Interview Rechtsanwalt Melcher

Verunreinigtes Valsartan: Diese Rechte und Möglichkeiten haben Patienten

Berlin - 07.09.2018, 17:45 Uhr

Patienten und Angehörige sind nach der Valsartan-Krise verunsichert.  Bei einer Informationsveranstaltung konnten sie Rechtsanwälten ihre Fragen stellen. ( r / Foto: Kadmy / Stock.adobe.com)

Patienten und Angehörige sind nach der Valsartan-Krise verunsichert.  Bei einer Informationsveranstaltung konnten sie Rechtsanwälten ihre Fragen stellen. ( r / Foto: Kadmy / Stock.adobe.com)


Die Gefährdungshaftung nach dem Arzneimittelgesetz

DAZ.online: Welche Hilfe können Sie als Rechtsanwälte geben? Welche Ansprüche könnten Betroffene geltend machen – und wem gegenüber?

Melcher: Da kommen zunächst Haftungs- und Auskunftsansprüche nach dem Arzneimittelgesetz in Betracht. Die wichtigste Regelung ist hier die Gefährdungshaftung nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG.

§ 84 AMG – Gefährdungshaftung (Auszug)

(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht nur, wenn 

1. das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (...). 

Anspruchsgegner ist hier der pharmazeutische Hersteller: Hat er ein Arzneimittel in den Verkehr gebracht, wodurch ein Mensch getötet oder nicht unerheblich in seiner Gesundheit verletzt wurde – bei bestimmungsgemäßen Gebrauch –, ist er zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet.

DAZ.online: Wie berechnet sich dieser Schaden?

Melcher: Es kommen Schmerzensgeld- und Sachschadensansprüche in Betracht. Das Schmerzensgeld bemisst sich nach dem Grad der Beeinträchtigung der Patienten bei einer Erkrankung. Aber auch wenn Patienten (noch) nicht aufgrund der Valsatan-Einnahme erkrankt sind, kann ein Anspruch aufgrund psychischer oder sonstiger Belastungen gegeben sein.

DAZ.online: Ist es für den Anspruch nötig, dass der pharmazeutische Unternehmer von der Verunreinigung wusste? Offenbar war diese ja unerwartet – und die Unternehmen sagen nun, sie hätten auch gar keine Chance gehabt, in die genauen Synthese-Prozesse ihrer Wirkstofflieferanten zu blicken.

Melcher: Nein, der Unternehmer musste von der Verunreinigung nichts wissen. Der Anspruch besteht davon unabhängig. Es müssen nur die Voraussetzungen des § 84 AMG, wie dargelegt, vorliegen. Allerdings prüfen wir gerade, ob nicht auch ein Vorwurf insoweit an die pharmazeutischen Unternehmer zu erheben ist, dass sie die Hersteller in den Drittländern nicht ausreichend überwacht haben. Entsprechende Hinweise kommen vom EDQM, dem europäischen Direktorat für Arzneimittelqualität.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Interessant ...

von Kritiker am 09.09.2018 um 5:29 Uhr

... wären Informationen über die Größenordnung möglichen Schadensersatzes.

Für die Geschädigten in Deutschland scheint doch im Vergleich zu den USA bestenfalls ein Almosen durchsetzbar zu sein.

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