DAZ.online-ErfahrungsBericht

Training für Einsatzkräfte: Apotheker ohne Grenzen helfen aus Leidenschaft

Berlin - 16.06.2018, 09:00 Uhr

Im Einsatzland funktionieren Navigationsapps nicht immer. Gut, wenn sich Apotheker auch mit Karte, Kompass und GPS-Tracker zurechtfinden können. (Foto: Neele Schedler/Apotheker ohne Grenzen)

Im Einsatzland funktionieren Navigationsapps nicht immer. Gut, wenn sich Apotheker auch mit Karte, Kompass und GPS-Tracker zurechtfinden können. (Foto: Neele Schedler/Apotheker ohne Grenzen)


Immer an den Ausweg denken

Bevor ich Zeit hatte, darüber nachzudenken, ging es weiter mit Geländeübungen der Firma Manningel S2, die sich auf Ausbildung von Hilfsorganisationen spezialisiert hatte. An dem vergangenem Wochenende brachten uns die Outdoor-Spezialisten näher, wie man ein Geländefahrzeug steuert, versteckte Minen erkennt und sich im Gelände mit Karte, Kompass und GPS-Tracker zurechtfindet.

Es kommt zwar selten vor, dass die AOG-Einsatzkräfte im Einsatzgebiet selbst fahren, weil sich die Fahrer vor Ort sich dem häufig unwegsamen Gelände besser auskennen. Doch kann immer etwas dazwischen kommen, erklärte Sven Voigt von Mannigel S2. Der Geländewagen-Experte erklärte ausführlich, welche Funktionen ein Differentialgetriebe hat und was man alles falsch machen kann, wenn man ein Geländewagen mit einem solchen Getriebe fährt. Keinesfalls solle man in ein Hindernis wie etwa eine Vertiefung fahren, ohne einen Plan zu haben, wie man wieder hinaus kommt.

Nach Voigts einprägsamer und gleichzeitig abschreckender Einführung war ich mir absolut sicher, niemals mit so einem Geländewagen auf unbefestigtem Boden fahren zu wollen. Doch keiner der Teilnehmer sollte nach Hause gehen, ohne in der Stammheimer Kiesgrube die steile Böschung und diverse Hindernisse gemeistert zu haben. Jeder, der den Parcours absolviert hatte, stieg strahlend aus dem Auto - überraschenderweise auch ich. Obwohl es schon ein seltsames Gefühl war, als das Fahrzeug langsam die Böschung runter rutschte.

Doch die Kiesgrube war nicht die einzige Übung an jenem Nachmittag, bei der ich meine Komfortzone verließ: Mit einem GPS-Gerät bewaffnet, mussten wir eine Stelle finden, die auf einer Karte eingezeichnet war. Mein Orientierungssinn ist allerdings schon damit gefordert, meine Google-Maps-App zu interpretieren. Der Sinn der Übung war einleuchtend, denn in dünn besiedelten Gebieten werden die Systeme, mit denen die Navigationsfunktionen von Handys oder Tom-Tom-Geräten funktionieren, häufig nicht unterstützt. GPS-Signale sind dagegen überall verfügbar.

Neele Schedler/Apotheker ohne Grenzen
Das Fahrsicherheitstraining war für mich eine Mutprobe. 

Einsatznahe Bedingungen gehören zur Vorbereitung

Ein hartnäckiger Gewitterschauer holte uns in den überdachten Schulungsraum zurück. „Wie in den Tropen“, schmunzelte Bergmann. Insgeheim war ich froh – nicht zuletzt wegen meines lädierten Rückens – dass ich bei dem Wetter nicht wie die anderen Teilnehmer in einem Zelt übernachten musste. Auf Katastropheneinsätzen sei Camping auch für mehrere Wochen allerdings üblich und Privatsphäre gebe es wenig, ergänzte Vetye. Daher gehört das Schlafen unter freien Himmel in den AOG-Schulungen zur Vorbereitung.

Ein Notfalleinsatz läuft nach einem bestimmten Schema ab: Erhält AOG einen Hilferuf, sondiert das „fact-finding-team“, zu dem auch Mediziner und Techniker gehören, für einige Tage das betroffene Gebiet. Dann wechseln sich AOG Teams mit jeweils zwei Personen im drei-Wochen-Rhythmus ab – solange die pharmazeutische Hilfe notwendig ist. „Wir mussten auch schon abbrechen, wenn die politische Lage instabil wurde“, berichtete Bergmann. Bei AOG werden die ehrenamtlichen Helfer keinen unnötigen Gefahren ausgesetzt oder in Kriegsgebiete geschickt.

Nach dem Einsatz werden die Helfer meist von AOG-Kollegen vom Flughafen abgeholt und können sich zeitnah über ihre Erfahrungen austauschen. Die Hilfsorganisation will aber noch mehr tun und lässt derzeit einige erfahrene Einsatzkräfte psychologisch ausbilden, um ihre Helfer über die operative Ebene hinauszubegleiten.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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