- DAZ.online
- News
- Politik
- Gegenwind für ...
Initiativen der Grünen und Linken
Gegenwind für Tabakwerbeverbot von Union, AfD und FDP
Grüne und Linke sind sich einig – wenn Deutschland den Jugendschutz ernst nehmen will, muss die Tabakaußenwerbung verboten werden. Beide Parteien haben in die heutige Debatte Anträge auf ein Tabakwerbeverbot eingebracht und erhielten wenig Unterstützung. Zwar sprach sich auch ein Redner der SPD inhaltlich für ein Werbeverbot aus, allerdings verwies er auf den Koalitionszwang für die Sozialdemokraten.
Jährlich
sterben in Deutschland 120.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Und
Zigarettenplakate verführen zur Sucht. Doch weshalb ist in Deutschland als
einziges EU-Land die Tabakaußenwerbung noch erlaubt? Nachdem bisherige Anläufe
für ein gesetzliches Werbeverbot scheiterten, nehmen die Grünen und Linken im
Bundestag einen neuen Anlauf. Am
heutigen Freitag, um 1 Uhr früh, wurden die Anträge der beiden Oppositionsparteien
debattiert. Die Anträge wurden zur Beratung in den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft verwiesen.
Im Vorfeld der Debatte haben die Grünen unter der Federführung der drogenpolitischen Sprecherin, Frau Dr. Kappert-Gonther, einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, demzufolge die Werbung für Tabakerzeugnisse und E-Zigaretten gänzlich verboten werden soll. Niema Movassat, der drogenpolitische Sprecher der Linken, unterstützt inhaltlich die Initiative der Grünen und fordert in seinem Antrag ebenfalls ein umfassendes Tabakwerbeverbot.
Grüne: Tabakwerbung konterkariert Prävention und Jugendschutz
Zu Beginn der Debatte am heutigen Freitag erläuterte Kappert-Gonther die Rationale ihres Gesetzesentwurfs. So sei es bewiesen, dass Tabakwerbung zum Rauchen verleite. „Werbung wirkt“, fasste die Medizinerin zusammen. Die Gesundheitspolitikerin bedauerte, dass das Tabakwerbeverbot „über Nacht" und „sang- und klanglos" aus dem Koalitionsvertrag verschwunden sei.
Aus ihrer Sicht ist es absurd, dass Aufklärungsplakate aus Steuergeldern finanziert würden, während die Tabakwerbeplakate in unmittelbarer Nähe hingen. „Jede Werbung für das Rauchen konterkariert also alle Präventionsmaßnahmen“, so Kappert-Gonther weiter. Und es sei doch beschämend, wenn in Deutschland die Interessen der Industrie über dem Gesundheitsschutz stünden.
Linke: WHO-Abkommen endlich umsetzen
Kappert-Gonthers Pendant bei den Linken, Niema Movassat, stimmte dieser Aussage zu: „Wenn man Lobbyinteressen über den Gesundheits- und Jugendschutz stellt, ist das einfach falsch“. Movassat wies in seiner Rede auch auf das WHO-Tabakrahmenübereinkommen hin, welches Deutschland vor 14 Jahren unterzeichnet habe. Innerhalb der EU hätten sich alle Mitgliedstaaten den Forderungen, die ein Tabakaußenwerbeverbot beinhalten, angeschlossen – bis auf Deutschland. „Das ist Völkerrechtsbruch und geht gar nicht“, betonte der Jurist. Dass es immer noch kein Werbeverbot gebe, sei Ergebnis einer erfolgreichen Lobbypolitik der Tabakindustrie.
Landwirtschaftsexperten beraten über Suchtprävention
DAZ.online hatte vor wenigen Tagen die drogenpolitischen Sprecher der anderen Bundestagsfraktionen befragt, wie sie zu einem Tabakwerbeverbot stünden. Während sich die Vertreter von SPD und AfD ebenfalls ein Tabakwerbeverbot wünschen, hielt der Sprecher der FDP dieses nicht für sinnvoll. Der drogenpolitische Sprecher der Union äußerte sich nicht.
Eigentlich
handelt es sich bei der Suchtprävention um ein gesundheits- und
drogenpolitisches Thema. Im Falle der Tabakwerbung ist allerdings der Ausschuss
für Ernährung und Landwirtschaft zuständig. Die Argumentationen der Landwirtschaftsexperten unterscheiden sich teilweise von denen der Gesundheitspolitiker.
Union: Aufklärung wirksamer als Verbote
Für Hans-Jürgen Thies (CDU), Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, ist ein Tabakwerbeverbot nicht verhältnismäßig. Er warf den Antragstellern „Regelungszwang“ vor. Und die Werbung für Tabakwerbeerzeugnisse sei in Deutschland schon stark eingeschränkt. „Ich muss überlegen, wann ich das letzte Mal Tabakwerbung bewusst wahrgenommen habe“, sagte Thies.
