Pflanzen-Porträt

Ginseng – Wurzel für mehr Lebenskraft?

Stuttgart - 03.09.2018, 14:45 Uhr

Ginseng soll vitalitäts- und leistungssteigernd wirken. (c / Foto: kai / stock.adobe.com)

Ginseng soll vitalitäts- und leistungssteigernd wirken. (c / Foto: kai / stock.adobe.com)


Pflanze für die ewige Jugend, vitalitätssteigernd und gegen Stress: Diese Attribute bekommt Ginseng gern verliehen. Doch wie viel Wirksamkeit steckt in diesem jahrtausendealten „Allheilmittel“ tatsächlich? Und ist Ginseng immer gleich Ginseng? Woher rührt außerdem sein rätselhafter Name „Menschenwurzel“? Es lohnt sich, diese fernöstliche Arznei genauer zu betrachten.

Der Echte Ginseng (= Koreanischer Ginseng, Panax ginseng) ist schon seit mehr als 2000 Jahren ein wichtiger Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Er dient dort als Stärkungsmittel zur Aktivierung der Lebensenergie Qi. Im 17. Jahrhundert gelangte der Ginseng durch niederländische Seefahrer nach Europa.

Pflanze für die ewige Jugend

Schnell verbreitete sich der Ruf, der Ginseng habe fantastische Wirkungen: Er könne Alterserscheinungen und Gebrechen beheben; er wirke lebensverlängernd und erhöhe Stärke und Potenz. In Königs- und Adelshäusern wurde er daraufhin zum Objekt der Begierde. Vor allem am Hofe des französischen Sonnenkönigs Ludwig IV. entstand ein wahrer Ginseng-Boom. Sogar der wissenschaftliche Pflanzenname „Panax“ steckt voller Überschwang. Leitet er sich doch vom griechischen Wort für „allheilend“ ab.

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Wertvoller als Gold

Die Begeisterung für das fernöstliche Wundermittel beschränkte sich früher aus gutem Grund auf Könige und Adlige. Ginseng war lange Zeit wertvoller als Gold. Das lag nicht nur am weiten Weg von den heimatlichen Bergwäldern Koreas und Chinas bis nach Europa. Wilder Ginseng wächst außerdem sehr langsam. So dauert es in der Natur über 100 Jahre, bis die Pflanze das begehrte Heilmittel fertig ausgebildet hat: die circa zwölf Zentimeter lange Wurzel.

Warum heißt Ginseng auch die „Menschenähnliche“?

Die eigenartige Gestalt der Ginsengwurzel erregt leicht die Fantasie. So ist das rübenartige Gebilde meist ab der Mitte zwei- oder mehrfach zerteilt und erinnert oft an einen Körper mit Gliedmaßen. Häufig trägt die Wurzel oben noch einen abgesetzten Achsenrest – ähnlich einem kleinen Kopf. Kein Wunder also, dass die Bezeichnung „Menschenwurzel“ geprägt wurde. Auf die Wurzelgestalt bezieht sich auch der Name „Ginseng“, denn er leitet sich aus dem chinesischen Wort für „menschenähnlich“ ab.

Heute eine Kulturpflanze

Im Vergleich zur Wurzel ist das oberirdische Erscheinungsbild von Panax ginseng weniger mystisch. Es handelt sich um eine 30 bis 80 Zentimeter hohe Staude, deren weißliche Blüten in Dolden stehen und sich zu leuchtend roten Früchten entwickeln. Die Pflanze gehört zur Familie der Araliengewächse (Araliaceae) und ist damit ein Verwandter unseres Efeus. Ginseng wird heute auf Plantagen kultiviert, vor allem in China, Korea, Japan und Russland, aber auch schon in Deutschland. Die Wurzeln sind beim Kulturginseng bereits nach fünf bis sieben Jahren erntereif.

Aktivierend und leistungssteigernd

Die moderne Wissenschaft hat den Mythos des Ginsengs als Wunder- und Allheilmittel zwar entzaubert, dennoch konnte eine Vielzahl positiver Wirkungen für die Droge Ginseng radix bestätigt werden. Im Vordergrund stehen dabei aktivierende, leistungssteigernde und immunstimulierende Effekte. So förderte Ginsengwurzel oder -extrakt in experimentellen Untersuchungen die Zellteilung und die Proteinbiosynthese. Es zeigten sich unter anderem krebswachstumshemmende Eigenschaften sowie stimulierende Effekte auf B-Lymphozyten und T-Helferzellen. In der Hirnrinde kam es zu erhöhten Neurotransmitterspiegeln. Darüber hinaus ergaben sich Hinweise auf mögliche blutfett- und blutzuckerspiegelsenkende Eigenschaften.

