Interview mit der „Apotheken Umschau“

Friedemann Schmidt erklärt das Apothekensterben

Berlin - 15.05.2018, 17:30 Uhr

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärt in einem Interview mit der „Apotheken Umschau“, warum aus seiner Sicht die Apothekenzahl so drastisch sinkt. (Foto: Schelbert)

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärt in einem Interview mit der „Apotheken Umschau“, warum aus seiner Sicht die Apothekenzahl so drastisch sinkt. (Foto: Schelbert)


Warum sinkt die Apothekenzahl immer weiter? Ist es wirklich der Versandhandel, dessen zunehmende Marktanteile die Apotheken erdrücken? Sind es die „aussterbenden“ Landärzte? Im Interview mit der „Apotheken Umschau“ erklärt ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, warum es aus seiner Sicht zum „Apothekensterben“ kommt. Einen einzelnen Grund sieht auch Schmidt nicht, in jedem Fall sei aber die Politik mitverantwortlich. Und: Wenn die Apotheker nicht wieder an ihre eigene Zukunft glauben, werde der Versandhandel das Feld übernehmen.

Dass die Apothekenzahl seit Jahren sinkt, ist unumstritten: Während es 2010 noch mehr als 21.400 Apotheken in Deutschland gab, lag die Zahl im vergangenen Jahr bei 19.748 – der tiefste Stand seit 1990. Die Apothekenzahl sinkt regional unterschiedlich schnell, einige ländliche Regionen sind besonders betroffen, wie etwa Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein, wo etwa 10 Prozent der Apotheken weggefallen sind, teils auch für die Versorgung immens wichtige Solitärapotheken.

Über die Ursachen dieser Entwicklung wird gestritten. Die Apotheker machen auch den Versandhandel dafür verantwortlich, weil zumindest die EU-Versender nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung preislich gesehen freie Fahrt haben. In der Tat konnte beispielsweise DocMorris sowohl im Rx- als auch im OTC-Bereich in den vergangenen Monaten stark zulegen. Der Marktanteil des Versandhandels im Rx-Bereich liegt aber nach wie vor bei rund einem Prozent. Die EU-Versender selbst bestreiten auch, dass sich das groß ändern wird und behaupten, dass es andere, teils gesellschaftliche Gründe für die sinkende Apothekenzahl gibt, wie etwa die demografische Entwicklung, den Weggang der Ärzte aus ländlichen Regionen oder der zu hohe Wettbewerbsdruck innerhalb der Apothekerschaft.

Schmidt: Apotheker finden keine Nachfolger

In einem Interview mit der „Apotheken Umschau“ hat ABDA-Präsident Friedemann Schmidt nun seine Sicht der Dinge erklärt. Einer der Gründe, warum die Selbstständigkeit nicht mehr so attraktiv wie früher für die Pharmazeuten ist, liegt aus seiner Sicht in einer demografischen Entwicklung. „Die Apotheker der Babyboomer-Generation nähern sich dem Rentenalter und finden oft keine Nachfolger“, erklärt der ABDA-Präsident. Auch qualifizierte Fachkräfte wie pharmazeutisch-technische Assistenten und pharmazeutisch-kaufmännische  Angestellte seien zunehmend schwerer zu finden. Durch den Ärzteschwund werde das noch weiter verschärft.

Ein großes Problem sieht der ABDA-Präsident aber auch in der gesellschaftlichen Debatte rund um das Thema „Apotheke“. Schmidt wörtlich: „Während in der Öffentlichkeit noch immer die Mär von den Apothekenpreisen kursiert, sind wir schon lange von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt.“ Und weiter: „Kein Wunder, dass junge Kollegen kein Vertrauen mehr in die Zukunft haben.“ Hinzu komme immer häufiger die Diskussion, „wozu es denn überhaupt noch Apotheken vor Ort braucht, wo man doch heute alles im Internet bestellen kann.“

Schmidt: Mehr Perspektiven für Selbstständige

Eine große sachliche Baustelle sieht Schmidt nach wie vor in dem Zustand, der sich durch das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung ergeben hat. Immer noch hofft der ABDA-Präsident auf die Umsetzung des Koalitionsvertrages, in dem Union und SPD festgehalten hatten, dass sie sich für ein Rx-Versandverbot einsetzen wollen. „Um bei rezeptpflichtigen Medikamenten wieder einheitliche Preise herzustellen, brauchen wir ein generelles Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel“, so Schmidt.

Diese Forderung der Apotheker hat die Politik aber nach wie vor nicht umgesetzt. Vielleicht auch deswegen kommt der ABDA-Präsident zu dem Schluss, dass die Politik zumindest eine Teilschuld an der sinkenden Apothekenzahl hat. „Wenn so viele Apotheker keine Perspektive mehr für eine Existenz als Selbstständige sehen, liegt das nicht nur am scharfen Wettbewerb, sondern leider auch an den politischen Rahmenbedingungen“, erklärt der ABDA-Präsident in dem Interview.

„Sonst haben wir dem Versand bald nichts mehr entgegenzusetzen“

An den neuen Bundesgesundheitsminister hat Schmidt aber noch weitere Forderungen: „Neben der Beschränkung des Versandhandels auf verschreibungsfreie Medikamente  brauchen wir neue Modelle, wie sinnvolle zusätzliche Versorgungsleistungen der Apotheken finanziert werden können. Und wir brauchen mehr Ausbildungsplätze für den Nachwuchs.“ Der Apothekerberuf müsse für junge Leute wieder attraktiver werden. Und weiter: „Ohne Vertrauen in die Zukunft werden wir dem Versandhandel bald nichts mehr entgegensetzen können.“ Wie die Apotheker dieses Vertrauen zurückgewinnen sollen, dazu äußert sich Schmidt nicht.

