Kurzsichtigkeit vorbeugen

Atropin-Augentropfen statt Brille?

Stuttgart - 08.10.2018, 10:15 Uhr

Wie kann man eine Kurzsichtigkeit bei Kindern hinauszögern oder verhindern? Im Freien spielen soll helfen. Helfen Atropin-Augentropfen auch? ( r / Foto: Photocreatief / stock.adobe.com)

Wie kann man eine Kurzsichtigkeit bei Kindern hinauszögern oder verhindern? Im Freien spielen soll helfen. Helfen Atropin-Augentropfen auch? ( r / Foto: Photocreatief / stock.adobe.com)


Nach Ende der Behandlung verschlechtert sich die Kurzsichtigkeit 

Der positive Effekt „dürfte“ aber ein Jahr nach Therapiestopp  für die Kinder nicht mehr merklich sein, heißt es. Ob niedrigere Dosierungen die Kurzsichtigkeit einbremsen können, können die zur Verfügung stehenden Studien laut Medizin-transparent.at nicht beantworten. Denn in der herangezogenen Studie, die die Wirkung verschiedener Dosierungen über den Behandlungszeitraum hinaus bewertete, soll die Placebogruppe gefehlt haben. (2012: 400 kurzsichtige Kinder aus Singapur im Alter von sechs bis 12 Jahren; Fragestellung: Auswirkung von 0,5, 0,1 und 0,01 Prozent Atropin-Augentropfen? Fragestellung 2014: Veränderungen nach Absetzen von 0,01, 0,1 und 0,5 Prozent Atropin). Dass die niedrigste Konzentration (0,01 Prozent) so gut wirkt wie die zuvor untersuchten 0,5 Prozent, könnten die Studienergebnisse ebenfalls nicht belegen. 

Auch das Ärzteblatt hat sich 2017 dem Thema „Myopieprophylaxe“ mit einer Übersichtsarbeit gewidmet. Die Autoren kommen von der Klinik für Augenheilkunde der Universität Freiburg, Prof. Dr. med. Lagrèze, und vom Forschungsinstitut für Augenheilkunde der Universität Tübingen Prof. Dr. rer. nat. Schaeffel. Darin erfährt man zum Beispiel, dass die Mechanismen, über die Atropin die Myopieentwicklung hemmt, kaum verstanden sind.

Wirkmechanismus von Atropin am Auge kaum verstanden

Atropin bindet an alle muskarinischen Rezeptor-Subtypen (M1 bis M5). Jedoch wird vermutet, dass Atropin die Myopie gar nicht über muskarinische Mechanismen hemmt.

Relevant könnte unter anderem seine Bindung an alpha2-adrenerge Rezeptoren sein: Andere Agonisten, die primär an alpha2-adrenerge Rezeptoren binden, sollen die Myopie ebenso effizient hemmen.

Im Tiermodell des Huhns wurde gezeigt, dass der gasförmige Transmitter Stickoxid in der Netzhaut verfügbar sein müsse, damit Atropin seine myopiehemmende Wirkung entfalten könne. Denn hemmt man die Synthese von Stickoxid, soll Atropin seine Wirkung verlieren. Stickoxid stellt, ähnlich wie Dopamin, ein Lichtsignal für die Netzhaut dar.

Adrenerge Rezeptoren sollen auch die Aktivität des Schlüsselenzyms für die Dopaminsynthese und somit den Dopamingehalt der Netzhaut steuern. Dopamin sei ebenfalls ein Lichtsignal für die Netzhaut.

Atropin scheint der Netzhaut also sowohl über Stickoxid (NO) als auch über Dopamin ein Lichtsignal zu liefern.

UAW: Weitsichtig statt kurzsichtig? Sonnenbrille statt Brille?

Wie häufig welche Nebenwirkungen auftreten, lasse sich laut Medizin-Transparent.at anhand der Studien nicht abschätzen. Jedoch scheint die niedrigste Atropin-Konzentration deutlich seltener Nebenwirkungen auszulösen.

Durch die Erweiterung der Pupillen durch Atropin werden die Augen lichtempfindlich. Betroffene Kinder erhielten deshalb in einzelnen Studien Sonnenbrillen oder selbsttönende Brillen. Durch Atropin können die Augen die Sehschärfe nicht mehr an unterschiedliche Entfernungen anpassen. Je nach Dosierung sehen die Kinder deshalb mehr oder weniger verschwommen – sie werden über den Zeitraum der Behandlung „künstlich weitsichtig“. Während der Behandlung trugen manche Kinder deshalb eine Lesebrille. Wie bei jedem Arzneimittel können allergische Rekationen auftreten. Zu schweren Nebenwirkungen soll es jedoch laut den Studien insgesamt nicht gekommen sein.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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