Gastbeitrag Dr. Franz Stadler

Arzneimittelversorgung: Sind die Handelswege das Problem?

Erding - 02.10.2018, 15:45 Uhr

Reichen bessere Arzneimittelkontrollen aus, um Skandale wie Lunapharm und Valsartan künftig zu vermeiden? Diese Frage stellt sich DAZ.online-Gastkommentator und Apotheker Dr. Franz Stadler. (Foto: Imago)

Reichen bessere Arzneimittelkontrollen aus, um Skandale wie Lunapharm und Valsartan künftig zu vermeiden? Diese Frage stellt sich DAZ.online-Gastkommentator und Apotheker Dr. Franz Stadler. (Foto: Imago)


In den vergangenen Monaten standen die Handelswege der Arzneimittel im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Arzneimittelskandale wie die Lunapharm-Affäre trugen ihren Teil dazu bei. Oftmals geht es nun um mehr und bessere Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden. Aber kann ein Mehr an Kontrollen zu einem Mehr an Arzneimittelsicherheit führen? Muss nicht vielmehr über grundlegende Eingriffe in die Struktur der Arzneimittelversorgung und der Handelswege nachgedacht werden? Diesen Fragen versucht Dr. Franz Stadler nachzugehen.

Beispiel Lunapharm: Die brandenburgischen Aufsichtsbehörden haben versagt. Das ist im Bericht der Task Force vom September 2019 im Einzelnen nachzulesen und gut dokumentiert. Neben dem Rücktritt der Gesundheitsministerin Brandenburgs, Frau Diana Golze, der zwar als politisch korrekt bewertet werden kann, aber ohne Einfluss auf die Arzneimittelsicherheit bleiben wird, führte dieser Fakt – bis dato – unter anderem zu folgenden Vorschlägen/Aktionen:

  • Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will das BfArM stärken. So sollen Arzneimittelrückrufe künftig über das Bundesamt möglich sein und nicht mehr wie bisher über die einzelnen Landesbehörden abgewickelt werden.
  • Es werden neue Stellen in Brandenburg geschaffen: Geplant sind fünf neue Stellen im Gesundheitsministerium und sieben im Landesamt. Die zwölf neuen Stellen, für die überwiegend Apotheker gesucht werden, sollen diesen Herbst ausgeschrieben werden.
  • Es wird umstrukturiert: So soll im Ministerium ein eigenes Referat für Arzneimittelüberwachung eingerichtet und die Innenrevision wiederbelebt werden.

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Jeder dieser Schritte ist zu begrüßen, fördern sie doch in einem gewissen Grad die Arzneimittelsicherheit. Selbst der VAD, Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands, der sonst fast den gesamten Task Force Bericht als politisch von der ABDA gesteuert ablehnt, fordert mehr Kontrollen und begrüßt als zusätzliche Sicherheitskomponente Securpharm. Aber wird dadurch das Problem wirklich gelöst?

Bankrotterklärung der Kontrollbehörden

Liest man den Bericht der Task Force im Detail, so fällt ein wichtiger Punkt auf: Einige der Rückstellmuster mussten zu Roche, dem Originalhersteller der Produkte, zur analytischen Untersuchung der Wirkstoffe auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geschickt werden. Die Begründung für diesen Vorgang ist so simpel wie erhellend: Ohne Kenntnis der geheimen Produktspezifikationen können Proteingemische, und alle monokloanalen Antikörper (MAK) sind Proteingemische, selbst bei bester personeller und apparativer Ausstattung, nicht valide auf ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hin untersucht werden! Nur der Originalhersteller und die EMA kennen diese Informationen. Bei diesen Produkten ist also eine analytische Kontrolle durch Behörden des Bundes oder der Länder im Regelbetrieb gar nicht möglich, sondern wird sich immer auf eine formale Kontrolle nach Aktenlage (Zertifikate, Lieferscheine, Großhandelserlaubnis etc.) beschränken müssen. Dabei sind gerade diese Wirkstoffe, wegen ihrer hohen Preise und den entsprechenden Gewinnspannen, beliebte Handelsprodukte für den Parallelim- und -export.

Angesichts der Undurchschaubarkeit der europaweiten Handelswege kommt dies einer Bankerotterklärung der Kontrollbehörden gleich.

Securpharm garantiert nicht die Wirksamkeit von Arzneimitteln

Daran wird übrigens auch Securpharm nicht das geringste ändern. Selbst wenn das System in einigen Jahren europaweit flächendeckend und lückenlos eingeführt sein sollte, ist in vielen Fällen beim grenzüberschreitenden Zwischenhandel keine analytische Kontrolle der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit möglich. Bestenfalls (und immerhin) wird Securpharm die Sicherheit von Medikamenten gegenüber Arzneimittelfälschungen erhöhen, nicht jedoch deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei der Anwendung garantieren.

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Apotheker Dr. Franz Stadler ist regelmäßiger Gastkommentator in der DAZ und auf DAZ.online. (Foto: privat)

Denkt man jetzt an einen möglichen europaweiten Rx-Versand, steht die Sache sogar noch schlimmer. Niemand weiß, was mit den Arzneimitteln auf dem Weg vom ausländischen Versender zum deutschen Empfänger passiert. Das ankommende Produkt kann und will in diesem Fall nicht einmal irgendwer kontrollieren. Keine Stichproben, keine Aktenlage, keine Behörde. Wo bleibt hier die Arzneimittelsicherheit? Selbst wenn es Spahn gelingen sollte, seine immer wieder gern erwähnten „gleichlangen Spieße“ zwischen Versandhändlern aus dem Ausland und inländischer Vorortapotheke herzustellen (was bezweifelt werden darf), geht es bei der Forderung nach einem Rx-Versandhandelsverbot nicht nur um Wirtschaftlichkeit, sondern auch um den Verlust von Haftung und Kontrollfähigkeit der abgebenden Stellen. Es geht auch hier um Arzneimittelsicherheit und Patientenschutz.

