Unkomplizierte Harnwegsinfektion

Wirken fünf Tage Nitrofurantoin besser als einmal Fosfomycin?

Stuttgart - 04.07.2018, 09:00 Uhr

Unkomplizierte Zystitis: Offenbar sind die Heilungschancen mit Nitrofurantoin besser als mit Fosfomycin. ( r / Foto: SENTELLO / stock.adobe.com)

Unkomplizierte Zystitis: Offenbar sind die Heilungschancen mit Nitrofurantoin besser als mit Fosfomycin. ( r / Foto: SENTELLO / stock.adobe.com)


Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam und Trimepthoprim: Diese Antibiotika empfiehlt die Leitlinie zur Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektion bei Frauen. Offenbar wirken jedoch nicht alle gleich gut – zumindest legen aktuelle Daten nahe, dass eine fünftägige Behandlung mit Nitrofurantoin einem Single Shot Fosfomycin bei unkomplizierter Zystitis überlegen ist.

Kurz und schmerzlos wünschen sich viele Frauen die Behandlung ihrer unkomplizierten Harnwegsinfektion. Doch ist eine einmalige Gabe von 3000 mg Fosfomycin genauso effektiv wie eine fünftägige Nitrofurantoinbehandlung mit dreimal täglich 100 mg? Die 2017 aktualisierte Leitlinie zur unkomplizierten Harnwegsinfektion differenziert bei der Antibiotika-Selektion nicht genauer. Hinsichtlich der antibiotischen Therapie empfiehlt sie bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen der Frau mit Indikation einer Antibiose Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam und auch Trimethoprim bei E. coli-Resistenzraten < 20 Prozent als Mittel der ersten Wahl. Darüber hinaus definiert die Leitlinie lediglich Eckpunkte, die bei der endgültigen Entscheidung für ein konkretes Antibiotikum individuell zu berücksichtigen sind: Erregerspektrum, Resistenzentwicklung in der Region, unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Kollateralschäden und Entwicklung multiresistenter Erreger, ein erhöhtes Risiko für Clostridium difficile assoziierte Colitis und das individuelle Risiko des Patienten.

Offenbar sind jedoch nicht alle Behandlungsstrategien gleichwertig. Eine jüngst im JAMA veröffentlichte klinische Studie (multinational, randomisiert) mit 513 Frauen, die an unkomplizierten Harnwegsinfektionen litten, verglich eine Zystitis-Therapie mit Fosfomycin und Nitrofurantoin. Als primären Endpunkt definierten die Studienkoordinatoren die vollständige klinische Symptomfreiheit (Abwesenheit von Schmerzen beim Wasserlassen, imperativer Harndrang, Pollakisurie, suprapubischer Schmerz) 28 Tage nach Therapieende. Als letzter Auswertungstag galt auch für Fosfomycin – analog zu Nitrofurantoin – Tag fünf nach der ersten Einnahme. Die Studienautoren begründen dieses Schema mit der vorgeblich langen Halbwertszeit von Fosfomycin. Laut Fachinformation liegen die im Harn gefundenen Fosfomycinkonzentrationen auch 36 Stunden nach Einnahme noch über der minimalen Hemmkonzentration.

Wie wirkt Fosfomycin?

Fosfomycin greift in die bakterielle Zellwandsynthese ein. Die Bakterienzellwand besteht vornehmlich aus N-Acetylglukosamin und N-Acetylmuraminsäure, wobei N-Acetylmuraminsäure aus N-Acetylglukosamin und Phosphoenolpyruvat entsteht. Als Strukturanalogon zu Phosphoenolpyruvat blockiert Fosfomycin das synthetisierende Enzym Phospoenolpyruvat-Transferase und verhindert so eine stabile Zellwandsynthese. Der Wirkstoff zeigt eine zeitabhängige Bakterizidie, sprich die Wirksamkeit hängt vor allem davon ab, wie lange Fosfomycin-Spiegel oberhalb der minimalen Hemmkonzentration des Erregers liegen. Resistenzen können plasmidkodiert auf der Metabolisierung von Fosfomycin beruhen oder die aktive Aufnahme des Antibiotikums in die Bakterienzelle verhindern. Kreuzresistenzen sind laut Fachinformation nicht bekannt. Die empfohlene Dosierung bei unkomplizierter Zystitis von Frauen ab einem Alter von zwölf Jahren liegt bei einmalig 3000 mg Fosfomycin-Trometamol. Durch Trometamol verbessert sich die orale Bioverfügbarkeit von Fosfomycin.

Fördert die einmalige orale Fosfomycin-Gabe Resistenzen?

