90 Jahre Penicillin

Antibiotika-Resistenzen: Bereits Fleming warnte

Berlin - 15.09.2018, 08:00 Uhr

Penicillin-Entdecker
Alexander Fleming warnte während seiner Nobelpreisrede 1945 vor der Möglichkeit
von Resistenzbildungen durch Penicillin-Einsatz. ( r / Foto: imago / United Archives International)

Penicillin-Entdecker Alexander Fleming warnte während seiner Nobelpreisrede 1945 vor der Möglichkeit von Resistenzbildungen durch Penicillin-Einsatz. ( r / Foto: imago / United Archives International)


Resistenzbildungen – schon Fleming warnte

Die Erkenntnisse zur Bekämpfung bakterieller Infektionskrankheiten stellten bahnbrechende Fortschritte in der Medizin dar. Die Sterblichkeit sank, Infektionskrankheiten konnten bekämpft und Operationen sicherer durchgeführt werden. Der medizinische Fortschritt wurde bei aller damaligen Euphorie jedoch zunehmend durch Resistenzbildungen gefährdet. Schon Alexander Fleming warnte, dass eine unsachgemäße Anwendung des Penicillins Bakterien unempfindlich gegen das Beta-Laktam-Antibiotikum machen könnte. „Es besteht die Gefahr, dass die Mikroben lernen, resistent gegen Penicillin zu werden. Und wenn die Mikrobe einmal resistent ist, bleibt sie auch für lange Zeit resistent.“ 

Für Fleming unterlag der Einsatz des Penicillins bestimmten Regeln: Antibiotika dürften nur bei gegen den Wirkstoff empfindlichen Bakterien eingesetzt werden. Die Applikation müsse den Kontakt zum Erreger gewährleisten. Zudem müsse der Wirkstoff ausreichend hoch dosiert und lange genug angewandt werden. Lange Zeit waren die Erkenntnisse Flemings Standard in der antibiotischen Therapie – oder hätten es zumindest sein sollen. Aber gerade das „ausreichend hoch und lange“ wird laut aktueller wissenschaftlicher Empfehlungen in ein „so kurz wie möglich, so lang wie nötig“ modifiziert. Heutzutage sollten bakterielle Infektionskrankheiten leitliniengerecht und sachgemäß bekämpft werden – und gleichzeitig die aktuelle Resistenzsituation und der Zustand des Patienten als Grundlagen für Verordnungsentscheidungen beachtet werden. Die Wirklichkeit sieht allerdings nicht immer so aus. 

Resistenzbildung – evolutionäre Abwehrstrategie durch Menschen verstärkt

Ein Keim gilt als resistent, wenn die minimale Hemmkonzentration (MHK), also die minimale Konzentration eines antimikrobiellen Wirkstoffes, die in vitro das Wachstum eines Erregers hemmt, höher liegt als die höchste in vivo nicht toxische Serum- bzw. Gewebekonzentration. Das bedeutet: Mehr geht nicht – und weniger hilft nicht mehr. Es kann zudem zu Kreuzresistenzen kommen. Diese werden durch chemisch verwandte Antibiotika oder solche mit gleichem Wirkmechanismus ausgelöst. Ferner werden im Rahmen von Antibiotikabehandlungen auch Einflüsse auf die natürliche Bakterienflora beobachtet und eine Selektion resistenter Keime in der Normalflora (Resistenzselektion). 

Resistenzbildungen bei Bakterien beruhen letztlich auf evolutionäre Abwehrstrategien, die sich gegen für sie schädliche Substanzen richten. Die Resistenzmechanismen laufen mit unterschiedlichen Auswirkungen sowohl auf Genebene als auch auf Proteinebene ab. Dabei kann es sowohl zu chromosomalen Resistenzen kommen, die weitervererbt werden, aber nicht auf andere Bakterien übertragen werden, als auch zu übertragbaren extrachromosomalen Resistenzen. Auf Proteinebene können unterschiedliche Reaktionen in der Bakterienzelle ausgelöst werden wie zum Beispiel Veränderungen der Zellpermeabilität, die es den Antibiotika erschweren, zum Wirkort zu gelangen. 

Der Mensch kann durch – vor allem einen unsachgemäßen – Einsatz von Antibiotika die Resistenzbildungsraten verstärken. Zu den Problemfeldern gehört der großflächige Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung und in der Landwirtschaft ebenso wie unsachgemäße Verordnung von Antibiotika beim Menschen. Ein rationales Antibiotikaverordnungsverhalten und der zurückhaltende Einsatz von Reserveantibiotika sind wichtige Voraussetzungen zur Eindämmung der Resistenzbildung. Leider zeigt die Realität teilweise ein anderes Bild mit entsprechenden Folgen



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.