Pflanzen-Porträt

Ginkgo – pflanzliche Hilfe bei Demenz

Stuttgart - 04.09.2018, 10:15 Uhr

Ginkgo biloba: Ein lebendes Fossil, dem selbst Hiroshima nichts anhaben konnte. Medizinisch bedeutsam ist Ginkgo vor allem bei Demenz. (c / Foto: Roxana / stock.adobe.com)

Ginkgo biloba: Ein lebendes Fossil, dem selbst Hiroshima nichts anhaben konnte. Medizinisch bedeutsam ist Ginkgo vor allem bei Demenz. (c / Foto: Roxana / stock.adobe.com)


Als eines der wenigen pflanzlichen Arzneimittel sind Ginkgo-Präparate auch für Erwachsene erstattungsfähig. Eingesetzt werden Ginkgo-Extrakte bei Demenz und auch Tinnitus. Was macht den Baum sonst noch so besonders?

Name mit Druckfehler – auf kuriose Art kam der Ginkgo zu seinem Namen: Ende des 17. Jahrhunderts entdeckte der deutsche Forschungsreisende Engelbert Kaempfer in Japan den eigentümlichen Baum. Die fleischigen Samen der weiblichen Ginkgo-Bäume inspirierten ihn zur Namensgebung „Silberaprikose“. Auf Japanisch heißt dies „Ginkyo“. Durch einen Druckfehler entstand daraus „Ginkgo“. Diese Schreibweise behielt man einfach bei.

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In der botanischen Nomenklatur bekam der Ginkgo später noch die Artbezeichnung „biloba“. Das bedeutet „zweilappig“ und beschreibt die charakteristische Blattform.

Die Wiederkehr 

Um 1730 kam Ginkgo biloba nach Europa. In den Fürstenhäusern hatte man damals eine Vorliebe für exotische Gewächse. Vielerorts wurden daher diese ostasiatischen Bäume mit ihren fächerförmigen, im Herbst goldgelb leuchtenden Blättern angepflanzt. Eigentlich handelte es sich damals um eine Wiederkehr von Ginkgo biloba. Denn bis vor 30 Millionen Jahren besiedelten er und seine Artverwandten die gesamte nördliche Hemisphäre. Während die anderen Ginkgo-Arten ausstarben, überlebte Ginkgo biloba in einigen Regionen Chinas – als einziger Vertreter der Pflanzenfamilie Ginkgoaceae. Buddhistische Tempelmönche entdeckten den Baum vor circa 900 Jahren wieder und verbreiteten ihn bis Japan. Er wurde in Tempelgärten kultiviert. Daher stammt auch der Name „Japanischer Tempelbaum“. Mittlerweile hat der Mensch den Ginkgo-Baum über die gesamte Erde verbreitet.

Ginkgo: ein lebendes Fossil

Ginkgo biloba gilt stammesgeschichtlich als ältester Baum der Erde. Allerdings ist er weder Laub- noch Nadelbaum. Vielmehr nimmt er eine Sonderstellung ein – als Bindeglied zwischen den Farnen und den Koniferen. Daher haben Ginkgo-Blätter keine Mittelrippe. Die Blattnerven verlaufen parallel und sind gabelig verzweigt – ähnlich wie bei den Farnen. Der Ginkgo wird auch als „lebendes Fossil“ bezeichnet, denn er hat sich über die riesige Zeitspanne von 150 Millionen Jahren praktisch nicht verändert.

Das „Wunder von Hiroshima“

Dass der Ginkgo an der Evolution praktisch nicht teilgenommen hat, liegt wohl an seiner enormen Anpassungsfähigkeit. So können ihm weder große Temperaturschwankungen noch Krankheiten oder Schädlinge etwas anhaben. Auch gegen sämtliche Formen heutiger Umweltverschmutzung zeigt sich der Ginkgo erstaunlich resistent. Deshalb wird er in vielen Großstädten an stark befahrenen Straßen angepflanzt. Wie widerstandsfähig der Ginkgo ist, zeigte sich besonders eindrucksvoll im August 1945 bei der Atombombenexplosion in Hiroshima: In einem Tempelbereich nahe dem Epizentrum der Explosion verbrannte ein Ginkgo-Baum fast vollständig. Doch schon im Frühjahr 1946 trieb er wie durch ein Wunder wieder grün aus – als erste Pflanze überhaupt.

Inspiration für Künstler

Schon vor dem „Wunder von Hiroshima“ wurde der Ginkgo in vielen Kulturen verehrt – als Symbol für Stärke und Hoffnung sowie für Fruchtbarkeit und langes Leben. Die Ästhetik der fächerförmigen Blätter inspirierte außerdem Dichter und Künstler. Ein berühmtes Beispiel sind Goethes Ginkgo-biloba-Verse („… sind es zwei, die sich erlesen, dass man sie als eines kennt …“). Das Ginkgo-Blatt steht hierbei als Symbol für Vereinigung und Trennung. Künstler des Jugendstils wählten das Ginkgo-Blatt gerne als dekoratives Element für Geländer und Fassaden.