Die Ergebnisse: Von den mit Nitrofurantoin behandelten Frauen waren 70 Prozent 28 Tage nach der letzten Nitrofurantointablette symptomfrei. Unter Fosfomycin zeigten hingegen nur 58 Prozent keine Symptome mehr. Eine durchgeführte Bakterienkultur bestätigte diese Beobachtung: Bei 74 Prozent der mit Nitrofurantoin therapierten Frauen ließen sich nach 28 Tagen keine Bakterien mehr nachweisen, unter Fosfomycinbehandlung zeigte sich dieser Erfolg, somit die Abwesenheit der Bakterien, nur bei 63 Prozent der Frauen.

Wie wirkt Nitrofurantoin?

Nitrofurantoin wirkt per se nicht antimikrobiell. Der Wirkstoff wird jedoch durch bakterielle Nitroreduktasen metabolisiert, diese Reduktionsmetabolite bilden Addukte mit der DNA und führen zu deletären Strangbrüchen. Darüber hinaus können Stoffwechselaktivitäten des Bakteriums blockiert werden durch Elektronenentzug. Resistenzen gegen den Wirkstoff können aus geringen Konzentrationen der zur Aktivierung erforderlichen bakteriellen Nitroreduktasen resultieren. Kreuzresistenzen sind laut Fachinformation nicht beschrieben. Für die Therapie der akuten unkomplizierten Zystitis der Frau gilt eine Dosierung von zwei- bis dreimal täglich 100 mg Nitrofurantoin retardiert für fünf bis sieben Tage beziehungsweise 100 mg Nitrofurantoin unretardiert in drei bis vier Einzelgaben.

Gefahr der Resistenzen treffen auch Reserveantibiotikum Fosfomycin i.v.

Escherichia coli ist der häufigste Erreger unkomplizierter Harnwegsinfektionen, gefolgt von Staphylococcus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis. Nitrofurantoin rückte erst in der jüngst aktualisierten Leitlinie zu Harnwegsinfektionen wieder zu den First-line-Antibiotika in dieser Indikation auf, aufgrund des guten Ansprechens bei wenigen Resistenzen.  Auch für Fosfomycin wird die Resistenzlage allgemein als günstig bewertet. Diese Annahme teilen die Studienautoren jedoch nicht uneingeschränkt. Vielmehr beobachten sie, dass der zunehmende Einsatz von einmalig 3000 mg Fosfomycin oral, die Resistenzlage gegen das Antibiotikum verschärft. So erhöhte sich zwischen 1997 und 2009 das Nichtansprechen auf Fosfomycin in Spanien von 4 Prozent auf 11 Prozent, der Einsatz von Fosfomycin wuchs in diesem Zeitraum um 340 Prozent.

Die Studienautoren fürchten, dass eine lediglich einmalige orale Gabe des Antiinfektivums der Resistenzsituation bei Fosfomycin Vorschub leistet und auch intravenöses Fosfomycin, das vor allem bei schweren Infektionen zum Einsatz kommt, dann nicht mehr wirkt. Intravenöses Fosfomycin stellt eine wertvolle Alternative zu Penicillinen und Cephalosporinen dar, sei es aufgrund von Unverträglichkeiten oder wenn die Wirksamkeit dieser Betalactame wegen der Lokalisation der Infektion nicht ausreicht. Fosfomycin ist knochengängig und wird beispielsweise bei einer Streptokokkenosteomyelitis eingesetzt. Außerdem dient Fosfomycin auch als Kombinationspartner bei multiresistenten Keimen  (beispielsweise Pseudomonas: Kombination mit Meropenem oder Levofloxacin).

Mögliche Unschärfen in der Studie

Die Studie lief in der Schweiz, in Polen und in Israel. Sie war nur einfach verblindet und nicht doppelblind angelegt. So kannten nur die Studienauswerter die Patientenzuteilung nicht, die Patienten jedoch ihre Medikation, was Raum für Verzerrungen schafft. Allerdings bestätigen die besseren Eradikationsraten unter Nitrofurantoin auch die hier subjektiv von Patienten häufiger beschriebene Symptomfreiheit unter dieser Behandlung.

Die Begründung für eine nicht doppelblind durchgeführte Studie liegt in den unterschiedlichen Darreichungsformen der antibiotischen Wirkstoffe Fosfomycin als lösliches Granulat und Nitrofurantoin als feste Tablette. So hätten die Kosten für Fosfomycin-Sachet-Dummies mehr als ein Viertel des Studienbudgets aufgebraucht, argumentieren die Studienautoren.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Fosfomycin

von Toksoy am 13.09.2019 um 7:25 Uhr

Wirkt Fosfomycin 3g sofort?
Wenn nicht, wie lange dauert das?
Habe gestern spät Abend eingenommen.

Liebe Grüße

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