Valsartan-Verordnungen

Rücksprache oder neues Rezept – was wollen die Kassen?

Stuttgart - 17.07.2018, 17:45 Uhr

Barmer und DAK akzeptieren bei Valsartan-Rezepten „ärztliche Rücksprache“ und Sonder-PZN, die TK besteht auf ein neues Rezept. (b / Foto: imago)

Barmer und DAK akzeptieren bei Valsartan-Rezepten „ärztliche Rücksprache“ und Sonder-PZN, die TK besteht auf ein neues Rezept. (b / Foto: imago)


Ist weder das Rabatt-Valsartan lieferbar, noch eines der drei preisgünstigsten, noch das namentlich verordnete, benötigt die Apotheke ein neues Rezept. DAZ.online hat mit AOK, Barmer, DAK und Techniker Krankenkasse über kulante Ausnahmeregelungen im Spezialfall des Valsartan-Desasters gesprochen. Welche Krankenkassen sind bereit, „pharmazeutische Bedenken“ und Nichtverfügbarkeit zu akzeptieren – und welche bestehen auf ein neues Rezept?

Valsartan macht Ärger: In Apotheken, beim Großhandel und beim Patienten. Den Patienten empfiehlt das BfArM mittlerweile, auf ein Valsartan-Präparat zu wechseln, das sicher keine Verunreinigung mit dem als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften N-Nitrosodimethylamin (NDMA) enthält. Das bedeutet: Die Patienten stehen wohl mit neuen Valsartan-Rezepten in der Apotheke. So weit so gut – wenn das Rabatt-Valsartan oder das dann namentlich neu verordnete oder zumindest eines der drei preisgünstigsten dann auch tatsächlich lieferbar ist.

Was sagt der Rahmenvertrag?

  • „Die Apotheke hat vorrangig ein wirkstoffgleiches Fertigarzneimittel abzugeben, für das ein Rabattvertrag nach § 130a Absatz 8 SGB V („rabattbegünstigtes Arzneimittel“) besteht […]“, schreibt der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung in § 4 Abs. 2 vor.
  • „Kommt eine vorrangige Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel nach Absatz 2 nicht zustande, stehen unter den Voraussetzungen nach Absatz 1 die drei preisgünstigsten Arzneimittel und im Falle der Aut-idem-Ersetzung zusätzlich das namentlich verordnete Arzneimittel, soweit in den ergänzenden Verträgen nach § 129 Absatz 5 Satz 1 nichts anderes vereinbart ist, oder ein importiertes Arzneimittel nach Maßgabe des § 5 zur Auswahl […]“ (Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung § 4 Abs. 4).
  • „Ist ein rabattbegünstigtes Arzneimittel in der Apotheke nicht verfügbar und macht ein dringender Fall die unverzügliche Abgabe eines Arzneimittels erforderlich (Akutversorgung, Notdienst), hat die Apotheke dies auf der Verschreibung zu vermerken, das vereinbarte Sonderkennzeichen aufzutragen und ein Arzneimittel nach den Vorgaben des Absatzes 4 abzugeben […]. Gleiches gilt in Fällen des § 17 Absatz 5 Apothekenbetriebsordnung“, schreibt der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung § 4 Absatz 3.
  • „Enthält eine Verschreibung einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum, ist sie nicht lesbar oder ergeben sich sonstige Bedenken, so darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden, bevor die Unklarheit beseitigt ist. Der Apotheker hat jede Änderung auf der Verschreibung zu vermerken und zu unterschreiben […], erklärt die Apothekenbetriebsordnung § 17 Absatz 5. Das bedeutet: Ärztliche Rücksprachen muss die Apotheke auf dem Rezept dokumentieren und mit Datum und Unterschrift abzeichnen.

Valsartan: ausnahmsweise Abweichung vom Rahmenvertrag?

Das bürokratische Desaster droht und das Verständnis der Patienten endet, wenn dies nicht der Fall ist. Denn dann muss der Apotheker aufgrund der strikten Vorgaben des Rahmenvertrages und den Gefahren einer Retaxation das Rezept ändern – natürlich vom Arzt abgezeichnet –  oder er benötigt eine komplett neue Verordnung.

Wäre es nicht möglich, in einem solchen Ausnahmezustand auch ausnahmsweise Abweichungen von den strengen Regelungen des Rahmenvertrages gelten zu lassen? Das liegt jedoch in der Hand der Krankenkassen. Lauern sie auf Retaxationen und nutzen das Valsartan-Desaster, um wild zu wüten? Oder zeigen sie Einsicht ob der schwierigen Versorgungssituation und verzichten auf neue Verordnungen? DAZ.online hat nachgefragt bei den größten Krankenkassen der Nation: AOK, Barmer, DAK und der Techniker Krankenkasse.

Von der AOK liegt bis dato keine Stellungnahme vor.

