Interview mit Gehe-Chef Dr. Peter Schreiner
DAZ-Abonnenten können sich hier das gesamte Interview mit Gehe-Chef Dr. Peter Schreiner durchlesen, in dem Schreiner die Forderungen des Positionspapiers detailliert erklärt.
Der Stuttgarter Pharmagroßhändler Gehe wendet sich mit einem Positionspapier an die Politik. Darin fordert Gehe, den Festzuschlag des Großhandels auf Rx-Arzneimittel als nicht rabattierbar festzuschreiben und von 70 auf 96 Cent pro Packung zu erhöhen. Eine Zahl, die bereits die Honorargutachter vorgeschlagen haben. In der aktuellen DAZ äußert sich Gehe-Chef Dr. Peter Schreiner ausführlich zu diesem Thema.
Den ersten Teil der Forderung hat Bundesgesundheitsminister Spahn mit seinem jüngsten Entwurf für das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) bereits aufgegriffen. Doch offenbar erwartet Gehe eine noch weitergehende Diskussion über mögliche Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Der Pharmagroßhändler stellt in seinem „Politischen Whitepaper“ unter dem Titel „Für eine sichere und flächendeckende Arzneimittelversorgung in Deutschland“ klare Forderungen zu den Großhandelszuschlägen. Zur Apothekenhonorierung äußert sich Gehe darin nicht. Das Papier wurde am heutigen Mittwoch an Abgeordnete des Deutschen Bundestages verschickt.
Gehe fordert, den Festzuschlag des Großhandels rechtssicher zu fixieren, also keine Rabatte darauf zuzulassen. Der „rabattfähige“ Höchstzuschlag von 3,15 Prozent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers soll beibehalten werden. Dieser soll weiterhin maximal 37,80 Euro betragen. Soweit deckt sich die Forderung mit dem jüngsten Gesetzentwurf. Doch Gehe fordert darüber hinaus, den Festzuschlag des Großhandels von 70 Cent auf 96 Cent pro verschreibungspflichtiges Arzneimittel zu erhöhen und eine „jährliche dynamische Anpassung des Festzuschlags“ einzuführen, um diesen an die Kostenentwicklung des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen.
Doch es geht Gehe nicht nur um die AMPreisV. Der Großhändler stellt auch detaillierte Forderungen zum Umgang mit Rabattverträgen. Spätestens drei Monate vor Vertragsbeginn und -ablauf müssten die Angaben der betroffenen Arzneimittel (bezogen auf Pharmazentralnummern) bereitgestellt werden. Spätestens zwei Monate vor Vertragsbeginn und -ablauf müssten Daten über die zu erwartende Nachfrage bzw. den zu erwartenden Absatzrückgang geliefert werden. Spätestens zwei Monate vor Vertragsbeginn müssten die Arzneimittelhersteller außerdem ausreichende Mengen der Rabattvertragsarzneimittel bereitstellen. Kosten, die dem Großhandel durch verspätete Meldungen entstünden, müssten von der Krankenkasse ersetzt werden, die dies zu verschulden hat.
Gehe erklärt zudem, eine gesetzliche Festlegung der Belieferungsfrequenzen von Apotheken durch den pharmazeutischen Großhandel sei nicht sinnvoll. Im DAZ-Interview sagt Dr. Peter Schreiner, Vorsitzender der Gehe-Geschäftsführung, dazu: „Das wäre Planwirtschaft.“ Es müsse dem Großhandel überlassen bleiben, die schnelle und bedarfsgerechte Versorgung „nach eigenem, der individuellen Situation angemessenem Ermessen sicherzustellen“. Schreiner führt im DAZ-Interview aus: „Wenn das nur noch einmal am Tag passiert, sollte dann aber auch der Gesetzgeber oder die Gutachter den Menschen erklären, dass sie ihre dringend benötigten Arzneimittel nicht mehr am selben Tag bekommen, weil der Fahrer schon da war und nicht mehr kommen darf.“ Diese „für die Versorgung elementaren Leistungen“ müssten jedoch in der Großhandelsvergütung „nachhaltig berücksichtigt“ werden.
Zur Begründung der Forderungen erläutert Gehe ihre Arbeit als pharmazeutischer Großhändler. Die Apotheken würden durchschnittlich dreimal täglich beliefert. Von der Bestellung bis zur Auslieferung würden durchschnittlich 45 Minuten vergehen. Etwa jedes fünfte Rezept in einer Apotheke könne dort nicht sofort beliefert werden. Bei der Finanzierung trete der Großhandel in Vorleistung, weil die Apotheken im Durchschnitt nach 47 Tagen bezahlen würden. Damit stabilisiere der Großhandel den Kapitalfluss im Gesundheitssystem. Die Leistung des Großhandels sei effektiv und erfolge zu „äußerst geringen Kosten“. Denn auf den Großhandel entfielen 3,3 Prozent der Arzneimittelausgaben der GKV bzw. 0,48 Prozent der gesamten GKV-Ausgaben.
