Krankenhauskeim MRSA

Neue Antibiotika-Gruppe der Lipolanthine weckt Hoffnungen

Berlin - 03.07.2018, 09:00 Uhr

Neue Hoffnung in der Bekämpfung des nosokomialen Keims MRSA: Wissenschaftler der TU Berlin haben eine neue Antibiotikaklasse entdeckt. ( r / Foto: Imago)

Neue Hoffnung in der Bekämpfung des nosokomialen Keims MRSA: Wissenschaftler der TU Berlin haben eine neue Antibiotikaklasse entdeckt. ( r / Foto: Imago)


Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin haben eine neue Klasse von Lipopeptid-Antibiotika entdeckt. Die „Lipolanthine“ besitzen vielversprechende Aktivitäten gegen multiresistente Bakterien.

Ein Wissenschaftlerteam aus dem Fachgebiet Biologische Chemie von der Technischen Universität Berlin ist gemeinsam mit der französischen Firma DEINOVE auf eine neue Klasse von Lipopeptid-Antibiotika gestoßen, die zu einer wirksamen Waffe gegen multiresistente Bakterien werden könnte. Die Ergebnisse wurden in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Nature Chemical Biology“ veröffentlicht

Multiresistente Bakterien sind als sogenannte Krankenhauskeime im klinischen Bereich sehr häufig anzutreffen. Einer der bekanntesten Vertreter ist der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Wegen der Resistenzen gegen verbreitete Antibiotika ist entsprechenden Infektionen nur schwer oder überhaupt nicht beizukommen. Vor allem für Patienten mit einem geschwächten Immunsystem kann MRSA tödlich sein. Innovative Antibiotika, die sich durch neue „Leitstrukturen“ grundlegend von den derzeit verfügbaren unterscheiden, werden daher händeringend gesucht.

Bakterien und Pilze als gute Quelle für bioaktive Wirkstoffe

Die Arbeitsgruppe von Roderich Süßmuth hat nun eine neue Wirkstoffklasse gefunden. Wie die Forscher sie entdeckt haben und welche Hoffnungen daraus abzuleiten sein könnten, ist in einer Pressemitteilung der TU Berlin in kurzgefasster Form nachzulesen.  

In Kooperation mit der französischen Firma DEINOVE untersuchten die Wissenschaftler eine Stammsammlung an Bakterien auf die Produktion antibakteriell wirksamer Moleküle. „Bakterien und Pilze stellen eine sehr gute Quelle für bioaktive Wirkstoffe dar, denn im Wettstreit um limitierte Ressourcen bekämpfen sich Mikroorganismen in der Natur gegenseitig. Dies können wir uns zunutze machen“, erklärt Roderich Süßmuth den Ansatz. Tatsächlich konnten sie aus einer Kultur des Bakteriums Microbacterium arborescens eine Verbindung mit einer starken Aktivität gegen MRSA und andere pathogene Bakterien isolieren.

Den Lanthipeptiden zuzuordnen

Nachdem sie die chemische Struktur des Moleküls, das später Microvionin genannt wurde, aufgeklärt hatten, wurde die Biosynthese im Labor nachgestellt. Dabei machten die Forscher eine für sie unerwartete Entdeckung: Microvionin besteht aus einem Peptid- und einem Fettsäureteil. Die drei Aminosäuren werden so modifiziert, dass sich zwei Ringstrukturen ausbilden. Aufgrund dieses charakteristischen „bizyklischen“ Strukturmerkmals mit einer Thioetherbrücke ordneten sie Microvionin den sogenannten Lanthipeptiden zu, einer Klasse von ribosomal synthetisierten und posttranslational modifizierten Peptiden (kurz RiPPs)

Ungewohntes Zusammenspiel

Die Forscher konnten die Zyklisierung des Moleküls in mehreren Versuchsreihen nachvollziehen und zeigen, dass diese durch die enge Kooperation von zwei Enzymen bewerkstelligt wird, wobei die Bildung von ungewollten Nebenprodukten verhindert wird. „Was uns zusätzlich interessiert, ist die ziemlich ungewöhnliche Fettsäuremodifikation“, erläutert Roderich Süßmuth. „Hier scheinen zum ersten Mal bei ribosomal synthetisierten Peptiden zwei Biosynthesewege zusammen zu laufen, nämlich ribosomal synthetisierte Peptide und Polyketidsynthasen. Deren Zusammenspiel wurde so bisher nicht beobachtet.“

Schon mehr als zehn genetisch ähnliche Verbindungen gefunden

Angesichts der unerwarteten Struktur und Biosynthese suchten die Wissenschaftler weiter, ob es in der Natur noch mehr solcher Verbindungen gibt. Mit Hilfe des „Genome Minings“ wurden sie über das bereits identifizierte Biosynthese-Gencluster fündig. Mehr als zehn potenzielle Kandidaten konnten identifiziert und aus einem Stamm (Nocardia terpenica) mit „Nocavionin“, ein weiteres verwandtes Molekül, isoliert werden. Sie gehen deshalb von einer großen Verbreitung dieser Lanthipeptid-Klasse in der Natur aus.

Kandidaten für neue Antibiotika

Angesichts dessen ist Roderich Süßmuth überzeugt davon, dass sich die mit dem Namen „Lipolanthine“ getaufte Antibiotika-Gruppe bald noch weiter vergrößern wird: „Wir versuchen natürlich nun auch die anderen Moleküle zu isolieren und dann auch Rückschlüsse zwischen der Struktur und Bioaktivität zu ermitteln. Außerdem ist die Aufklärung der verbleibenden Schritte der Biosynthese für uns sehr interessant.“ Zu guter Letzt hoffe man, die Entwicklung von Microvionin zu einem nutzbaren Medikament vorantreiben zu können. „Wir stehen bei diesem Projekt ja gerade erst in den Startlöchern“, stellt Süßmuth fest. Er sei gespannt, wie es jetzt weitergeht.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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