Patientensicherheit

Diazepam rektal – wissen Sie, wie's geht? Sicher?

Berlin / Stuttgart - 23.10.2018, 10:15 Uhr

Arzneimittel werden nicht immer korrekt angewendet – auch wenn Patienten denken, sie wissen wie es geht. (m / Foto: Monkey Business / stock. adobe.com)

Arzneimittel werden nicht immer korrekt angewendet – auch wenn Patienten denken, sie wissen wie es geht. (m / Foto: Monkey Business / stock. adobe.com)


Ein Problem kann nur gelöst werden, wenn man weiß, dass es besteht. Dass nicht immer ein Bewusstsein für fehlerhafte Arzneimittelanwendungen existiert, diese Erfahrung hat Thilo Bertsche gemacht, Universitätsprofessor für Klinische Pharmazie in Leipzig – und das in einem besonders sensiblen Bereich: Der Notfallmedikation bei Kindern mit Epilepsie, wie er beim 5. Deutschen Kongress für Patientensicherheit in Berlin erklärte.

„Kennen Sie das Arzneimittel und wissen, wie es richtig angewendet wird?“ Eine wohl alltägliche Frage in der Apotheke. Nicht wenige Patienten geben sich hier selbstbewusst, bestätigen ihre Kenntnis um die korrekte Arzneimitteltherapie – schließlich bekommen sie das Präparat ja schon seit Jahren. Doch eine jahrelange Einnahme – oder im Falle pädiatrischer Arzneimittel die Gabe durch die Eltern – schützt mitnichten vor (jahrelangen) Fehlern.

Kein Bewusstsein für Medikationsfehler

Das Problem ist: Die Patienten oder die Eltern kranker Kinder sind tatsächlich überzeugt, sie machen alles korrekt. Diese Erfahrung machte auch Professor Thilo Bertsche. Der Leipziger Universitätsprofessor für Klinische Pharmazie untersuchte in einem Projekt die Anwendung von antikonvulsiven Notfallmedikamenten bei Kindern – und fand eine erschreckende Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung der verabreichenden Eltern und ihrer tatsächlichen „Performance“. Da es schwierig ist, Notfallsituationen vor allem im häuslichen Umfeld zu beobachten, sollten die Eltern die Notfallmedikamente an Puppen applizieren.

„Die Eltern sind sich des Problems, dass sie die Notfallmedikation ihres epileptischen Kindes nicht korrekt anwenden, gar nicht bewusst“, erklärte Professor Thilo Bertsche beim 5. Deutschen Kongress für Patientensicherheit vergangene Woche in Berlin. 

97 Prozent der Eltern verabreichen Notfallmedikamente falsch

85 Prozent der Eltern gaben an, dass sie bereits rektale Verabreichungen an ihren Kindern vorgenommen und auch nie Probleme dabei gehabt hätten. Allerdings lagen die Eltern hinsichtlich ihrer Selbsteinschätzung ziemlich daneben. Denn fast alle Eltern (97 Prozent) machten mindestens einen Fehler bei der Applikation. So nahmen manche Eltern noch nicht einmal die Schutzkappe der Rektiole ab, und der Wirkstoff hatte gar nicht die Chance, an den Wirkort zu gelangen.

Nachfragen und die Anwendung zeigen lassen

Eine derart erschreckende Fehleinschätzung hat die rektale Notfallmedikation sicherlich nicht für sich allein gepachtet. Fehlerbehaftete Arzneimittel sind auch Asthma- beziehungsweise COPD-Inhalatoren, Arzneimittel-Pens für Insulin oder Adrenalin, oder schlicht eine nüchterne Einnahme von Schilddrüsenarzneimitteln – ohne Café oder Tee. Nachfragen und die Anwendung demonstrieren lassen sind wohl die einzigen Maßnahmen, die Apotheker haben, um Fehleinschätzungen und fehlerhafte Arzneimittelanwendungen zu entlarven. Was im Fall von Diazepam rektal natürlich in Apotheken nicht praktikabel ist. Dennoch ist die Zeit der Beratung eventuell mit einem offensiven Hinweis auf das Entfernen der Schutzkappe der Rektiole sicherlich keine fehlinvestierte Zeit.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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