DAZ.online-ErfahrungsBericht

Training für Einsatzkräfte: Apotheker ohne Grenzen helfen aus Leidenschaft

Berlin - 16.06.2018, 09:00 Uhr

Ordnung ist das halbe Leben? Bei der Entwicklungszusammenarbeit ist es wichtig, auf die Menschen vor Ort eingehen zu können. (Foto: Neele Schedler/Apotheker ohne Grenzen)

Ordnung ist das halbe Leben? Bei der Entwicklungszusammenarbeit ist es wichtig, auf die Menschen vor Ort eingehen zu können. (Foto: Neele Schedler/Apotheker ohne Grenzen)


Lagerhaltung - zwischen QM und Pragmatismus

Während es am Samstag vorrangig um Notfalleinsätze ging, stand am folgenden und letzten Schulungstag die langfristige Entwicklungszusammenarbeit im Vordergrund. AOG unterstützt dabei in vielen Ländern mit pharmazeutischem Fachwissen. Ein Thema, das bei den Schulungen vor Ort immer wieder vorkommt ist, wie man ein Arzneimittellager verwaltet. Stefanie Pügge, hauptamtliche Projektkoordinatorin bei AOG, berichtete über ihre Erfahrungen. „Temperaturkontrolle, Sauberkeit und gründliche Bestandsführung sind für uns selbstverständlich. „Aber je nach Gebräuchen kann es vorkommen, dass in der Apotheke ein Huhn zwischen gelagert wird, das morgens auf dem Markt gekauft wurde“, erzählte Pügge.

Die Projektkoordinatorin verdeutlichte, dass es wichtig ist, bei den Schulungen das Personal vor Ort abzuholen. Eine beliebte Metapher, um die Verfalldatenkontrolle zu erklären, ist das Ampelsystem. „In sehr ländlichen Regionen wissen aber nicht alle Menschen, was eine Ampel ist“, erklärte Pügge. Damit qualitätssichernde Maßnahmen auch umgesetzt werden, muss das Personal vor Ort deren Sinn verstehen. „Durch eine ordentliche Lagerhaltung ein Medikament schnell zu finden, kann Leben retten“, verdeutlichte Pügge.

Hilfe wirkt an der Basis am stärksten

Für eine erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit ist es wichtig, das Gesundheitssystem vor Ort zu kennen. Und in den Einsatzländern liegt häufig eine so genannte Distriktgesundheitsversorgung vor, die überwiegend öffentlich finanziert ist, erklärte Carina Vetye, die seit über 16 Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit in Argentinien tätig ist.

Ein Distrikt bildet eine Verwaltungseinheit, in der zwischen 50.000 bis 500.000 Menschen leben. Die Versorgung findet in drei Ebenen statt. Die Basis bilden die sogenannten Gesundheitsposten oder -zentren, wo beispielsweise Schwangere und chronisch Kranke betreut, akute Wunden gesäubert und auch Arzneimittel ausgegeben werden. Die Bewohner können sich dort auch impfen sowie gegen Malaria, Lungenentzündung oder Parasiteninfektionen behandeln lassen.

„Auf dieser ersten Ebene lassen sich meist 80 Prozent aller medizinischen Probleme lösen“, erklärte Vetye. Für die meisten Distriktbewohner sollten diese primären Anlaufstellen durch einen maximal einstündigen Fußmarsch erreichbar sein. Wer dort nicht behandelt werden kann, wird auf eine der beiden nächsten Stufen  –  dem Distrikt- oder Spezialkrankenhaus – überwiesen. Um dorthin zu gelangen, müssen viele Distriktbewohner lange Wege auf sich nehmen. Häufig werden öffentliche Mittel dazu verwendet, in den Städten ein neues Krankenhaus zu bauen. Doch die Basis der Gesundheitsposten und -zentren zu unterstützen, ist zwar weniger spektakulär aber hilft der Masse der Bevölkerung, erläutert Vetye.

Eine ganz persönliche Entscheidung

Während der anderthalb Tage, die ich mit Apotheker ohne Grenzen verbrachte, gewann ich einen kleinen Einblick, was die Hilfsorganisation für großartige Arbeit leistet. Die gemeinsamen Tage zeigten mir auch, dass für einen Notfalleinsatz starke Nerven und eine gute körperliche Kondition erforderlich sind. Ob man sich das vorstellen kann und zutraut, ist eine ganz persönliche Entscheidung.

Allerdings gibt es verschiedene Möglichkeiten, bei einer pharmazeutischen Hilfsorganisation aktiv zu werden. So ist die Belastung bei den Projekten zur langfristigen Entwicklungszusammenarbeit geringer als bei einem Katastropheneinsatz. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit, im Inland aktiv zu werden.   



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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