Positive Effekte der Ginkgo-Wirkstoffe

Seit einigen Jahrzehnten erfährt der Ginkgo erneute Wertschätzung – in medizinischer Hinsicht. In den Ginkgo-Blättern stecken Substanzen, die bisher in keiner anderen Pflanze gefunden wurden. Es handelt sich um spezifische Terpenlaktone, insbesondere Ginkgolide sowie Bilobalid. Weiterhin sind unter anderem Flavonoide und Proanthocyanidine enthalten. Es zeigte sich, dass Blattextrakte mit diesem Wirkstoffspektrum positive pharmakologische Effekte haben. So verbessern sie zum Beispiel die Fließeigenschaften des Blutes, insbesondere in den kleinsten Blutgefäßen wie etwa im Gehirn. Die Zellen werden besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Außerdem vermag Ginkgo-Blattextrakt schädliche Sauerstoffradikale zu inaktiveren und die für die Energiegewinnung zuständigen Mitochondrien zu stabilisieren. Auch das cholinerge Neurotransmittersystem wird unterstützt.

Nutzen für Demenzpatienten

Diese Eigenschaften machen Ginkgo-Blattextrakt zu einem geeigneten Mittel für die Verbesserung der Hirnleistung. Tatsächlich zeigt sich eine symptomatische Wirksamkeit bei Demenz-Patienten. In zahlreichen klinischen Studien ist die Verbesserung kognitiver Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis belegt. Ebenso lassen sich begleitende Verhaltenssymptome wie Unruhe, Angst und Reizbarkeit lindern sowie Lebensqualität und Alltagskompetenz verbessern. Die meisten Studienergebnisse wurden mit dem Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761® (zum Beispiel in Tebonin® konzent® 240 mg) gewonnen.

In Leitlinie aufgenommen

Ausdrücklich als Behandlungsoption erwähnt wird dieser Spezialextrakt in der Neufassung der Leitlinie „Demenzen“, die von führenden deutschen Fachgesellschaften im Jahr 2016 herausgegeben wurde. Demnach eignet sich der Ginkgo-biloba-Extrakt für Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer- oder vaskulärer Demenz, vor allem wenn zusätzlich Verhaltenssymptome vorliegen. Er ist bei Demenz auch verordnungs- und erstattungsfähig. Auch der europäische Phytopharmakaausschuss hat den Einsatz von Ginkgo-Zubereitungen bei leichter Demenz positiv bewertet. Ähnliche, monographiekonforme, standardisierte Ginkgo-Extrakte wie EGb 761® sind zum Beispiel in Gingium® extra 240 mg, Ginkgo-Maren® 240 mg und Ginkobil® ratiopharm 240 mg enthalten.

Weitere Einsatzgebiete von Ginkgo

Gemäß der früher für Phytotherapeutika zuständigen Kommission E am ehemaligen Bundesgesundheitsamt hat Ginkgo-Extrakt noch weitere Indikationen: Tinnitus, Schwindel und periphere arterielle Verschlusskrankheit. Wissenschaftlich gelten diese heute jedoch als weniger gut belegt. Weiterer Forschungsbedarf besteht auch noch hinsichtlich der Frage, ob Ginkgo-Extrakt, frühzeitig eingenommen, eine Demenz verhindern kann. Gemäß aktueller Demenz-Leitlinie wird eine vorbeugende Einnahme gegen Demenzerkrankungen nicht empfohlen.

Qualität muss stimmen

Die Wirksamkeit von Ginkgo-Präparaten hängt entscheidend von der ausreichenden Dosierung und einer hochwertigen Qualität des Extrakts ab. So wird eine Extrakt-Tagesdosis von 240 mg empfohlen. Der Extrakt muss quantifiziert sein, also eine festgelegte Mindestmenge an wirksamkeitsrelevanten Ginkgoliden, Bilobalid sowie Flavonoiden enthalten. Gleichzeitig müssen bei der Extraktherstellung die toxischen und allergenen Ginkgolsäuren weitgehend entfernt werden. Ihr Gehalt im Extrakt darf 5 ppm nicht übersteigen. Nichtapothekenpflichtige Ginkgo-Präparate, meist Nahrungsergänzungsmittel, erfüllen diese Voraussetzungen häufig nicht. Auch von Ginkgo-Tee ist abzuraten, da er große Mengen an Ginkgolsäure enthalten kann. 

Mögliche Risiken

Natürlich können Ginkgo-Extraktpräparate keine Wunder vollbringen. Doch gerade bei Demenzen ist es schon ein Erfolg, wenn sich der Krankheitsverlauf ein wenig verzögert oder der Patient emotional stabiler ist. Die Einnahme sollte regelmäßig über mindestens acht Wochen erfolgen. In der Regel sind diese Arzneimittel in der vorgegebenen Dosierung gut verträglich. Kopfschmerzen, leichte Magen-Darm-Beschwerden sowie allergische Hautreaktionen sind mögliche Nebenwirkungen. Da Ginkgo-Extrakt die Fließeigenschaften des Blutes beeinflusst, können in Einzelfällen unerwartete Blutungen auftreten. Vorsicht ist grundsätzlich bei Kombination mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten geboten. Wechselwirkungen sind hier nicht auszuschließen.



Ulrike Weber-Fina, Diplom-Biologin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Kommission E

von Michael Mischer am 05.09.2018 um 11:30 Uhr

Allerdings sind die Stellungnahmen der Kommission E inzwischen ja sehr angegraut und insbesondere hier überholt - der Ausschuss der EMA, der für Herbal Medicines zuständig ist, hat sich ja in erheblicher Länge und mit anderen Schlussfolgerungen geäußert:
http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/herbal/medicines/herbal_med_000105.jsp&mid=WC0b01ac058001fa1d

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