Modellprojekte bei Opioid-Missbrauch

Nasales Naloxon als Take-Home für Laien

Stuttgart - 21.06.2018, 13:10 Uhr

In den USA wurde nasales Naloxon
schon im November 2015 zugelassen,
im Februar 2016 kam es auf den US-Markt und seit Oktober 2016 ist es in Kanada
sogar ohne Verschreibung erhältlich. (Foto: ZUMA Press / imago)  

In den USA wurde nasales Naloxon schon im November 2015 zugelassen, im Februar 2016 kam es auf den US-Markt und seit Oktober 2016 ist es in Kanada sogar ohne Verschreibung erhältlich. (Foto: ZUMA Press / imago)  


Modellprojekte in Deutschland

In Deutschland verwenden vor allem Notärzte Naloxon. Aber auch manche Konsumenten bekommen nach einer Schulung von Suchthilfe-Organisationen ein Notfall-Kit ausgehändigt. 1998 begann beim Berliner Verein Fixpunkt der erste Modellversuch – mit durchweg positiven Erfahrungen, wie die Ärztin Kerstin Dettmer der dpa sagte. Missbrauchspotenzial habe der Stoff nicht. Dirk Schäffer von der Deutschen Aids-Hilfe schätzte  außerdem, dass pro Jahr maximal 500 bis 700 Kits an Abhängige verteilt würden, was er als „Tropfen auf den heißen Stein“ beschreibe. Wie oft Naloxon insgesamt genutzt wird, werde nicht erfasst. In deutschen Drogenkonsumräumen sei Naloxon im Vorjahr 94 Mal verwendet worden – Todesfälle seien deshalb nicht zu verzeichnen gewesen.

In Bayern

In Deutschland wurden Naloxon-Modellprojekte sogar im Koalitionsvertrag von CDU und SPD vereinbart. Zuvor debattierte man schon im Oktober 2016 im Gesundheitsausschuss des Bayerischen Landtags, ob Naloxon an geschulte Laien abgegeben werden sollte: „Die im Ausschuss für Gesundheit und Pflege geladenen Experten waren sich bei der Anhörung ‚Naloxonabgabe an geschulte medizinische Laien – Take-Home-Naloxon (THN-Programme)‘ einig: Ja.“ Im Mai 2017 gab der Landtag dann grünes Licht: „Weiter wird die Staatsregierung aufgefordert, im Rahmen vorhandener Stellen und Mittel ein Modellprojekt zur Abgabe von Naloxon an und die Anwendung durch geschulte medizinische Laien an den Standorten mit der höchsten Zahl an Drogentoten in Bayern, mindestens an den zwei Standorten München und Nürnberg, zu schaffen. Bevorzugt ist die Abgabe von nasal zu applizierendem Naloxon umzusetzen. Die Möglichkeit des Einsatzes von anderen Applikationsformen soll nicht ausgeschlossen werden.“

Im September 2018 soll in Bayern nun ein auf zwei Jahre angelegter Modellversuch mit Naloxon-Nasenspray starten. Der Regensburger Suchtforscher Norbert Wodarz begleitet den Versuch wissenschaftlich und rechnet mit einer Spray-Abgabe an bis zu 600 Menschen in mehreren Städten. Was deutlich mehr sei als in früheren Modellversuchen.

Kommt das Nasenspray in Deutschland nicht rechtzeitig auf den Markt, soll es zu Beginn aus den USA beschafft werden. Beim Preis muss sich laut Dirk Schäffer von der Deutschen Aids-Hilfe aber noch etwas tun: Gegenwärtig sei beim Hersteller ein Preis von 45 Euro im Gespräch. Das sei in etwa dreimal so viel wie beim bislang verfügbaren Produkt und für Organisationen in der Suchthilfe nicht zu stemmen.

Im Saarland

Im Februar 2018 begann ein weiteres Modellprojekt im Saarland. Ebenfalls über eine Laufzeit von zwei Jahren soll es dabei jeweils bis zu 50 Abhängigen oder deren Angehörigen ermöglicht werden, durch die Applizierung von Naloxon über einen Nasalzerstäuber einer Überdosis zu begegnen. Das Ministerium teilte auf Anfrage der  „Ärzte Zeitung" mit, dass das Land die auf rund 18.000 Euro geschätzten Kosten für die Schulung und die Medikamente übernehme. Pro Naloxon-Kit mit jeweils zwei Ampullen sollen auch dort etwa 45 Euro anfallen.



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Take home message

von norbert brand am 22.06.2018 um 8:26 Uhr

das Problem ist nicht, daß bis jetzt das Antidot Naloxon nicht ausreichend verfügbar war, nein, das Problem ist nach wie vor, daß Opioide als Drogen mißbraucht werden. A la longue wird dieses Nasenspray keinen einzigen Drogentoten weniger bringen. Im Gegenteil, man kann munter weiter spritzen, denn jetzt kann ich mich dank Naloxon "zurückbeamen" (lassen).

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AW: Take home message - Abusus non tollit usum...

von Andreas P. Schenkel am 24.06.2018 um 18:51 Uhr

... sed confirmat substantiam. Sagt der Lateiner auf schlau. Und meint damit:
Missbrauch hebt den echten Gebrauch nicht auf, welcher hier, soweit ich das richtig verstanden habe, die Applikation des Nasensprays durch einen Ersthelfer sein soll, durchgeführt am in Not geratenen Opioid-Konsumenten. Doppelkonsum wie beschrieben wird es sicherlich auch geben. Vor Jahrzehnten pflückten einige Jugendliche im kilometerweiten Umkreis um die Apotheke meines Vaters den Omas die Geranien einer bestimmten Farbe aus den Fensterkästen und Vorgärten, weil irgendein Granatensimpel verbreitet hat, dass man einen krassen Trip erlebt, wenn man die Dinger rauche. Einer der Leichtgläubigen wurde von seinen panischen Kumpels in präkomatösen Zustand (sehr wahrscheinlich Kohlenmonoxid aus der Verschwelung) in die Apotheke geschleppt und hat es gerade so überlebt. Merke: Es gibt immer einen, der auf eine weitere bescheuerte Idee zum High-werden kommt.

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