Baloxavir marboxil 

Roches neues Arzneimittel gegen Grippe

Stuttgart - 23.07.2018, 14:15 Uhr

Der neue Grippewirkstoff Baloxavir soll auch bei Tamiflu-resistenten Influenzaviren und bei Vogelgrippe wirken. (b / Foto: imago)

Der neue Grippewirkstoff Baloxavir soll auch bei Tamiflu-resistenten Influenzaviren und bei Vogelgrippe wirken. (b / Foto: imago)


Baloxavir marboxil ist der neue Hoffnungsträger gegen Grippe von Roche. Der Wirkmechanismus unterscheidet sich maßgeblich von dem der Neuraminidasehemmstoffe in Tamiflu® und Relenza®, und eine einmalige Dosis von Baloxavir scheint zur Influenzatherapie zu genügen – auch bei Risikogruppen wie Asthmatikern und Senioren.

In der vergangenen Grippesaison 2017/18 hat das Influenzavirus besonders wüst gewütet. Aktuell meldet das Robert-Koch-Institut (RKI) 334.592 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle (40. Meldewoche 2017 bis 28. Meldewoche 2018), 87 Prozent der Patienten waren älter als 60 Jahre und insgesamt starben 1711 Patienten. Die Grippeimpfung bietet noch immer den besten Schutz vor Influenza, jedoch lässt die Durchimpfung bekanntermaßen zu wünschen übrig. In der Grippesaison 2016/17 lag die Impfquote gerade einmal bei 34,8 Prozent.

Baloxavir erweitert Therapieoptionen bei Virusgrippe

Das therapeutische Spektrum ist überschaubar: Amantadin wirkt nur bei Influenza A und findet kaum noch Anwendung. Bleiben derzeit lediglich Oseltamivir in Tamiflu® (Roche) und Zanamivir in Relenza® (GlaxoSmithKline). Das könnte sich mit Baloxavir marboxil jedoch bald ändern. Baloxavir marboxil verfolgt einen völlig neuen Wirkansatz und hat bereits zwei Phase-III-Studien erfolgreich absolviert. In Japan ist der CAP-Endonuklease-Inhibitor bereits seit Februar 2018 zugelassen. Shionogi, aus dessen Pipeline Baloxavir marboxil ursprünglich stammt, vermarktet das neue Grippe-Arzneimittel unter dem Handelsnamen XofluzaTM. Bei der FDA ist schon die Zulassung beantragt. Die Behörde prüft derzeit Baloxavir bei Patienten ab zwölf Jahren zur Behandlung akuter, unkomplizierter Grippe in einem beschleunigten Zulassungsverfahren. Roche – das Unternehmen wird das Arzneimittel mit vermarkten – rechnet bis 24. Dezember 2018 mit einem positiven Bescheid und folglich dem Marktzugang von Baloxavir marboxil.

Wie wirkt Baloxavir marboxil?

Baloxavir marboxil nutzt als Virustatikum einen bei Influenzaviren bislang nicht therapeutisch verwendeten Angriffspunkt: Baloxavir hemmt die CAP-abhängige Endonuklease und somit einen der ersten Schritte im Replikationszykus des Influenzavirus. Influenzaviren werden mittels Endozytose in die Wirtszelle aufgenommen. Anschließend erfolgt die Freisetzung des viralen Ribonukleoproteins ins Zytosol und in der Folge der Import in den Nucleus. Dort findet – neben der Replikation viraler RNA – die Transkription des Influenzagenoms in virale mRNA statt. 

Ohne CAP, keine mRNA der Influenzaviren

Diese Transkription kann jedoch nicht ohne „Kappen“ beginnen. Diese sogenannte CAP-Struktur dient als Primer, als Erkennungssequenz, für die virale RNA-Polymerase. Woher stammt diese CAP-Sequenz? Da Viren bekanntermaßen eine recht reduzierte Ausstattung besitzen, „stiehlt“ die virale Endonuclease diese CAP-Strukturen von der Wirtszelle, sprich der zellulären mRNA. 
Zur Erinnerung: Eine Endonuklease schneidet DNA oder – wie im Falle von Influenzaviren – RNA in der Mitte ihres Nukleotidstranges und schafft somit Mehrfachnukleotide als Spaltprodukt.

Baloxavir verhindert virale Proteinbiosynthese

Hier greift Baloxavir marboxil ein: Es hemmt diese CAP-abhängige Endonuklease. Diese 5’-Kappen sind jedoch für mehrere Prozesse bedeutend: Sie schützen zum einen die mRNA vor dem Abbau. Zum anderen sind sie wichtig für den Transport der mRNA aus dem Zellkern hin zum Ribosom, wo die Proteinbiosynthese stattfindet. Somit resultiert als Effekt einer CAP-abhängigen Endonuklease-Hemmung: Eine Proteinbiosysnthese aus der viralen mRNA ist nicht möglich.

Baloxavir wirkt auch bei Influenza-Risikogruppen

Die bei der FDA eingereichte Phase-III-Studie Capstone-1 untersuchte Baloxavir an 1436 Grippepatienten ohne Begleiterkrankungen. Bei Capstone-2 wurden 2157 Patienten im Alter ab zwölf Jahren in drei Gruppen randomisiert, sie erhielten entweder eine Einzeldosis Baloxavir marboxil oder Oseltamivir oder Placebo. Um an der Studie teilnehmen zu können, mussten die Patienten ein hohes Risiko für Grippekomplikationen haben – Asthma, Diabetes mellitus, chronische Erkrankungen der Lunge oder des Herzens oder 65 Jahre und älter sein.

Primärer Endpunkt von Capstone-2 war die Zeit bis zu Besserung der Grippesymptome. Laut Roche hat Capstone-2 dieses Ziel erreicht – wobei konkrete Studiendaten bislang nicht veröffentlicht sind. Auf Nachfrage von DAZ.online erklärt Roche, dass diese „zeitnah auf einem Kongress vorgestellt“ werden. Laut Roche wirkt Baloxavir auch bei Oseltamivir-resistenten Stämmen und Stämmen der Vogelgrippe (zum Beispiel H7N9, H5N1).

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Entdeckt hat Baloxavir marboxil ein japanisches Unternehmen, Shionogi. Seit 2016 spielt allerdings auch Roche beim neuen Grippewirkstoff eine zentrale Rolle. Da Roche Entwicklung und Zulassung von Baloxavir voranbringt, hat sich das Schweizer Pharmaunternehmen unter Severin Schwan das Gros der Vermarktungsrechte gesichert – wenn Baloxavir die Hürden der Zulassungsbehörden schafft. Roche hält die weltweiten Vermarktungsrechte, einzige Ausnahme bilden Japan und Taiwan. In diesen asiatischen Ländern besitzt Shionogi die Exklusivrechte, in den Vereinigten Staaten hat man sich wohl auf einen Kompromiss geeinigt. Roche und Shionogi teilen sich dort die Rechte an Baloxavir.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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