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DPhG: Raubjournale begünstigen Fake-Science

Stuttgart - 31.07.2018, 16:30 Uhr

Raubjournale veröffentlichen Beiträge gegen Bezahlung, aber ohne nennenswerte Prüfung deren Inhalte. (c / Foto: Alex White / stock.adobe.com)

Raubjournale veröffentlichen Beiträge gegen Bezahlung, aber ohne nennenswerte Prüfung deren Inhalte. (c / Foto: Alex White / stock.adobe.com)


Recherchen eines internationalen Journalistenkonsortiums haben ergeben, dass weltweit 400.000 Forscher in sogenannten Raubjournalen veröffentlicht haben, also wissenschaftlich anmutende Journale, die gegen Bezahlung Beiträge ohne nennenswerte Prüfung der Inhalte annehmen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass unseriöse Informationen und Halbwahrheiten in die Welt kommen. In einer Stellungnahme verweist die Deutsche pharmazeutische Gesellschaft auf die Wichtigkeit von Qualitätssicherung in der Wissenschaft.

Das Geschäftsmodell der „Raubjournale“ ist einfach: Verlage schreiben Forscher und Unternehmen an und empfehlen ihnen, ihre Ergebnisse in einem hauseigenen, wissenschaftlich anmutenden Journal zu veröffentlichen – und zwar gegen Bezahlung. Das ist allerdings nicht der Knackpunkt, denn im Rahmen eines Open-Access-Publikationsverfahrens ist das auch bei seriösen Publikationen üblich. Der Knackpunkt ist, dass die Veröffentlichung ohne nennenswerte Prüfung der Inhalte stattfindet und so auch zweifelhafte Studien das vermeintliche Qualitätssiegel erhalten, publiziert worden zu sein.

Monatelange Recherchen von NDR, WDR, Süddeutscher Zeitung, dem SZ-Magazin sowie weiteren nationalen und internationalen Medien wie dem Falter und Le Monde haben ergeben, dass mehr als 5000 deutsche Wissenschaftler in den vergangenen Jahren in solchen pseudowissenschaftlichen Zeitschriften publiziert haben, darunter Forscher der Helmholtz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Institute, aber auch Wissenschaftler deutscher Hochschulen und Mitarbeiter von Bundesbehörden. Weltweit sollen es, den Recherchen zufolge, über 400.000 Wissenschaftler sein, die in Raubjournals veröffentlicht haben. Die Zahl solcher Publikationen habe sich in den vergangenen fünf Jahren weltweit verdreifacht, in Deutschland gar verfünffacht, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

Open-Access: eigentlich ein begrüßenswerter Umbruch der Publikationskultur

Auch die Deutsche pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) hat sich nun zu dem Thema geäußert. Ihre Stellungnahme ist überschrieben mit „Raubjournale – Der Niedergang der wissenschaftlichen Publikationskultur?“. Die DPhG begrüßt darin grundsätzlich die Tendenz, dass zahlreiche Verlage, häufig neu gegründete, Alternativen zu den klassischen Publikationsorganen bieten, indem sie auf ein „Open-Access-Publikationsverfahren“ setzen. Bei diesem Verfahren bezahlt – vereinfacht dargestellt – der Autor für die Publikation, der Leser kann diese aber kostenlos beziehen. Das Geschäftsmodell weicht damit klar vom bisherigen Publikationswesen ab, bei dem Autoren ihre Publikationen dem Verlag kostenfrei zur Verfügung stellen und dieser seinen Unterhalt und Gewinn aus den Abonnements zieht. Wegen der hohen Preissteigerungen bei Verlagspaketen in den letzten Jahren, stelle dies einen begrüßenswerten Umbruch dar, so die DPhG. Grundsätzlich gemeinsam sei all diesen Publikationen ein Qualitätssicherungsverfahren, das eine mindestens doppelte Expertenbegutachtung als Peer-Review-Verfahren vor der Veröffentlichung berücksichtige.

Immer mehr Raubjournale, immer besser getarnt

Leider entwickle sich damit auch eine große Anzahl von Journalen, die augenscheinlich kein qualitätsgesichertes Publikationsprinzip anbieten, aber die Zahlungen der Autoren als Einnahmequelle benutzen, schreibt die DPhG weiter. Diese sogenannten Raubjournale („predatory journals“) haben in den letzten Jahren zahlenmäßig dramatisch zugenommen und tarnten sich immer besser. Gewöhnlich seien sie nicht in gängigen Datenbanken (Web of Science, PubPharm, Pubmed, EMBASE et cetera) gelistet, suggerierten aber durch äußerst wohlklingende Namen Seriosität und versuchten auf diese Weise zahlungskräftige Autorinnen und Autoren zu gewinnen.

Die DPhG warnt zwar auch davor, nur weil es bei der Annahme von Manuskripten keine Qualitätssicherungsmaßnahmen gebe, den veröffentlichten Arbeiten automatisch schlechte Qualität oder „fake science“ zu unterstellen. Aber in den Augen der wissenschaftlichen Fachgesellschaft ist bei Journals, die darauf verzichten, die Wahrscheinlichkeit für solche Qualitätsmängel wesentlich höher.

Peer-Review-Verfahren ist nicht perfekt

Die DPhG räumt auch ein, dass funktionierende Qualitätsüberprüfungs- und -sicherungs-Systeme wie das klassische Peer-Review-Verfahren zwar nicht frei von Kritikpunkten sind, dennoch haben diese sich in Augen der Pharmazeuten bewährt und seien essentiell für verlässliche Kommunikation, vertrauenswürdige Daten und verantwortungsvollen Fortschritt in den Wissenschaften. Alternative Systeme, wie beispielsweise ArXiv.org, wo Preprints hochgeladen werden und von der Scientific Community begutachtet werden können, würden auch verstärkt in Betracht gezogen, heißt es.

Zum Schluss der Stellungnahme, die unter anderem DPhG-Präsident Prof. Dr. Stefan Laufer sowie Vizepräsident Prof. Dr. Andreas Link unterzeichnet haben, heißt es:

„Die DPhG betont die notwendige Zuverlässigkeit und Überprüfung wissenschaftlicher Daten und die essentielle Bedeutung von Qualitätssicherungsmaßnahmen in den Wissenschaften, auch und gerade im Publikationswesen. Die DPhG schließt sich zudem inhaltlich der Stellungnahme der Allianz der Wissenschaftsorganisationen an, die unter diesem Link zu finden ist“. 



jb / DAZ.online
redaktion@daz.online


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