Im Übrigen habe nach Informationen des Bundesgesundheitsministeriums die Zahl der Raucher abgenommen, und immer weniger Jugendliche würden mit dem Rauchen anfangen. „Aufklärung ist die bessere Prävention als schlechte Verbote“, betonte der CDU-Politiker. Fraktionskollege Carsten Müller, Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, erklärte, dass die Unionsfraktion den Anträgen der Grünen und Linken nicht zustimmen werde.
SPD kritisiert Union aber verweist auf Koalitionszwang
Rainer Spiering, Sprecher für Ernährung und Landwirtschaft der SPD-Bundestagsfraktion, kündigte zu Beginn seiner Rede an, dass die Sozialdemokraten dem Gesetzesentwurf der Grünen nicht zustimmen könnten. Denn es gebe den Koalitionszwang, auch wenn man anderer Meinung sei. „Die Beratung ist doch sehr angebracht“, betonte Spiering. Der SPD-Politiker verwies darauf, dass das Tabakwerbeverbot bereits Gegenstand der Koalitionsverhandlungen gewesen sei. „Für mich war das ein Lehrstück, wie industrielle Interessen versuchen, Zugriff auf parlamentarische Entscheidungen zu nehmen. Und das habe ich hautnah erlebt“, so Spiering weiter. Für den Jugendschutz sei ein Verbot der Tabakaußenwerbung richtig.
FDP: Verbraucher entscheiden selbst
Für den FDP-Sprecher für Landwirtschaft und Ernährung, Dr. Gero Clemens Hocker, stehe zwar völlig aus der Frage, dass Rauchen der Gesundheit schadet. Aber auch Alkohol und Süßigkeiten könnten schädlich sein, findet der Sprecher für Landwirtschaft und Ernährung der Freien Demokraten. Außerdem unterliegt aus Sicht von Hocker keine andere Branche so strengen Regulierungen wie die Tabakindustrie. Schließlich müssten Autohersteller auch keine Fotos von Unfallopfern auf ihre Fahrzeuge kleben.
Seiner Meinung nach sei es die Aufgabe des Verbrauchers zu entscheiden, ob er seiner Sucht frönen oder freiwillig auf Lebenszeit verzichten möchte. Die Anträge der Grünen und Linken bezeichnete er als überflüssige „Erziehungsversuche“.
Von Gottwald (AfD): „Rauchen ist Lebensqualität“
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Wilhelm von Gottberg bezweifelte in seiner Rede, dass ein Tabakwerbeverbot dazu führt, dass weniger Menschen rauchen. Aus seiner Sicht gibt es schon jetzt Werbebeschränkungen, und die Tabakanbaufläche in Deutschland betrage nur noch 4600 Hektar. „Wünschenswert ist, aus ökologischen und ökonomischen Gründen, dass die Tabakanbaufläche nicht weiter schrumpft.“ Die Tabaksteuer sei die ertragreichste Steuer nach der Energiesteuer, die direkt in den Bundeshaushalt fließe. Und diese Einnahmen benötige der Bund.
Von Gottwald ist der Ansicht, dass Jugendliche nicht durch Werbung, sondern durch fasche Vorbilder zu Rauchern werden. Zudem sei für viele Menschen Rauchen „Lebensqualität“. Daher habe sich die Bevormundung durch die Politik auf ein Minimum zu beschränken. Von Gottwald wies darauf hin, dass das von Movassat zitierte WHO-Abkommen lediglich eine Richtlinie und nicht gesetzlich verpflichtend ist.
Geht es um Rauchen oder Tabakwerbung?
Landwirtschaftsexperte von Gottwald schlug am heutigen Freitag einen anderen Kurs ein als sein Fraktionskollege und Gesundheitspolitiker Professor Axel Gehrke. Der Kardiologe hatte nämlich vor wenigen Tagen auf Nachfrage von DAZ.online geäußert, dass er ein Tabakwerbeverbot befürworten würde, um die Gesundheit der Bürger zu schützen.
Abgesehen davon fällt bei der Argumentation von Gottwalds – ähnlich wie bei der Rede von FDP-Politiker Hocker – auf, dass Werbung und Konsum teilweise vermischt werden. Zur Erklärung: Weder Grüne noch Linke wollen den Konsum von Tabak oder E-Zigaretten verbieten. Sondern die Werbung für suchterzeugende und gesundheitsschädliche Tabakerzeugnisse.
2 Kommentare
Verbot von Tabak
von Richard Hagenauer am 17.09.2018 um 17:55 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Verbot für Tabakdrogen-Werbung
von Bernhard Kletzenbauer am 15.09.2018 um 10:45 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.