Neue Volkskrankheit?

Kreidezähne – was Apotheker wissen müssen

Stuttgart - 07.09.2018, 15:30 Uhr

Schwere Formen der „Kreidezähne“ weisen abgesplitterte oder fehlende Schmelzareale unterschiedlichen Ausmaßes auf. Die Frontzähne sind häufig ebenfalls betroffen. ( r / Foto: DGZMK)

Schwere Formen der „Kreidezähne“ weisen abgesplitterte oder fehlende Schmelzareale unterschiedlichen Ausmaßes auf. Die Frontzähne sind häufig ebenfalls betroffen. ( r / Foto: DGZMK)


Bisphenol A wahrscheinlich nicht schuld? 

Seit 2011 sei BPA (Bisphenol A) für die Herstellung von Säuglingsflaschen verboten, schreibt das BfR in seiner Mitteilung. Die Tierstudie, die einen Zusammenhang zwischen Kreidezähnen und BPA gezeigt haben soll, zeigt nach Meinung des BfR aber, „dass es keinen gesicherten Zusammenhang zwischen der Aufnahme von BPA über Lebensmittelkontaktmaterialien und der Entstehung von MIH bei Kindern gibt“.

Das BfR begründet das mit „neueren Daten aus den Niederlanden“. Demnach betrage die orale Aufnahme von BPA bei Kindern in der stark exponierten Gruppe 0,14 µg pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag und sei damit 35-fach niedriger als die Dosis, die im Tierversuch verwendet wurde. Berücksichtige man also die tatsächliche Aufnahme von BPA durch den Menschen und toxikokinetische Unterschiede zwischen Ratte und Mensch in der neonatalen Phase, erscheine ein direkter Zusammenhang zwischen BPA und MIH für den Menschen unwahrscheinlich. 

Bisphenol A (BPA)

BPA wird vor allem als Ausgangssubstanz für die Herstellung von Polycarbonat-Kunststoffen und Kunstharzen verwendet (Industriechemikalie: 2,2-Bis(4-hydroxyphenyl)propan). Polycarbonat wird für die Herstellung von Behältern und Flaschen für Lebensmittel und Getränke verwendet. Eine weitere Quelle für Bisphenol A sind beispielsweise Kassenbons, Fahrkarten oder Parktickets. BPA wird als Farbbildner in diesen sogenannten Thermopapieren eingesetzt. Diese Verwendung wird ab Januar 2020 verboten sein.

Unbedenklich ist BPA laut BfR nicht:

„Im Juli 2016 wurde Bisphenol A als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B nach der CLP-Verordnung) eingestuft und aufgrund dieser Einstufung im Januar 2017 als besonders besorgniserregende Substanz (SVHC) nach der REACH-Verordnung identifiziert. Im Juni 2017 erfolgte für den Stoff eine erneute SVHC-Identifizierung aufgrund seiner Eigenschaften als sogenannter „Endokriner Disruptor“ für die menschliche Gesundheit. Als endokrine Disruptoren werden hormonell schädigende Stoffe bezeichnet.“

Auch das BfR geht bei der Enstehung von Kreidezähnen von einem „multifaktoriellen Geschehen“ aus: Epidemiologische Studien sollen unter anderem auf Erkrankungen der Mutter im letzten Schwangerschaftsviertel, Komplikationen bei der Geburt oder häufige Erkrankungen des Kindes in den ersten Lebensjahren (vor allem verbunden mit hohem Fieber) hinweisen. Auch ein zu niedriger Vitamin-D-Blutspiegel oder eine frühe Aufnahme des Antibiotikums Amoxicillin werden laut BfR diskutiert.

Das BfR bringt zudem einen weiteren bekannten verdächtigen Stoff ins Spiel: Studien sollen über Zusammenhänge zwischen MIH und einer erhöhten Exposition gegenüber Dioxin berichten. Menschen, die in Seveso („Sevesounglück“) im Alter von unter fünf Jahren hohe Serumspiegel des Dioxins Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) aufwiesen, zeigten später eine erhöhte Prävalenz für MIH. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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