 Was tun? Parallelimporte und Rx-Versand verbieten!

Was müsste also ein sich um das Wohl seiner Bürger sorgender Gesetzgeber tun?

Er müsste dafür sorgen, dass möglichst die gesamte Lieferkette von Arzneimitteln durch Behörden sinnvoll kontrolliert werden kann. Dazu sind die Versorgungsstrukturen, also der Handel, auf das unbedingt nötige Maß zu beschränken. Nur diese Beschränkung garantiert ein hohes Maß an Arzneimittelsicherheit und Patientenschutz.

Konkret heißt das im Fall der Parallelimporte: Der Gesetzgeber folgt dem Bericht der Task Force und setzt sich unter dem Primat der Arzneimittelsicherheit für ein Verbot des Parallelhandels auf europäischer Ebene ein.

Ohne Wenn und Aber pro Rx-Versandverbot

Und beim Thema Rx-Versand fordert den Gesetzgeber die Fürsorgepflicht seinen Bürgern gegenüber auf, ohne Wenn und Aber und mit vollen Einsatz für ein Verbot des Rx-Versandhandels zu stehen.

Dabei darf auch die europäische Grundprämisse des freien Warenhandels keine Rolle spielen. Schließlich sind Arzneimittel schon immer ein besonderes Gut, das nicht mit normaler Handelsware gleich gesetzt werden kann. In jedem Land der EU geht es um die Sicherheit der Patienten. Ganz Europa betreibt im Interesse seiner Bürger einen enormen Aufwand bei der Zulassung von Arzneimitteln. Allein schon deshalb können und dürfen wir nicht die Augen vor den Gefährdungen der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit dieser Arzneimittel auf unnützen Transport- und Handelswegen verschließen. Auch der Weg der Arzneimittel zum Endverbraucher muss im Sinne der Patienten geregelt werden.

Sowohl der Parallelimport als auch der Rx-Versand sind für die Versorgung der Patienten nicht notwendig. Beide erhöhen nur unnötig das Risiko für die Patienten. 



Dr. Franz Stadler
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Lunapharm

von Gunter Kowalski am 02.10.2018 um 18:18 Uhr

Es wäre besser, die Überwachungsbehörden und Minister im Umgang mit Medien zu schulen, damit nur die Fakten veröffentlicht werden, die wirklich eine Gefährdung von Patienten ergeben. Erst wurde behauptet, die Medikamente seien gestohlen, bis klar wurde, dass niemand weiss, ob etwas gestohlen ist. Dann wurde behauptet, die Ware sei schlecht behandelt worden, wie die Kühlkette unterbrochen worden sei. Als klar wurde, dass es keiner Kühlkette bedarf, wurde einfach weiter gefälscht und jetzt behauptet, die Ware sei schlecht gelagert worden, wofür es überhaupt keinen Anhaltspunkt gibt. Dann wurde behauptet, die Mafia sei im speile und es sei en europaweites Netzwerk von Kriminellen, bis klar war, dass die Mafia die Sache gar nicht kennt und Händler europaweit handelten, was sie immer tun. Ob es Kriminelle sind, weiss niemand. die Valsartan geschichte hat mit Parallelhandel gar nichts zu tun. Der Lunapharm-Skandal hat viel mit Dummheit und Sensationsgier zu tun, aber nichts mit Parallelhandel. Es wurden Originalmedikamente mit Chargennummern und Haltbarkeitsdaten geliefert. Die Lieferung erfolgte regelgerecht, wie die Task Force feststellte.Man kann anhand der Chargennummern und Haltbarkeitsdaten erkennen, wann die Sachen produziert und an wen sie in Griechenland geleifert worden sind. Bei den Importeuren kann man weiter ermitteln, wohin sie in Griechenland geliefert worden sind. Warum das bis heute nicht aufgeklärt wird, weis nur die griechische Polizei und lässt darauf schließen, dass der Fall in Griechenland herbeigelogen worden ist. Was haben aber politische Spielchen in Griechenland mit Parallelimporten zu tun? Sie sollen die den Herstellern und ihren Phantasiepreisen leidigen Händler und Preisbrecher erledigen. Das ist alles.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Lunapharm

von Caroline Walter am 08.10.2018 um 20:14 Uhr

Herr Kowalski,
Sie sind Geschäftsführer von Rheingold. Einer Firma, die auch im Fokus der Ermittlungen steht. Vielleicht schreiben Sie das bei den nächsten Kommentaren einfach dazu. Es ist schon erstaunlich, wie Sie mit den Fakten umgehen! Dass es um illegalen Medikamentenhandel geht, sollte Ihnen langsam bekannt sein. Die griechische Apotheke hatte keinerlei Erlaubnis, Medikamente zu exportieren. Die Krebsmedikamente, die sie vertrieben hat, waren für griechische Patienten und griechische Kliniken vorgesehen. Die überwiegend von Lunapharm vertriebenen Medikamente müssen fachgerecht gekühlt und transportiert werden. Auch das können Sie im Task Force Bericht nachlesen!

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