Doch die Gesamtvergütung des Großhandels sei derzeit „nicht auskömmlich“. Der Gesetzgeber müsse die sinkende Marge bei einer Vergütungsanpassung berücksichtigen, um die Leistungsfähigkeit des vollversorgenden Pharmagroßhandels zu sichern. Die Marge des Großhandels sei immer wieder gesenkt worden. Sie habe 2003 noch 12,52 Prozent (bei einem wertabhängigen Zuschlag) betragen, dagegen 2017 nur 4,38 Prozent, erklärt Gehe. Dabei bleibt unklar, inwieweit OTC-Arzneimittel in diese Daten eingehen. Auf die Frage, ob dies ein Branchen- oder Gehe-spezifisches Problem sei, antwortet Schreiner im DAZ-Interview: „Ich muss davon ausgehen, dass die ganze Branche kein Geld mehr verdient.“
Um die Forderung nach einem wirklich „festen“, nicht rabattfähigen Festzuschlag zu begründen, erklärt Gehe, dass dieser die angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken sicherstellen soll. Er solle die preisunabhängigen Kosten, beispielsweise für Personal, Transport, Verwaltung, Lagerung und Dokumentation decken. Der prozentuale Zuschlag solle dagegen die Kosten beispielsweise für Finanzierung, Wettbewerb, regionale Unterschiede, Transportversicherung und Investitionen tragen und einen Spielraum für die Preisgestaltung gegenüber Apotheken gewährleisten. Gehe betont, dass der Gesetzgeber den Festzuschlag als nicht rabattfähig geplant habe. Der jüngste Gesetzentwurf zeigt, dass dies im Bundesgesundheitsministerium ebenso gesehen wird.
Doch die Gehe fordert darüber hinaus einen höheren Festzuschlag. Denn die steigenden Lohn- und Energiekosten sowie die zunehmenden Investitionen aufgrund diverser Vorschriften bei der Vergütung würden bisher nicht berücksichtigt. Allein für die Umsetzung der europäischen Regeln zum Fälschungsschutz (FMD-Guideline) habe Gehe schon 18 Millionen Euro investiert. Die Umsetzung der Leitlinie der Europäischen Kommission zur guten Vertriebspraxis (GDP-Guideline) habe seit Ende 2015 etwa 6 Millionen Euro zusätzliche Betriebskosten verursacht. Auch die Kapitalbindung durch immer mehr Hochpreiser und die zunehmende Zahl der Rabattverträge würden den Großhandel belasten.
Während die Krankenkassen durch Rabattverträge jährlich etwa 4 Milliarden Euro sparen, entstehe beim Großhandel erheblicher Mehraufwand. Dieser gehe deutlich über die in der Vergütung berücksichtigten Leistungen hinaus. Der kurzfristige Sortimentsaustausch habe die pharmazeutischen Großhändler 2017 etwa 45 Millionen Euro gekostet. Um die zusätzlichen Kosten zu reduzieren, fordert Gehe einen gesetzlich geregelten Informationsaustausch zwischen den Krankenkassen und dem Großhandel.
In ihrer letzten Forderung wendet sich Gehe gegen eine gesetzliche Festlegung der Lieferfrequenzen des Pharmagroßhandels. Aufgrund der Vielzahl der Arzneimittel und apothekenüblichen Waren sei das nicht sinnvoll. Eine Verringerung der Lieferfrequenz hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Versorgungsqualität und sei daher kritisch zu beurteilen.
Mit der letzten Forderung reagiert Gehe offenbar auf Vorschläge für verminderte Lieferfrequenzen. Diese wurden sowohl im Honorargutachten, das die Agentur 2HM im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt hatte, als auch im jüngsten Hauptgutachten der Monopolkommission geäußert. In beiden Quellen hatten sich die Autoren allerdings nicht mit dem gesetzlichen Versorgungsauftrag des Großhandels und den praktischen Anforderungen des Apothekenalltags auseinandergesetzt.
Im „Whitepaper“ bleibt offen, warum der Festzuschlag gerade auf 96 Cent steigen soll. Daten dazu werden nicht geliefert. Die Zahl wird auch im Honorargutachten von 2HM genannt, allerdings im Zusammenhang mit einem viel geringeren prozentualen Aufschlag von nur 0,53 Prozent. Doch beim Grundproblem besteht eine Analogie zu den Apotheken. Gehe fordert, den 2012 eingeführten Festzuschlag des Großhandels für Rx-Arzneimittel jährlich zu dynamisieren. Den Festzuschlag für Apotheken gibt es seit 2004 und er wurde nur 2013 einmal erhöht. Damit läge eine gemeinsame Forderung von Apotheken und Großhändlern nach einer Anpassungssystematik nahe. Auch beim Blick auf die Rabattverträge gibt es Parallelen. Denn auch in Apotheken entstehen durch Rabattverträge hohe Kosten, die nicht kompensiert werden.
DAZ-Abonnenten können sich hier das gesamte Interview mit Gehe-Chef Dr. Peter Schreiner durchlesen, in dem Schreiner die Forderungen des Positionspapiers detailliert erklärt.
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Volltreffer
von Uwe Hansmann am 01.08.2018 um 18:11 Uhr
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