Barmer akzeptiert „ärztliche Rücksprache“

Auf den DAZ-online-Vorschlag zur ausnahmsweisen Abweichung vom Rahmenvertrag reagiert die Barmer zunächst mit einer Erklärung der Lege-artis-Vorgehensweise: „Ist weder ein rabattbegünstigtes, noch eines der drei preisgünstigen, noch das verordnete Arzneimittel (oder ein wirtschaftlicher Import) verfügbar, ist eine Rücksprache mit dem verordnenden Arzt und eine Neuausstellung des Rezeptes erforderlich. Alternativ kann der Arzt das vorhandene Rezept abändern, muss die Änderung dann allerdings unterzeichnen.“

Allerdings zeigt sich die Barmer kooperativ und einsichtig. Gerade im Zusammenhang mit dem jetzigen Valsartan-Rückruf dürfte es nach Ansicht der Krankenkasse bei den vielen zu erwartenden Einzelfällen schwierig sein, „in jedem Fall auf der ärztlich unterzeichneten Änderung der Verordnung zu bestehen“. Und weiter – wohl sehr zur Erleichterung der Apotheken: „Insofern erachten wir es für ausreichend, wenn die Apotheke neben der formalen Angabe der Sonder-PZN die Rücksprache mit dem Arzt auf dem Rezept dokumentiert und mit Datum und Unterschrift versieht. Die Rücksprache mit dem Arzt kann, wenn dieser zum Zeitpunkt der Abgabe nicht erreichbar ist, auch nachgeholt werden. Die Dokumentation auf dem Rezept muss zwingend vor der Abrechnung aufgetragen werden. Nur so ist der Barmer eine sachgerechte Prüfung möglich“.

Die Barmer hat bei den Valsartan-Monopräparaten Rabattverträge mit Heumann / Heunet, der Bietergemeinschaft Teva-Ratiopharm und Mylan dura. Bei den Kombinationen aus Valsartan und Hydrochlorothiazid sind Aurobindo, BG Teva-Ratiopharm und TAD Pharma Rabattvertragspartner. Aurobindo, Mylan dura und TAD Pharma sind vom Valsartan-Rückruf nicht betroffen.

DAK lässt Sonder-PZN gelten

Auch die Deutsche Angestellten Krankenkasse,DAK, hat Vereinbarungen mit Pharmaherstellern über valsartanhaltige Arzneimittel getroffen: DAK-Versicherte erhalten Valsartan als Monopräparat von AbZ, Heumann und TAD Pharma. Verordnet der Arzt eine Kombination aus Valsartan und Hydrochlorothiazid, versorgt die Apotheke die DAK-Patienten normalerweise mit AbZ, Puren oder TAD Pharma.

Die DAK kommt den Apothekern trotz bestehender Rabattverträge mit dem nicht vom Rückruf betroffenen Pharmahersteller TAD Pharma entgegen: „Um den Aufwand in den Apotheken bei der Lieferung eines valsartanhaltigen Arzneimittels möglichst gering zu halten, kann die Apotheke wie beschrieben handeln“, erklärt die DAK und meint mit „wie beschrieben“ die von DAZ.online skizzierte Vorgehensweise – keine neue Verordnung, dafür mit Sonder-PZN, schriftlicher Begründung der Nichtabgabe und Unterschrift des Apothekers.

TK besteht auf neue Verordnung bei Valsartan

Die Techniker Krankenkasse (TK) hat über Valsartan-Mono Rabattverträge mit AbZ, Heumann, Ratiopharm und TAD  Pharma geschlossen. Bei den Kombinationen Valsartan plus Hydrochlorothiazid existieren Vereinbarungen mit AbZ, Puren, Ratiopharm und TAD Pharma. Bis auf TAD Pharma mussten jedoch alle Rabattvertragspartner der TK Valsartan-Präparate zurückrufen.

Die Verfügbarkeit der Rabattarzneimittel eines einzigen Herstellers scheint der Techniker Krankenkasse allerdings ausreichend – was primär nachvollziehbar ist. Aber nur genau so lange wie TAD Pharma den allgemein erhöhten Valsartan-Bedarf zufriedenstellend decken kann. Ein Sprecher der Techniker Krankenkasse erklärt im Gespräch mit DAZ.online, dass sich momentan keine Notwendigkeit zeigt, von den Regelungen des Rahmenvertrags abzuweichen. Die vorgeschlagene Ausnahmeregelung sei nicht notwendig, da Rabattverträge mit TAD Pharma bestünden. Laut dem Sprecher hat die TK auch mit Rabatt-Pharmakonzern TAD Pharma gesprochen. Dieser habe jüngst bestätigt: „Valsartan ist lieferfähig.“

Wie andere Kassen das handhaben, gilt es, im Einzelfall zu erfragen. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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