Darreichungsform? Als Schmelztablette vielleicht, Granulat oder Brausetablette? Als pharmazeutischer Unternehmer hat sich Infectopharm im dysphagealen Bereich mit „Geriasan“ spezialisiert, um damit den Bedürfnissen von Patienten mit Schluckstörungen gerecht zu werden. Geriasan bietet beispielsweise die Wirkstoffe Gabapentin und Metformin als Lösung zum Einnehmen an (Gabaliquid® Geriasan, Metfoliquid® Gerisan). Roche bietet mit Madopar® LT lösliche Tabletten mit den Wirkstoffen L-Dopa und dem Decarboxylasehemmstoff Benserazid
Einfacher wird es auch, wenn sich Tabletten zur erleichterten Einnahme mörsern oder Kapseln öffnen lassen und deren Inhalt in viskösere Lebensmittel eingerührt wird. Ist hier eine häufige Empfehlung Joghurt oder Pudding, sollte der Parkinson-Patient – so er L-Dopa zerkleinert hat – andere breiförmige Speisen bevorzugen. Eine gleichzeitige Einnahme von L-Dopa mit proteinreichen Lebensmitteln vermindert die Resorption der Aminosäure-Vorstufe.
Auch gelöste Pulver oder Granulate schlucken Patienten für gewöhnlich leichter in angedickter Form – das kann breiförmige Nahrung sein (Apfelmus, Kartoffelpüree, Pudding oder Joghurt) oder auch spezielles Andickungspulver. Fresenius vermarktet hier Thick & EasyTM Instant Andickungspulver. Nutricia ist äquivalent mit Nutilis® Powder Dickungspulver im Markt. Eine etwas zähere Konsistenz hat beispielsweise auch Bananensaft.
In Deutschland ist das Produkt Medcoat® Schluckhilfe (Lebensmittel) auf dem Markt. Es handelt sich um ein hochviskoses Überzugsmaterial, das auch für Kinder Schluckerleichterung bringen soll. Der Überzug aus Maltitol, Gelatine und pflanzlichem Fett enthält außerdem ein Geschmack-korrigierendes Zitronenaroma. Der Tablettenzerfall soll durch den Überzug nicht therapierelevant verzögert werden.
Die Überzugsmasse ist in einer Art Blisternapf enthalten, den der Patient (nach Entfernen der Folie) mit der Tablette durchsticht und sie anschließend hindurchschiebt. Eine Packung mit zehn Blisternäpfen reicht für zehn große oder 20 kleinere Tabletten. Der aktuelle Lauer-Preis liegt bei 4,89 € (Stand: 11.04.2018).
Bei Schluckprobleme von Tabletten, Dragees und Kapseln können auch spezielle Trinkbecher helfen. In deren Mundstück befindet sich eine Art Gitter, in das die Tablette eingelegt werden kann (zum Beispiel oralflo.com).
Mit einfachen Kniffen können Patienten sich das Tabletten- oder Kapselschlucken erleichtern. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, den Kopf am Besten in den Nacken zu legen, gelingt das Schlucken einer Kapsel leichter, wenn Patienten den Kopf leicht nach vorne neigen. Die leichtere Kapsel schwimmt auf dem Wasserspiegel und löst bei Berührung mit dem Rachen den Schluckreflex aus. Bei Tabletten empfehlen Arzneimittelexperten häufig die Pop-Bottle-Methode – diese eignet sich jedoch nicht für Patienten mit neurologischen Schluckstörungen.
Diese Tipps zu einer erleichterten Einnahme von Arzneimitteln verhindern nicht unbedingt eine Aspiration der Medikamente. Das gelingt tatsächlich am ehesten, indem die Konsistenz der verabreichten Zubereitung auf Breiniveau gebracht wird. Was auch die Aufnahme von Nahrung erleichtert, wenn es sie auch nicht in jedem Fall appetitlicher oder attraktiver für den Patienten macht.
Was Apotheker ihren Parkinson-Patienten aber zusätzlich empfehlen können – Mahlzeiten mit der Tabletteneinnahme zu koordinieren. Das ist in Bezug auf proteinreiche Kost (Quark, Hüttenkäse, Fisch, Fleisch, Linsen) und L-Dopa ohnehin zu beachten. Der Abstand sollte hier 30 Minuten bis 1 Stunde nach Tabletteneinnahme sein. Bei maximaler Wirkung der Arzneimittel fällt zudem auch der Schluckvorgang leichter, was das Verschlucken und das Risiko von Aspirationspneumonien entschärft.
Anticholinergika zählen nicht zu den Mitteln der ersten Wahl zur Behandlung eines idiopathischen Parkinsons. Auch sollten sie bei geriatrischen Patienten nicht verordnet werden. Es gibt Hinweise, dass die Wirkstoffgruppe ein erhöhtes Risiko für Konfusionen und Halluzinationen mit sich bringt. Leiden Parkinson-Patienten vielfach unter einem vermehrten Speichelfluss, kann eine anticholinerge Therapie als unerwünschte Arzneimittelwirkung das Gegenteil bewirken und zu Mundtrockenheit führen (laut Fachinformation: selten, < 1/10.000) – das erschwert wiederum den Schluckakt.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.