Im Umschau-Interview kommt auch Apotheker Erik Modrack zu Wort, der im Vorstand der Landesapothekerkammer Hessen sitzt. Auch Modrack warnt davor, dass der Versandhandel die Funktion der Apotheken insbesondere in ländlichen Regionen immer weiter übernehmen will: „Der Versandhandel braucht das Apothekensterben, damit dann in unterversorgten Gebieten ein Markt für ihn entsteht“, sagt er. „Daher ist jedes vor Ort eingelöste Rezept auch eine Stimme für die Apotheke vor Ort.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Friedemann und das Vertrauen

von Heiko Barz am 16.05.2018 um 17:23 Uhr

Auf jedem der letzten Apotage gab es eine "flammende" Rede des Vorsitzenden teilweise mit standing Ovation. Und das Auditorium, so war die allgemeine Stimmung, faßte wieder neuen Mut mit der Hoffnung auf Veränderungen. Leider verschwand aber F.S. sofort wieder aus der Öffentlichkeit und ließ sein "Fußvolk" ahnungslos und immer verzweifelter in den Niederungen ihrer der pharmazeutischen Basisarbeit zurück.
Das soll nun Vertrauen schaffen, wenn F.S. quasi von J.S. Einen Maulkorb verpaßt bekam?
Ps. Ich habe mir eben das "Traktat 2030" nochmals vorgenommen, ich glaube, dass man dazu nun gar nichts mehr sagen kann!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Apothekensterben

von Dr. Schweikert-Wehner am 16.05.2018 um 10:44 Uhr

Es ist ganz einfach:
Ulla Schmidt hat die Axt in den Wald gebracht. Seither isses Essig mit Nachhaltigkeit. Jetzt nach Jahren fallen die Bäume um, wie von Ökonomen vorausgesagt.

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Apotheker ist plural und zielt auf den Apothekerstand

von Mehr Mut zur Gemeinschaft am 16.05.2018 um 9:31 Uhr

Eine Apothekerin in ihrer Apotheke ... ein jahrhundertealtes und gutes Bild. Leider ist Einer = Keiner und politisch zählt die Masse. Durch die individuelle Denkweise gehen wir immer von "Eine(r) muss es schaffen" aus. Falsch!
Erst seitdem Ärzte auch mal streiken, also in der Gemeinschaft auftreten, ist politisch etwas Bewegung in das ärztliche Honorar gekommen. Apothekenstreik ist so unwahrscheinlich wie Männerschwangerschaft. Es gibt daher keine Pille für den Mann - und politisch keine Rücksicht auf Apothekerinterressen.

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Der Fisch stinkt vom Kopf !!!

von Thorsten Dunckcel am 16.05.2018 um 9:21 Uhr

Ich habe sehr wohl Vertrauen in meine Apotheke, in meine Arbeit, in mein Team und nicht zuletzt auch Vertauen in meine Kunden/Patientendie wiederum uns als erste Anlaufstelle in Gesundheitsfragen sehen.
Wem, Herr Schmidt, vertrauen Sie? Wohl keinem!!! Oder wie ist Ihr Totschweigen in sämtlichen Belangen zu verstehen. Vieleicht sollten SIE sich einmal in einem Coaching zu vertrauensbildenden Maßnahmen schulen lassen. Da wird sicher als erster Punkt auftauchen die breite Basis ins Vertrauen zu ziehen.
Wie sollen wir denn arbeiten wenn man gefühlt "von oben" hängen gelassen wird.So lange SIE die Basis nicht in Ihr Vertrauen ziehen, werden SIE ALLEIN den Niedergang des deutschen Apothekenwesens zu verantworten haben. Teamwork sieht anders aus!
Mit freundlichen Grüßen aus meiner "Land-Bude"

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Mein lieber FS,

von gabriela aures am 15.05.2018 um 22:34 Uhr


was bringt denn auf lange Sicht ein Rx-VV, wenn zukünftig durch weitere politische Beschneidungen die Kosten des Betriebes nicht gedeckt werden ?

Vertrauen zahlt keine Kredite.
Hingabe zahlt keine Löhne, selbst wenn man bereit ist, jahrelang auf private Lebenszeit zugunsten des Betriebes zu verzichten.
Banken überlegen sich gut, ob sie den Kauf finanzieren, wenn sie im Gegenzug keinen Zugriff auf das Wohnhaus bekommen, das Rating von „Apotheken“ ist mittlerweile unterirdisch (aber Immobilien gehen immer :-) ).

Und ganz ehrlich : wenn ich 250.000 € „übrig“ habe, dann versenke ich die sicher nicht in eine unsichere wirtschaftliche Zukunft, sondern in bleibende Werte.

Genial auch, wie Sie so en passant den ApothekerInnen den schwarzen Peter zustecken :“Ohne Vertrauen in die Zukunft werden wir dem Versandhandel bald nichts mehr entgegensetzen können“.
Was soll denn das ?
Das ist doch eine ganz platte Durchhalte -Parole...

Im Übrigen fehlt mir die Bereitschaft der Standesvertretung, ihren Anteil zur Vertrauensbildung beizutragen .
Stichwort: Entbürokratisierung.
Da gäbe es einiges zu tun ( siehe Kollege Müller),aber das wird bekanntlich grundsätzlich und rundweg abgelehnt.

Wenn ich parallel dazu noch lese, daß die AG Honorar seit 7 Jahren offensichtlich vorrangig „Ringelpietz mit Anfassen“ veranstaltet und die Ergebnisse denen eines montäglichen Stuhlkreises entsprechen, dann darf man sich in Berlin (Lindenstraße) nicht über mangelndes Vertrauen wundern !

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