Ginseng als Anti-Stressmittel

Bei Versuchstieren erhöhte Ginsengwurzel die Belastbarkeit unter Stress. In Studien mit Menschen verbesserte Ginseng unter anderem Stimmung, Wohlbefinden, Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung, außerdem körperliche Leistungsfähigkeit und Lungenfunktion bei COPD. Auch das Fatigue-Syndrom bei Krebspatienten konnte gemildert werden. Die Erholungsphase nach Überanstrengung kann durch Ginseng verkürzt werden, ebenso die postoperative Rekonvaleszenz. Ginseng wird als sogenanntes Adaptogen bezeichnet. Darunter versteht man eine Anpassungshilfe, die den Körper wieder in Balance zu bringen vermag und widerstandfähig gegenüber verschiedensten Formen von Stress macht.

Tonikum bei Erschöpfung

Der Ginseng ruft jedoch immer wieder Kritiker auf den Plan. Sie bemängeln, dass die Daten auf zu verschiedenartigen Studien sowie unterschiedlichen Ginsengzubereitungen und -dosierungen beruhen. Die Datenlage sei insgesamt unzureichend. Die Indikationen für Ginseng zielen dementsprechend nicht auf bestimmte Krankheitsbilder ab, sondern haben allgemeineren Charakter. So formulierte die für Phytotherapeutika zuständige Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes als Einsatzgebiet: „Als Tonikum zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeits-, Schwächegefühl, nachlassender Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie Rekonvaleszenz“. Der europäische Phytopharmakaausschuss befürwortet den Einsatz von Ginseng als traditionelles Mittel aufgrund langjähriger Erfahrung bei „Symptomen von Kraftlosigkeit wie Erschöpfung und Schwäche“.

Spezifische Inhaltsstoffe – die Ginsenoside

Eine Besonderheit zeigt sich bei den Inhaltsstoffen. Nur in der Ginsengwurzel kommen spezifische Triterpensaponine vor – die sogenannten Ginsenoside. Davon wurden inzwischen über 30 Einzelverbindungen identifiziert. Die Ginsenoside gelten als maßgeblich für die Wirksamkeit. Der Gehalt an diesen Substanzen nimmt mit dem Alter der Wurzel zu. Die pharmakologische Wirksamkeit eines Ginseng-Präparats hängt also entscheidend von der Qualität der Droge ab. Ginsengwurzel kann getrocknet zur Teezubereitung verwendet werden (1 bis 2 g Droge/Tasse). Empfehlenswert ist aber die Einnahme standardisierter Präparate (Tagesdosis 1 bis 2 g Droge, mind. 10 mg Ginsenoside).

Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel

Bei den Fertigpräparaten kommt zum einen Ginsengwurzelpulver zum Einsatz – entweder direkt zum Einnehmen oder in Kapselform. Zum anderen werden Ginsengwurzel-Fluid- oder Trockenextrakte verwendet. Bei den angebotenen Präparaten handelt es sich entweder um Nahrungsergänzungsmittel, die teilweise noch B-Vitamine und andere Mikronährstoffe enthalten, oder um traditionelle Arzneimittel. Die Ginseng-Dosierungen sind dabei recht unterschiedlich. Beispiele für Fertigpräparate sind Alsiginseng® Stärkungspulver pur, Centrum® Plus Ginseng & Ginkgo, Doppelherz® Ginseng 200, Ginseng Kapseln Twardy, Ginseng Pulver Allcura.

Weißer Ginseng – Roter Ginseng

Keine andere Art, sondern nur galenisch verändert, ist sogenannter Roter Ginseng. Hierfür werden Panax-ginseng-Wurzeln wasserdampfbehandelt und dadurch hart und rötlich. Uneins ist man sich, ob Roter Ginseng qualitativ wertvoller ist als der weiße Ginseng, der lediglich gewaschen und getrocknet wird. Beispiele für Fertigpräparate sind Roter Ginseng Pulverextrakt Kapseln Allcura und Roter Ginseng 300 mg Kapseln Aurica.

Anwendungsbeschränkungen beachten

Die Einnahme von Ginseng ist nur für Erwachsene vorgesehen und sollte sich über mindestens drei bis vier Wochen, aber nicht länger als drei Monate in Folge erstrecken. Die Verträglichkeit gilt als gut. Empfindliche Personen können eventuell mit Schlaflosigkeit und Magen-Darm-Beschwerden reagieren. Vorsicht ist bei Bluthochdruck geboten. Außerdem ist eine Interaktion mit gerinnungshemmenden Medikamenten nicht ausgeschlossen. Ginseng verlängert möglicherweise die Blutungszeit und soll blutzuckersenkende Wirkung haben. Hierzu ist die wissenschaftliche Datenlage aber noch nicht eindeutig.



Ulrike Weber-Fina, Diplom-Biologin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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